Humus & Mist Teil 4

Humusdünger: Was passiert im Mist?

Mist in der LandwirtschaftOftmals fragen sich Pferdehalter, die nicht mit Landwirtschaft aufgewachsen sind, warum ihr Mist bei so vielen Landwirten nicht willkommen ist. Wer den vorhergehenden Artikel zur Lagerung des Mistes gelesen hat, wird sich zudem vielleicht fragen, warum um Himmels willen in der Vergangenheit ein derart hoher Aufwand bei der Lagerung betrieben wurde. Diesen enormen Arbeitsaufwand kann man nur nachvollziehen, wenn man verstanden hat, was im Mist geschieht und wie die Maßnahmen steuernd auf die Prozesse im Mist einwirken.

Aus dem Darm auf den Misthaufen

Stallmist entsteht durch die Vermengung von Einstreu mit Harn und Dung. Dabei werden die zersetzenden Mikroorganismen, soweit sie nicht bereits der Einstreu anhafteten, überwiegend durch den Dung, also im Falle von Pferden den Pferdeäppeln, in das Substrat eingebracht. Was geschieht nun in der „beimpften“ Einstreu? Handelt es sich um eine ungestörte Fortsetzung der mikrobiellen Verdauung außerhalb des Darms?

Nein, die ausgeschiedenen Mikroorganismen müssen einen drastischen Milieu-Wechsel verkraften. Der Darm bot den kleinen Helfern der Verdauung optimale Lebensbedingungen. Sie fanden eine konstante Temperatur, Luftabschluss, kontrollierten pH-Wert je nach Verdauungszone, ständige Durchmischung, kontrollierten Wassergehalt sowie gezielte Zuführung und Abtransport von Stoffen vor. Der Verdauungstrakt hat sehr unterschiedliche Bereiche mit unterschiedlichen Bedingungen. Der Nahrungsbrei mit seinen Bewohnern wird einfach weitergeschoben. Dabei wird nicht nur das Pflanzenmaterial verdaut, sondern ebenso die Mikroorganismen, wenn sie im nächsten Abschnitt keine optimalen Bedingungen mehr finden und vom Verdauungssaft abgetötet werden. Bei Rindern finden sich erheblich größere Gärkammern als beim Pferd mit ungleich mehr Mikroorganismen. Und tatsächlich ernähren sich Rinder in erster Linie durch die Verdauung von Bakterien. Erst in zweiter Linie leben sie vom Futter für diese lebensnotwendigen Nützlinge, dem zerkleinerten Pflanzenmaterial.

Auf dem Misthaufen ändern sich die Bedingungen nun schlagartig. Der ausgeschiedene Darminhalt wird belüftet, die Temperatur weicht drastisch von der Körpertemperatur ab, in der Einstreu ist es trockener als im Darm, kein Verdauungssaft steuert mehr den pH-Wert. Die Populationen der Mikroorganismen kommen aus dem Gleichgewicht und müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Statt des Darmes versucht nun der Landwirt steuernd einzugreifen, um einen guten Humusdünger zu erhalten.

Erwünschte und unerwünschte Vorgänge

Reifer Mist soll als organischer Dünger Huminsäuren enthalten und eine möglichst anhaltende Düngerwirkung entwickeln. Bakterielle  Umbauprozesse sind also erwünscht – aber auf die Richtung und den Grad der Umsetzung kommt es an. Auf keinen Fall soll es im Mist zu einem schnellen Abbau der organischen Substanz zu ihren Endprodukten kommen. Die Endprodukte der Zersetzung sind beispielsweise Kohlendioxyd, Nitrate, reiner Luftstickstoff oder Wasser. Die Kunst der Mistführung besteht also darin, die Zersetzung in eine ganz bestimmte Richtung zu führen und dann im richtigen Moment zu unterbrechen. Dazu gehört auch, den reifen Mist im geeigneten Moment als Dünger zu verwenden. Wer guten eigenen Wirtschaftsdünger wünscht, kommt daher nicht umhin, sich die grundlegenden Abbauprozesse im Mist bewusst zu machen.

Faktor Luft


Ganz entscheidenden Einfluss auf die Vorgänge hat das Vorhandensein von Sauerstoff in Form von Lufteinschlüssen. Es gibt Mikroorganismen, die Luft zum Leben und Arbeiten brauchen (aerob) und andere, die unter Luftabschluss aktiv sind (anaerob). Strohhalme sind hohl und bieten viele Lufteinschlüsse. Einstreuarme Miste sind dagegen arm an Lufteinschlüssen. Ebenso sind alle stark mechanisch verdichteten Miste an Sauerstoff reduziert oder sogar verarmt. Alles, was tief und nass in Jauche lagert ist ebenfalls sauerstoffarm.

Faktor Kohlenstoff


Stallmist bietet den kleinen Zersetzern als Nahrung Kohlenhydrate und Eiweiße, kaum Fette und nur in sehr geringen Mengen hochkomplexe Verbindungen wie die sekundären Pflanzenstoffe, zu denen beispielsweise viele Teedrogen und Gifte gehören.

Ist Sauerstoff vorhanden, dann werden die Kohlenhydrate über verschiedene Stufen schließlich zu Kohlendioxyd abgebaut. Unter Luftabschluss ist ihr Endprodukt dagegen Methan. Gelangt das Methan an die Luft, wird es zuerst zu Kohlenmonoxyd umgebaut und schließlich zu Kohlendioxyd. Diese Vorgänge bezeichnet man als Mineralisation. Je umfangreicher ein Kohlenhydrat ist, desto länger ist der Weg der Zersetzung. Eine sofortige vollständige Mineralisation ist nicht möglich – zum Glück für den Bauern, der mit den mineralisierten Endprodukten der Kohlenhydrate nicht düngen kann. Die Zwischenprodukte, nämlich die Huminsäuren als Humus, sind erwünscht. Zu den komplexen, umfangreichen und schwer angreifbaren, also zersetzbaren Verbindungen gehören die Zellulose, und noch mehr die Lignine (Holzstoff). Auch mit Wachsen und langkettigen Gerbsäuren geschützte pflanzliche Zellwandstrukturen sind schwer zu zerlegen. Sie werden zu unterschiedlichen Huminsäuren abgebaut.

Faktor Stickstoff


Zu den organischen Resten von Pflanzen und Tiere gehören auch Eiweiße (Proteine). Charakteristisch für Eiweiße ist  ihr hoher Gehalt an Stickstoff. Eiweiße können auf verschiedenen Wegen zerlegt werden, wobei Stoffe mit ganz unterschiedlicher Düngerwirkung entstehen:

Enzyme spalten die Eiweiße in verschiedene Produkte. Dieser Vorgang nennt sich Proteolyse. Die Spaltprodukte der Proteolyse finden sich im Humus. Sie können aber auch direkt zu Ammonium abgebaut werden.

Unter Sauerstoffeinfluss, also aerob, können Bakterien das Ammonium oxidieren. Es entsteht aus dem Ammonium zuerst Nitrit, dann unter weiterer Oxidation Nitrat. Diesen Prozess nennt man Nitrifikation. Sowohl Ammonium als auch Nitrat können von den Pflanzen direkt als Stickstoffquelle (leicht verfügbarer Dünger) genutzt werden.

Ganz anders läuft es unter Luftabschluss (anaerob) ab. Hier verwenden Bakterien das Nitrat als sauerstoffreiche Verbindung als Sauerstoffquelle. Man spricht von der Nitrat-Atmung. Diese Bakterien kehren den Weg um. Sie entziehen dem Nitrat den Sauerstoff, wodurch zuerst Nitrit entsteht, und bei weiterem Sauerstoffentzug Luftstickstoff oder Ammonium. Dieses Gegenteil der Oxidation nennt man Reduktion.

Sehr oft geht der für die Düngung so wertvolle Stickstoff als Luftstickstoff, also als Distickstoffmolekül, verloren. Das geschieht, wenn Bakterien das Nitrat unter Luftabschluss (anaerob, kein Luft-Sauerstoff verfügbar) komplett zu Luftstickstoff veratmen. Dieser als Denitrifikation bekannte Weg wäre für den Landwirt die schlechteste Variante, denn es bliebe ein an Stickstoff stark verarmter Humusdünger zurück. Wer einen Dünger wünscht, der die Pflanzen kräftig wachsen lässt, darf daher seinen organischen Dünger auf keinen Fall unter Luftabschluss reifen lassen.

Faktor Schwefel


Neben Stickstoff enthalten einige Eiweißbausteine (Eiweiße sind aufgebaut aus Aminosäuren) zusätzlich Schwefel. Der Abbau von Eiweiß ist wiederum abhängig von der Gegenwart oder der Abwesenheit von Luftsauerstoff. Sind im Mist genug Lufteinschlüsse vorhanden (aerob), dann entstehen Sulfate. Unter Luftabschluss (anaerob) wird dagegen stark giftiger Schwefelwasserstoff gebildet (Abbauwege zu Schwefelwasserstoff: Desulfurikation und dissimilatorische Sulfatreduktion). Schwefelwasserstoff färbt Mist oder Boden schwarz und verrät sich in geringen Konzentrationen durch seinen starken Geruch nach faulen Eiern.

Fazit erwünschter und unerwünschter Vorgänge

Welche Rolle die Temperatur bei der Lagerung von Mist spielt, haben wir bereits im Teil 3 der Humusserie behandelt. Dabei war die Temperaturentwicklung stark abhängig von der Belüftung des Mistes. Geeignete Temperaturen von Mist liegen bei der bakteriellen Rotte zwischen 30 und 65 Grad, im Gegensatz zum Kompost, der unter 30 Grad lagern muss. Zu niedrige und zu hohe Temperaturen im Mist können zu Gärungen führen, was sich dann in unerwünscht sauren pH-Werten des Mistes zeigt. Zu niedrige Temperaturen können in Mist bei einstreuarmen Misten auftreten sowie bei schwer angreifbarer Einstreu wie Sägemehl und Hobelspänen. Während Weichholz von Bäumen wie Pappeln, Weiden oder Birken sich gut zersetzen, sind harzreiche Hölzer von Fichten, Kirschen und Kiefern oder verkernte Hölzer (Hartholz) von Eichen oder Buchen schwer zersetzlich. Einstreu, Verdichtung und Feuchtigkeit steuern die Aktivität und Zusammensetzung der zersetzenden Mikroorganismen im Mist und somit die Temperaturentwicklung in dem Haufen. Sauerstoffmangel im Mist hat, wie wir gesehen haben, in allen Abbauvorgängen unerwünschte Folgen. Das gilt für den Kohlenstoff ebenso wie für Stickstoff und Schwefel. Mist darf nicht zu fest gepresst werden, soll feucht, aber nicht im Wasser lagern und darf auf keinen Fall luftdicht abgedeckt werden (Plastikfolie). Die Abdeckung gegen Austrocknung und Unkraut muss atmungsaktiv sein. Wie das aussehen kann, haben wir in Teil 2 dieser Serie gesehen. Der Abbau darf nicht beispielsweise durch sehr luftige Lagerung oder unnötig hohe Einstreumengen zu drastisch angeheizt werden, sondern muss im richtigen Moment durch Verdichtung und/oder Bewässerung gestoppt bzw. der organische Dünger muss zeitnah ausgebracht werden. Nur dann sind die erwünschten Huminsäuren vorhanden und darin eingelagert die pflanzenverfügbaren Nährstoffe. Wie man vom Mist zum besonders wertvollen, da nachhaltigen Humusdünger Kompost kommt, hat Teil 2 dieser Serie gezeigt.

Dr. Renate Vanselow, Biologin


Dieser Artikel ist Bestandteil unserer Serie über Humus & Mist. Lesen Sie hierzu auch

05.09.2017

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