Akupunktmassage am Pferd

- nach Penzel

Aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin ist ein Mensch oder ein Pferd gesund und leistungsfähig, wenn er/es über genügend Energie verfügt und diese Energie frei und ungehindert im Körper fließen kann. Da das Energiekreislaufsystem allen anderen Körper- und Organfunktionen, wie z.B. der Durchblutung, den Organen, der Muskulatur, dem Nervengewebe u.a. hierarchisch übergeordnet ist, ist es sinnvoll, diesen Energiekreislauf regelmäßig sanft zu stimulieren. Dadurch können alle Körper- und Organsysteme optimal funktionieren.

Die Akupunkmassage nach Penzel, abgekürzt APM, ist eine in den 1950er Jahren von Willy Penzel begründete Methode, mit der der Energiekreislauf des Menschen harmonisiert und gestärkt wird. Ende der 1980er Jahre übertrug Dieter Mahlstedt, FN-Bereiter und Reitlehrer und in seiner Freizeit auch TCM-Therapeut und APM-Therapeut am Menschen, diese Therapieform auf Pferde. (Bei Hunden hat sich die APM übrigens auch sehr bewährt.)

Sie entlehnt sich der chinesischen Akupunkturlehre und wird, im Gegensatz zu dieser, ohne Nadelung durchgeführt. Stattdessen erfolgt eine sanfte Massage der Energieleitbahnen, der sog. Meridiane, in denen die Energie zirkuliert. Die APM ist eine energetisch-ganzheitliche Massagetechnik: Im Vergleich zu anderen Massagetechniken werden beispielsweise Muskelverspannungen nicht unbedingt am Ort der Verspannung behandelt, sondern es wird die Ursache gesucht, die auf einer Störung im Energiekreislauf beruht. Entsprechend wird die Muskel­verspannung über das Meridiansystem beeinflusst.

Was ist Lebensenergie?

Energie entsteht durch Wechselwirkung von Schwingung, Strahlung und Materie. Nach chinesischer Lehre erhält jedes Lebewesen bei seiner Geburt eine bestimmte Menge dieser Energie. Im Laufe seines Lebens verbraucht sich diese Energie schneller oder langsamer. Alle Körper- und Organfunktionen (Herztätigkeit, Muskel- und Gelenkfunktion, Wirbelsäule, Verdauungstrakt, Psyche) werden von dieser Energie gesteuert und reguliert. Die Lebensenergie durchfließt den Körper in den Meridianen, die inzwischen bildlich darstellbar sind. Der Körper ist umso kräftiger und leistungs­fähiger, je harmonischer und intensiver diese Energie durch den Körper fließt.

Die Lebensenergie setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, dem Yin und dem Yang. Der Yin-Anteil symbolisiert das Weibliche, Irdische, das Passive, das Bewahrende, das Negative, die Nahrung. Der Yang-Anteil ist das Männliche, das Aktive, Zerstreuende, das Positive, Licht und Luft. Beide Anteile sind notwendig und ergänzen sich. Zwischen beiden Komponenten besteht in einem gesunden Organismus ein harmonisch-dynamisches Fließgleichgewicht.

Krankheit bedeutet Störung des Energieflusses

Nach Penzel ist jede Erkrankung bzw. Krankheit aus energetischer Sicht – un­abhängig von ihrer Entstehung – eine Energieflussstörung! Die gesamte Energie zirkuliert in einem speziellen Leitsystem, dem Meridiansystem (Abb. 1). Dieses besteht pro Körperseite aus 12 Haupt­meridianen, nämlich aus 6 Yin-Meridianen und 6 Yang-Meridianen. Abb. 2 zeigt eine Auswahl von fünf Meridianen am Pferd.

Diesen Hauptmeridianen sind zwei Sondermeridiane übergeordnet, das Gouverneurgefäß und das Konzeptions­gefäß. Diese bilden einen eigenen Kreislauf, den sog. Kleinen Kreislauf (KKL). Ein Meridian versorgt das Gebiet, über das er zieht, mit Energie und steht energetisch mit demjenigen Organ in Verbindung, dessen Namen er trägt. Beispiel Blasenmeridian: Ein Ast des Blasenmeridians versorgt den Rücken des Pferdes (Abb. 3), d.h. bei Rückenproblemen sollte auch an Energieflussstörungen im Blasenmeridian gedacht werden. Das Organ Blase steht ebenfalls in energetischer Verbindung mit diesem Meridian.

Schmerz ist der Schrei des Gewebes nach flutender Energie (VOLL)

Schmerzen können aufgrund von Energiefülle- oder Energieleerezuständen im Körper entstehen. Man könnte das Meridiansystem mit einem Bewässerungssystem einer Großgärtnerei vergleichen: Ist der Bewässerungskanal frei, so kann das Wasser ungehindert fließen. Bildet sich jedoch ein Stau aufgrund von Ästen, Sand, Laub usw., so wird das Wasser vor dem Stau deutlich ansteigen, evtl. die Ufer überfluten, während die Region hinter dem Stau austrocknen wird.

Dieses Modell lässt sich auf das Meridiansystem übertragen: Die „Überschwemmung“ entspräche einem energetischen Fülle­zustand, die „Austrocknung“ einem energetischen Leerezustand. Verletzungen des Pferdes mit Schwellung, Wärme und Entzündungen weisen auf einen Füllezustand. Kälteproblematiken und chronische Erkrankungen sind Anzeichen einer Energieleere. Kleine energetische Störungen können Pferde individuell selbst ausgleichen. Bestehen diese Störungen über einen längeren Zeitraum, so können Krankheitssymptome auf­treten.

Narben sind sehr häufig Störfak­toren im Energiekreislauf. Besonders die kleinen, kaum sichtbaren, am Kronsaumrand gelegenen Narben, können die Energie­zirkulation nachhaltig stören. Brandzeichen auf dem Oberschenkel des Pferdes, grundsätzlich auf dem Gallenblasenmeridian liegend, und Nummernbrände auf dem Pferdehals, die sich auf dem Dünndarmmeridian befinden, können den Energiekreislauf des Pferdes negativ beeinflussen.Fließt die Energie gleichmäßig in den freien „Kanälen“ (Meridianen), so ist das Pferd gesund und leistungsfähig. Ist der Energiefluss jedoch – u.U. auch nur punktuell – gestört, so entstehen Fülle- und Leerezustände im Energie­system.

Wie kann man über die APM Energie­flussstörungen beim Pferd beseitigen?

Nach einem energetischen Tastbefund, bei der die Körperoberfläche des Pferdes mit der Hand auf Wärme- und Kälteabstrahlung untersucht wird, kann das Pferd mit einer der folgenden Therapieform (es gibt noch weitere Behandlungsmöglichkeiten, die hier jedoch nicht aufgeführt werden) behandelt werden:

1. Therapie über die 2-Teilung


Mit der Spannungsausgleichsmassage (SAM) als energieverlagernder Behandlung wird eine Umstimmung und Harmonisierung des Energiehaushalts eingeleitet. Die Selbstheilungskräfte des Pferdes werden dadurch angeregt. Alle energieleeren Meridiane, entweder des Yin oder des Yang, werden mit Strichreizen behandelt. In Form eines Ebbe-Flut-Effektes wird den energievollen Meridianen Energie entzogen, die energieleeren Meridiane hingegen mit Energie aufgefüllt. Letztere geben überschüssige Energie wieder ab in den nun energieleeren Bereich. Dieses Hin- und Herschwappen der Energie, gleich einem Aktivieren des „inneren Arztes“, pendelt sich über 2 bis 3 Tage in ein energetisches Gleichgewicht ein. Allein diese Maßnahme kann häufig schon zum Lösen verspannter Muskulatur und auch zum Lösen kleinerer Blockierungen führen.

2. Therapie über die 3-Teilung


Soll das Pferd nachfolgend weiter behandelt werden, kann eine spezifischere Behandlung über die sog. 3-Teilung erfolgen: Der Energiekreislauf des Körpers wird auf jeder Körperseite in 3 Umläufe unterteilt, die aus jeweils 4 Meridianen bestehen. Es wird ein Umlauf, bei Be­darf auch weitere Umläufe, auf der energie­leeren Körperseite gezogen. Bei dieser Therapie bezieht man Akupunkturpunkte durch kreisendes Massieren mit ein.

3. Therapie über die 4-Teilung


Eine Behandlungsform, die sich ausschließlich auf die Pferdebeine bezieht, heißt 4-Teilung: Häufig sind die Pferde­beine energetisch unterversorgt. Dies lässt sich als Kälteabstrahlung erfühlen und die Pferde haben u.U. eine lange Warmlaufphase. Bürstet man die Pferdebeine kräftig in Energiefluss­richtung (Abb. 4) und berücksichtigt besonders die Kronsäume als Übergänge der Meridiane, so kann man den Energiekreislauf optimal unterstützen.
Die Leistungsbereitschaft des Pferdes wird gefördert. Das vor allem in der warmen Jahreszeit übliche Abspritzen der Pferdebeine mit kaltem Wasser nach der Arbeit ist energetisch unsinnig und kontraproduktiv: Den Beinen wird die durch die vorher erfolgte Bewegung gerade aufgebaute Energie wieder entzogen!

4. Harmonisierende Behandlungen


Das bereits erwähnte Gouverneurgefäß und das Konzeptionsgefäß bilden als übergeordnete Sondermeridiane einen eigenständigen Kreislauf, den sog. Kleinen Kreislauf (KKL). Das Gouverneurgefäß ist allen Yang-Meridianen, das Konzeptionsgefäß allen Yin-Meridianen übergeordnet. Hauptindikationen für den KKL sind alle Beschwerden bzw. Zustände der Körpermitte, wie Rosse, Trächtigkeit, Geburt, Magen- und Darmprobleme, Husten. Der KKL zentriert die Energie und verteilt sie gleichmäßig im Körper. Daher ist er auch sinnvoll nach anstrengender Arbeit, Turnieren usw., fördert aber auch ganz allgemein die Entspannung. Allerdings sollte der KKL nie vor der Arbeit angewendet werden, da den Beinen in gewissem Maße Energie entzogen wird!

Eine einfache und sehr effektive Art das Pferd energetisch zu unterstützen, ist die energetische Pferdepflege. Jeder Reiter oder Pferdebesitzer kann dies täglich am Pferd praktizieren, indem er das Pferd in Energieflussrichtung putzt (Abb. 4). Ein derart energetisch gepflegtes Pferd wird es seinem Reiter bzw. Besitzer mit Ausgeglichenheit, Gesundheit und Leistungsbereitschaft danken. Somit ist der prophylaktische Wert der APM hervorzuheben! Sollten nun nach den beschriebenen Behandlungsformen noch Blockierungen der Wirbelsäule bzw. des Kreuzdarmbein-Gelenks oder des Genicks (Atlasstellung) bestehen, so ist eine spezielle Wirbelsäulenbehandlung durch die APM angebracht.

5. Energetische Wirbelsäulen-Behandlung


Diese Therapiemöglichkeit lässt sich sehr gut mit der vorgenannten SAM kombinieren: Die SAM harmonisiert den Energiehaushalt und schafft dadurch eine für die anschließende WS-Behandlung lang anhaltende Wirkungsbasis. Im Rahmen der WS-Behandlung werden verschiedene Tests am Kreuzdarmbein-gelenk des Pferdes durchgeführt. Ent­sprechend der Testergebnisse wird mit jeweiligen Strichreizen auf das Kreuzdarmbein-Gelenk, auf das Lendenkreuzbein-Gelenk oder auf Wirbelkörper energetisch Einfluss genommen. Das direkt daran anschließende Traben des Pferdes am hingegebenen Zügel bzw. Laufenlassen des Pferdes ermöglicht dem Pferd eine Neuanpassung der Wirbelsäulenstrukturen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die APM eine sinnvolle Therapie ist

  • bei Rittigkeitsproblemen
  • zur Schmerzbehandlung allgemein und im Bereich der Wirbelsäule und der Extremitätengelenke
  • bei organischen Erkrankungen
  • bei Wirbelsäulen- und Gelenkblockierungen
  • zur Narbenentstörung und Narbenpflege
  • zur Stärkung des Immunsystems
  • bei hormonellen Störungen
  • bei Verhaltensstörungen
  • zur Gesunderhaltung des Pferdes allgemein
  • zur Fitness-Steigerung
Dr. Frauke Garbers, Pferdetherapeutin, Immenstedt

01.09.2017

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