Würmer sind keine Krankheit - Teil 1

Würmer sind Feinde, die man konsequent vernichten muss

Überall werden Sie dies Kriegsvokabular finden, neulich wieder in einem großen Pferdejournal. Da lautete die Überschrift eines Artikel über das Thema Entwurmung: „Neue Taktik gegen einen alten Feind.“ Das ist Krieg. Krieg als Daueraufgabe für Tierhalter und Veterinärmediziner. 
Es gibt noch viele andere Feinde: Viren, Bakterien, Einzeller, Pilze. Wenn man Krankheit als Anwesenheit irgendeines Keimes oder einiger Würmer definiert, dann gibt es keine gesunden Tiere. Irgendein angeblicher Feind bedroht den Körper immer. Wer suchet, der findet, und ganz sicher findet er Würmer, denn wurmfrei ist kein Pferd und kein Hund. 

Entwurmen wurde zur Pflicht erklärt

Kaum ein Stall, in dem es nicht zur Pflicht gemacht wird, viermal im Jahr zu entwurmen. Das steht schon in den meisten Einstellverträgen. Bei Hunden empfiehlt man inzwischen Wurmkuren alle sechs Wochen. Bei Welpen soll der Abstand noch kürzer sein. 
Wir haben ein merkwürdiges Verständnis von ärztlicher Tätigkeit entwickelt. Es geht kaum mal um die Gesunderhaltung durch artgerechte Methoden, sondern um Bekämpfung, so wird es ja auch gesagt, also um Krieg. Medizin bedeutet Krieg um jeden Preis, Krieg an vielen Fronten, immer muss irgendein Feind, der angeblich die Gesundheit oder das Leben bedroht, bekämpft werden. Hat man sich erst einmal auf so einen Kampf eingelassen, kommt man kaum mehr aus der Falle heraus. Der Krieg zum Dauerkrieg. Und jeder muss es erleben: Diesen Kampf kann man nicht gewinnen. 

Ist die Natur inkompetent?

Wir Menschen wissen anscheinend alles besser als die Natur, zumindest meinen das viele. Deshalb werden sich einige auch fragen, was sich die Natur oder der Schöpfer eigentlich dabei gedacht haben, so ein widerwärtiges Viehzeug wie Würmer zu erschaffen. Wenn man diese verdammten Würmer endlich vernichtet hätte, was wäre das für ein paradiesischer Zustand für Pferd und Hund und Halter. Leidtun könnten einem dann nur die Hersteller und Vertreiber der Wurmmittel. Aber die wissen genau, dass dieser Krieg gegen die Würmer nicht zu gewinnen ist.

Wir stellen die falschen Fragen

Deshalb bekommen wir auch die falschen Antworten. Wir müssen unsere Sichtweise ändern. Immerhin kann ja jedem bewusst werden, dass Pferde und Hunde bzw. deren Vorfahren nun schon seit etwa 50 Millionen Jahre auf dieser Erde existieren und ganz offensichtlich von den Würmern nicht aufgefressen wurden. Bei einer so langen Gemeinschaft darf man vermuten, dass die Würmer sogar eine wichtige Funktion im Körper erfüllen. 
Es gibt immerhin einige kluge und angesehene Biologen, die das so sehen. Lynn Margulis z. B. oder James Lovelock oder Rupert Sheldrake. Die haben erkannt, dass jeder sog. Schmarotzer versucht, zum Symbionten zu werden. Er will ja überleben; und das kann er nur, wenn er nicht vom Immunsystem seines Wirtes vernichtet wird, er aber auch seinen Wirt nicht tötet. Als Symbiont wird er zum Partner des Wirtskörpers, für den er lebensnotwendige Aufgaben erfüllen muss, während er gleichzeitig dessen Schutz genießt und mit Nahrung versorgt wird.

Entwurmungsmittel gab es immer schon

Die Natur liefert viele. Chemische Entwurmungsmittel gibt es erst seit wenigen Jahrzehnten. Wie sind dann unsere Vorfahren mit Würmern fertig geworden? Den Pferden fütterte man entwurmende Pflanzen wie z. B. Rainfarn oder Meerrettich, wenn sich die Pferde nicht sogar selbst damit aus der Natur versorgen konnten, denn Pferde sind gute Botaniker und spüren ihren Bedarf, wenn sie als Fohlen eine Chance hatten, die Pflanzen kennenzulernen. Unsere verarmten Wiesen und die Angst der Pferdehalter vor angeblichen Giftpflanzen machen das heute unmöglich. Hunde bekamen Fellstücke, denn Haare, aber auch kratzige Pflanzenteile wie Hagebuttenkerne, treiben Würmer aus.

Würmer lieben junge Pferde und Welpen

Man wusste früher und hat es inzwischen bei Pferden auch genau untersucht, dass Fohlen bis zum Alter von einem Jahr recht häufig von Spulwürmern (Askariden) befallen sind, danach kaum mehr. Sie werden resistent, ihr Immunsystem hält die Würmer in Schach, sie können nicht überhand nehmen. Kommen neue Larven in den Körper, werden sie von Zellen des Immunsystems zerstört, sie kommen gar nicht dazu, sich zum geschlechtsreifen Wurm zu entwickeln.
Bei Palisadenwürmern, den Strongyliden, dauert der Immunisierungsprozess etwa drei Jahre. Danach gibt es nur noch geringfügigen Befall und die meisten Pferde leben spätestens ab diesem Alter mit Würmern in einer Balance. Ähnlich, aber zeitlich verkürzt, gilt das für Welpen und junge Hunde. Wurmfrei wird kein Pferd. Wer ein wurmfreies Tier haben will und dafür alles tut, wird den Krieg verlieren und könnte bald ein totes Tier haben.

Krieg oder innere Balance

Diese Sichtweise eines inneren Gleichgewichtes, auch mit Würmern, ist den meisten Tierhaltern völlig fremd geworden. Sie wurden über Jahrzehnte indoktriniert, in Bildern von Krieg und Vernichtung zu denken, und sie meinen, siegreich sein zu können. 
Das geht nun schon seit Darwin so, den man völlig missverstanden hat. Er sprach von „survival of the fittest“ und das verstand man und übersetzte es uns als den „Kampf ums Überleben“, den nur der Stärkste gewinnen kann. „The fittest“ ist aber gerade nicht der stärkste, sondern der an seine Lebensumstände am besten angepasste Organismus. Würmer, die ihren Wirt vernichten, müssten im Fach Fitness eine Sechs bekommen.

Jahrzehntelange Entwurmung – ein totaler Fehlschlag

Nach so vielen Jahren konsequenter Entwurmung müssten Würmer inzwischen fast ausgestorben sein. Das Gegenteil ist der Fall. Würmer lernen es extrem schnell, sich gegen die chemischen Entwurmungsmittel resistent zu machen. 
Und selbst wenn es nicht zu Resistenzen kommt, hat man keinen wirklichen Schutz. Die Anfälligkeit für einen erneuten Wurmbefall bleibt. Schon kurz nach einer Entwurmung kann der Befall so groß oder größer sein als zuvor, wenn es auf der Weide oder am Wegesrand zur Aufnahme von Wurmlarven kommt. Hierzu muss man wissen, dass sich Würmer nicht im Darm vermehren, was vielen nicht bekannt ist und auch nicht erklärt wurde. Nur das Immunsystem kann den Befall wirklich regulieren und kann das auch ein Leben lang erfolgreich. Aber genau hier liegt der Haken. Nur das junge Immunsystem ist sehr lernfähig, das ältere weniger. Hat man dieses Abwehrorgan in der Fohlen- oder Welpenzeit geschädigt, ist es wahrscheinlich, dass diese Schwäche ein Leben lang erhalten bleibt. Solche Tiere sind als erwachsene ständig massiv verwurmt.
Was gerne übersehen wird und worauf man auch nicht aufmerksam gemacht wird: Alle Gifte wirken auch auf den Wirtsorganismus. Sie alle haben schon entsprechende Folgeschäden erlebt.

Problem erkannt, aber noch längst nicht gebannt

Immerhin haben inzwischen einige Tierärzte – viel zu wenige – das Problem erkannt und daraus Konsequenzen gezogen. Auch wird endlich wieder geforscht, so an den Universitäten München und Gießen. Das ist erfreulich. Aber leider nur für Pferde. Die Erkenntnisse aber und die Empfehlungen kann man grundsätzlich auf Hunde übertragen. Empfohlen wird – und das ist die Alternative zu dem verantwortungslosen Entwurmen ohne klare Diagnose, wie es bisher üblich ist – durch Kotuntersuchungen die Anzahl von Wurmeiern festzustellen und nur dann gezielt zu entwurmen, wenn eine kritische Anzahl überschritten wird. Wer allerdings ein wurmfreies Tier will, und manche glauben ja, dass sei möglich, steht auf verlorenem Posten, denn wurmfrei gibt es nicht. 

So sollte man vorgehen:

Informieren Sie sich auch auf der Seite der Tierarztpraxis Dr. Menzel
Diese Tierarztpraxis arbeitet zusammen mit der Universtiät München, Lehrstuhl Vergleichende Tropenmedizin und Parasitologie, Prof. Dr. K. Pfister.
Es wird empfohlen, erst dann chemisch zu entwurmen, wenn mehr als 200 Wurmeier pro Gramm Kot, Abkürzung EpG, nachgewiesen wurden. Hier wird also lobenswerter Weise keine Wurmfreiheit angestrebt, also nicht vorgegaukelt, wurmfrei sein möglich und damit der Organismus des Pferdes geschont. 
Interessant nun deren veröffentlichte Zahlen des 1. Quartals 2011 zur selektiven Entwurmung: Teilnehmende Pferde 253, davon unter der EPG-Grenze von 200 Wurmeiern: 220 Pferd, also etwa 87 %, die entsprechend kein Wurmmittel bekamen. Zu entwurmen blieben 14 %, also nur 33 Pferde.

Neuinfektionen vorbeugen

Alle Würmer durchlaufen ein Zyklus. Keine Wurmart zeugt Junge im Darm oder sonstwo im Körper. Aus den Eiern, die mit dem Kot ausgeschieden wurden, entwickeln sich Larven. Werden die vom Wirtstier aufgenommen, entwickeln sie sich im Verdauungstrakt zu geschlechtsreifen Würmern. Diesen Zyklus muss man unterbrechen. Deshalb sollten die Wege und Weiden regelmäßig „abgeäppel“ werden. Zusätzlich kann man die Kotstellen mit einer offenen Gasflamme bearbeiten, das überlebt kein Wurm, kein Ei und keine Larve. Es ist deshalb auch nur eingeschränkt richtig, wenn empfohlen wird, die Weiden nicht zu schleppen, weil damit die Larven verteilt und die Infektionsgefahr vergrößert würde. Das gilt nur bei feuchtwarmem Wetter. Macht man das aber gezielt vor einer Hitzeperiode, wie sie in den beiden vergangenen Jahren auftraten und das gleich über mehrere Wochen, vernichtet die Sonne Würmer, Eier und Larven. Unsere Vorfahren wussten das noch.

Würmer sind in allen Stadien extrem hitzeempfindlich, werden sie einige Sekunden lang einer Temperatur von 50 °C ausgesetzt, überleben sie das nicht. Im Stall kann man denselben Effekt mit Heißdampf erreichen.

Klaus-Rainer Töllner, Waltrop

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06.09.2017

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