Diclofenac - tödliche Mahlzeit für Geier!

©Yann Forgett_Wikimedia CommensIn den 90er Jahren führte auf dem indischen Subkontinent der Einsatz eines schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamentes bei Rindern zur Ausrottung fast aller dort lebenden Geierpopulationen. Innerhalb nur eines Jahrzehntes standen 99% aller Geierarten Indiens unmittelbar vor dem Aussterben.
Am stärksten betroffen war der vordem häufigste Greifvogel, der Bengalgeier, mit einem Rückgang um 99,9%!

Die Ursache: Das Medikament Diclofenac.

Geier als ausschließliche Aasfresser ernährten sich von verendeten Rindern, die mit Diclofenac behandelt worden waren.

Geier, damals noch Millionen an der Zahl, erfüllen eine wichtige Aufgabe im Ökosystem, indem sie Kadaver ’sauber‘ beseitigen.

Kleiner Exkurs

Auch menschliche Leichen zählen zu den Mahlzeiten der Geier. Die Parsen, eine religiöse Gemeinschaft in Indien und Pakistan, ‚entsorgen‘ tote Gläubige auf den Dächern von Mumbai/ Indien: Die Leichen der Parsen werden auf Gitter gelegt, locken Geier an und werden von diesen gefressen. Tote gelten als unrein. Das ist eine jahrhunderte alte Tradition, um die Grundelemente Luft, Erde, Feuer und Wasser vor Verunreinigung durch die toten Körper zu schützen. Aufgrund des massiven Geiersterbens in den letzten 15 Jahren konnte diese Tradition jedoch nicht gewahrt werden. Seit einigen Jahren bemühen sich die Parsen, Geier wieder anzusiedeln – um ihre Luftbestattung zu ermöglichen! Allerdings gilt eine Voraussetzung: Den Toten durfte bis mindestens 3 Tage vor ihrem Tod kein Diclofenac verabreicht worden sein.

Diclofenac ist ein enorm starkes Nierengift für diese Greifvögel!

Alle Vögel scheiden (giftige) Abbauprodukte aus dem Eiweißstoffwechsel über kristallisierbare Harnsäure aus – und nicht wie Säugetiere über wasserlöslichen Harnstoff. Diclofenac verhindert jedoch die Ausscheidung von Harnsäure und deren Salzen. Die Folge: Gichtbefall des gesamten Körpers durch Ablagerungen von Harnsäurekristallen – auch in den inneren Organen. Die Geier sterben qualvoll an akutem Nierenversagen.

Ca. 5% der Kadaver, die den Geiern als Nahrung zur Verfügung standen, war mit Diclofenac verseucht. Allerdings hätten bereits weniger als 1% genügt, um das Massensterben der Geier auszulösen, denn "die tödliche Dosis beträgt nur 100- bis 200-millionstel Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und ist damit um den Faktor 10 wirksamer als die wirksamsten in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide!“ https://www.falke-journal.de/wp-content/uploads/2014/10/2014-04-Europas_Geier.pdf

In Indien wurde das preiswerte Diclofenac damals in großem Stil eingesetzt. Rinder waren auch Arbeitstiere und mussten fit bleiben.

Das für Geier sichere Ersatzpräparat Meloxicam hingegen war 10- bis 12- mal teurer!

Exkurs Diclofenac

Diclofenac ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAP; auch nicht-steroidale Antirheumatika = NSAID) mit schmerzlindernden, fiebersenkenden und entzündungshemmenden Eigenschaften. Dieses Medikament ist seit 1974 auf dem Markt und eines der am häufigsten eingesetzten Schmerzmittel. In Deutschland werden von den Herstellern jährlich ca. 130 Mill. € umgesetzt!

Diclofenac wird in der Humanmedizin bei akuten und chronischen Gelenkentzündungen einschließlich Gichtanfällen eingesetzt.

Auffallend die Übereinstimmung der Indikation im Humanbereich (Gicht) und der Nebenwirkung (=Todesursache) bei Geiern (Gicht)!

Im Zusammenhang mit der Ursache des Massensterbens der Geier (Gicht und Nierenversagen) liest man dann von „Überraschung auch bei Fachleuten“.

Das ist einmal mehr die Bestätigung, die Wirkmechanismen von Humanarzneimitteln nicht bedenkenlos auf den tierischen Organismus zu übertragen!

Nach Bekanntwerden der tödlichen Wirkung von Diclofenac für Geier wurde der Wirkstoff 2006 in Indien, Nepal und Pakistan im veterinärmedizinischen Bereich verboten. 2010 folgte das Verbot in Bangladesh.

Nach fast vollständigem Aussterben der Geierarten waren 2014 erste Anzeichen einer Regeneration der indischen Geierpopulationen zu erkennen.

Umso dramatischer und unverständlicher die Zulassung von Diclofenac-haltigen Tierarzneimitteln für Rinder, Schweine und Pferde 2013 in Spanien und Italien! Zumal es eine für Geier unschädliche Alternative gibt, das bereits erwähnte Meloxicam! Damit nicht genug: In weiteren EU-Ländern wird eine Zulassung angestrebt.

Spanien verfügt über die weitaus größten Geierbestände in Europa. Dies ist erfolgreichen Schutzmaßnahmen zu verdanken, die stetig wachsende Bestände von z.B. Mönchsgeiern, Gänsegeiern und Schmutzgeiern ermöglichten.

Die Geier leben heutzutage kaum mehr von Wildtierkadavern. Ihre Nahrungsquellen sind stattdessen die in riesigen Mengen in der Tierproduktion anfallenden Kadaver. Das heißt, mit Diclofenac kontaminierte Haustiere!

Diclofenac ist nicht nur für Geier, sondern auch für Adler der Gattung Aquila (Spanischer Kaiseradler, Steinadler, Steppenadler u.a.) toxisch. Sie zeigen dieselben Vergiftungssymptome wie Geier. Aufgrund ihres Vorkommens (14 Arten) in Asien, Afrika, Australien, Europa und Nordamerika wird dieser Diclofenac-Skandal zu einem weltweiten Problem!

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten unterliegen der Verpflichtung zur EU-Vogelschutzrichtlinie und zur Gesetzgebung zu Tierarzneimitteln, Mittel zu verbieten, die ökologischen Schaden anrichten können. Dieser Verantwortung entzieht sich die EU-Kommission ganz offensichtlich und nimmt dafür ein mögliches Ausrotten auch der europäischen Geier – und auch der genannten Adlerarten - in Kauf!

Die Gier nach Geld ist, wie meistens, unübersehbar.

Frau Dr. Garbers

Quellen

http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Diclofenac

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R0470

https://www.falke-journal.de/wp-content/uploads/2014/10/2014-04-Europas_Geier.pdf

https://de.wikipedia.org/wiki/Diclofenac

https://www.deutsches-tieraerzteblatt.de/fileadmin/resources/Bilder/DTBL_03_2017/PDFs/DTBL_03_2017_Geiersterben.pdf

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/artenschutz/geier/16608.html

https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Gremien/RoutinesitzungPar63AMG/75Sitzung/pkt-3-8.pdf?__blob=publicationFile&v=2

https://www.falke-journal.de/wp-content/uploads/2014/10/2014-07-Diclofenac.pdf

https://www.heise.de/tp/news/Wissenschaftler-warnen-vor-Geiersterben-in-Spanien-2164359.html

https://www.gesundheit.de/medizin/wirkstoffe/schmerzmittel/diclofenac

http://www.institut-wildtierschutz.de/wildtiere-in-gefahr.html

http://70085.forumromanum.com/member/forum/entry_ubb.user_70085.2.1121351417.1121351417.1.dicloflenac_spanien_und_italien_zugelassen-bird_at.html

https://derstandard.at/1353208263547/Geier-sollen-wieder-Teil-eines-indischen-Todesrituals-werden

28.05.2018

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