Der enterohepatische Kreislauf
Blut zirkuliert im Körper und versorgt ihn mit allen lebensnotwendigen Substanzen. Der Blutkreislauf wird den Körperkreislauf und den Lungenkreislauf untergliedert. Eine Sonderstellung nimmt der sogenannte Pfortaderkreislauf ein, der sich speziell um die Leber „kümmert“:
Eine große Vene, die Pfortader (Vena portae), sammelt das Blut von Magen, Darm, Pankreas und Milz und führt es der Leber zu. Dieses Pfortaderblut ist sauerstoffarm und nach Futteraufnahme reich an Nährstoffen. Die Leberarterie (Aorta hepatica) leitet sauerstoffreiches Blut in die Leber, das sich mit dem venösen Blut mischt und den Stoffwechsel der Leberzellen ermöglicht. Zu entsorgende Schlackenstoffe und Abfallprodukte werden wasserlöslich gemacht und über Darm und Nieren ausgeschieden.
Auch mit der Nahrung aufgenommene Chemikalien (Medikamente, Pestizide, Konservierungsstoffe und andere Toxine) passieren die Leber und unterliegen diesem Stoffwechselprozess. Gefährliche Stoffe werden dem Blut somit entzogen.
Über die untere Hohlvene (Vena cava) fließt das gereinigte Blut zurück zum Herzen.
Eine Besonderheit stellt der sogenannte Enterohepatische Kreislauf dar, auch als Darm-Leber-Kreislauf bezeichnet. Eine anschauliche Darstellung finden Sie hier:
www.spektrum.de/lexikon/ernaehrung/enterohepatischer-kreislauf/2539
Dieser Kreislauf beschreibt das mehrfache Zirkulieren bestimmter körpereigener Substanzen (z. B. Gallensäuren) sowie auch körperfremder Stoffe (Medikamente, Gifte usw.) zwischen Darm, Leber und Gallenblase. Beim Pferd, das bekanntlich keine Gallenblase besitzt, zwischen Darm, Leber und Gallengang.
In diesem Zusammenhang müsste man sich Gedanken machen über die Begriffe „Medikament/ Arzneimittel“ in Abgrenzung zu „Gift“ …
Mit dem Futter aufgenommene Nahrungsbestandteile und Toxine gelangen nach der Magenpassage in den Darm. Von dort werden sie über die Darmschleimhaut resorbiert und in das Blutsystem abgegeben. Die Pfortader sammelt das Blut und leitet es der Leber zu. In der Leber findet die sogenannte Biotransformation (Entgiftung) statt, damit toxische Substanzen über Darm und Nieren ausgeschieden werden können. Fettlösliche Stoffe werden durch Gallensekretion über den Darm aus dem Körper entfernt, wasserlösliche Verbindungen mit dem Harn über die Nieren ausgeschieden.
Der Übergang in den Darm bedeutet für bestimmte Stoffe eine physiologische Abzweigung – nämlich den Eintritt in den enterohepatischen Kreislauf: Diese Substanzen (Gallensäuren, Cholesterin, Bilirubin), so eben auch manche Medikamente, Gifte etc., gelangen über die Darmschleimhaut und über die Pfortader zurück in die Leber. Sie werden sozusagen recycelt. Dieser Vorgang kann sich mehrfach pro Tag wiederholen.
Welchen physiologischen Zweck hat dieser „Umweg“?
Hier handelt es sich um eine Rückgewinnung von Stoffen. Die Wiedergewinnung – z. B. körpereigener Substanzen – lohnt offenbar mehr als deren aufwändige Neusynthese.
Gallensäuren bzw. Gallensalze sind für die Fettverdauung von zentraler Bedeutung. Ca. 90% der Gallensäuren werden im Dünndarm rückresorbiert und der Leber wieder zugeführt (4-12 Mal/Tag). Eine große Entlastung für die Leber, da sie nur 10% des Umsatzes an Gallensalzen neu bilden muss, nämlich den Anteil, der mit dem Kot verloren geht. Die resynthetisierte Menge würde allerdings für die Fettverdauung nicht ausreichen.
Auch Bilirubin, ein Gallenfarbstoff, durchläuft den enterohepatischen Kreislauf. Es wird zu ca. 20% als Urobilinogen aus dem Darm über die Pfortadervene in die Leber rückresorbiert, die restlichen 80% werden mit dem Kot ausgeschieden. Bilirubin (gelber Blutfarbstoff) wird aus Hämoglobin (roter Blutfarbstoff der Erythrocyten) im Zuge des Erythrocytenabbaus gebildet. Seine Umwandlungsprodukte geben dem Kot und Urin deren charakteristische Farbe. Bilirubin gilt als reines Abbauprodukt des Körpers. Der physiologische Sinn dieses Teils des enterohepatischen Kreislaufs ist offenbar noch ungeklärt.
Ebenso durchlaufen Vitamine, z. B. Vitamin B12, den enterohepatischen Kreislauf. Eine körpereigene Vitamin B12-Synthese erfolgt durch Darmbakterien. Bei Carnivoren (Fleischfressern) geschieht das allerdings in den unteren Darmabschnitten (Dickdarm), so dass die gebildeten Vitamine großteils mit dem Kot verloren gehen. Hier macht die Rückgewinnung über den enterohepatischen Kreislauf offenbar Sinn!
Der enterohepatische Kreislauf hat zudem eine Steuerungsfunktion: Bedingt durch die Rückresorption von Gallensäuren und die dadurch erhöhte Konzentration in der Pfortader hemmt der enterohepatische Kreislauf die Bildung der Gallensäure-Vorläufer (Cholesterin) in der Leber. Auch Cholesterin ist in den enterohepatischen Kreislauf eingebunden und wird rückresorbiert. Daher ist der enterohepatische Kreislauf für die Regulation des Cholesterin- und des gesamten Steroidstoffwechsels der Säuger von zentraler Bedeutung. Dieser Mechanismus schont und entlastet die Leber in Hinblick auf die Fettverdauung. In der Zeit einer überwiegend pflanzlichen Ernährung bzw. ausgewogenen Mischkost unserer Vorfahren war die Rückgewinnung von Cholesterin durchaus sinnvoll. Dieser physiologische Zweck ist angesichts des heutigen üppigen (Fleisch-) Nahrungsangebotes für uns Menschen kaum mehr relevant.
Was geschieht mit körperfremden Stoffen, also Medikamenten, Chemikalien, Giften?
Einerseits kann ein reges Zirkulieren mancher Arzneimittel im enterohepatischen Kreislauf zu einer verlängerten Halbwertszeit und damit zu einer längeren Verweildauer im Körper führen. Andererseits tritt die Wirkung des Medikaments unter Umständen verzögert ein. Bei wiederholter Verabreichung oder gar Dauermedikation wären Überdosierungen und eine Überlastung der entgiftenden Leber unvermeidbar. Alles in allem eine unkontrollierte Stoffwechsellage!
Durch Umgehung der Magen-Darm-Passage soll dieses Problem vermieden werden: Müssten Hunde, Pferde und Katzen demnach vermehrt Nasensprays, Zäpfchen, Sublingualtabletten, intravenöse oder intramuskuläre Injektionen bekommen?
Giftstoffe werden über den Pfortaderkreislauf der Leber direkt zugeführt, um dort metabolisiert (verstoffwechselt) und abgebaut, d. h. ausscheidbar gemacht zu werden. Diesen Abbau erfahren auch bestimmte Medikamente, bevor sie über das Blut zu den Zielorganen gelangen (First-Pass-Effekt). Das Wirkprofil dieser Arzneimittel wird verändert, die Wirkung möglicherweise reduziert. Das wiederholte Zirkulieren im enterohepatischen Kreislauf kann die Wirkung von Arzneimitteln folglich stark schwächen. Dann müsste die Dosis erhöht, das Dosierungsintervall verkürzt werden …
In Anbetracht der relativ hohen Giftbelastung, der unsere Haustiere heutzutage ausgesetzt sind, zeigt sich der enterohepatische Kreislauf in einem anderen Gewand als dem sinnvollen, physiologischen: Gifte könnten in ihrer Wirkung verstärkt werden, und zu diesen zählen meines Erachtens ebenso Medikamente, wenn man den heute üblichen Missbrauch (z. B. von Antibiotika) bei Nutz- und Haustieren bedenkt. Oder sie werden wegen geringerer Wirkung unkontrollierbar überdosiert. Oder führen zu uneinschätzbaren Kumulationseffekten und Leberschäden mit Vergiftungssymptomen …
Die Tierarztpraxen sind bekanntlich voll von solchen Fällen!
Leberfunktion
Die Leber ist das „Zentrallaboratorium des Organismus“ und die größte Drüse des Körpers bei Wirbeltieren. Demgemäß übernimmt sie wichtige Aufgaben im Stoffwechselgeschehen von Pferden, Hunden und Katzen. Die Leber ist „zentraler Umschlagplatz“ aller Nährstoffe und Substanzen, die mit der Nahrung aufgenommen werden.
Diese Stoffe werden je nach Bedarf sofort verwertet oder gespeichert. Ebenso können sie von den Leberzellen umgewandelt oder aber abgebaut und ausgeschieden werden.
Hauptaufgaben der Leber:
- Regulierung des Eiweißstoffwechsels (Auf- und Abbau von Eiweißstoffen, Bildung von Harnstoff und Harnsäure)
- Regulierung des Kohlenhydratstoffwechsels (z. B. Speicherung von Zucker in Form von Glykogen, Abgabe als Glukose in das Blut)
- Regulierung des Fettstoffwechsels über die Produktion von Gallenflüssigkeit
- Speicherung verschiedener Vitamine (Vit. B12) und Spurenelemente (Fe, Cu, Zn, Mn)
- Entgiftung des Körpers, siehe auch das Thema KPU bei Pferden
- Beteiligung an der Regulation des Hormonhaushaltes (Abbau von Östrogenen, Testosteron, Progesteron u. a., Bildung von Wachstumshormonen)
Bei Lebererkrankungen – ein häufiges Problem bei Pferden, Hunden und Katzen – können demnach auch Störungen im Hormonhaushalt auftreten!
Dr. Frauke Garbers, Biologin
Quellen
www.netdoktor.at/anatomie/blutkreislauf-7158
www.apotheken-umschau.de/Leber
www.medicoconsult.de/wiki/Enterohepatischer_Kreislauf
Physiologie: Hämodynamik der Leber, enterohepatischer Kreislauf
http://www.med4you.at/laborbefunde/lbef3/lbef_urobilinogen_im_harn.htm
Biesalski, H.K. (2002): Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Thieme, Stuttgart New York
www.inform24.de/enterohepat.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Enterohepatischer_Kreislauf
http://www.internisten-im-netz.de/de_leber-funktion_852.html
Loeffler, Klaus (2002): Anatomie und Physiologie der Haustiere. Ulmer Verlag, Stuttgart
Bildnachweis
Enterohepatischer Kreislauf © Creative Commons Attribution - Sansculotte, Link: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grafik_enterohepatischerkreislauf.jpg#file
01.09.2017