Humus & Mist Teil 6: "Chemie" im Mist III

- aus dem Futter

Wenigstens das Futter für unsere Pferde wird ja wohl unbedenklich und gutes Material für den Misthaufen oder den Kompost sein! Sicher?

Schauen wir einmal genauer hin.

Was Jakobs-Kreuzkraut (JKK) ist, brauche ich wohl keinem Pferdehalter mehr zu sagen. Na ja, werden Sie jetzt einwenden, das verfüttern wir ja auch nicht, also wandert es nicht in den Mist. Korrekt. Und damit wir es nicht verfüttern … ahnen Sie es schon?

Das Herbizid, dass am besten gegen diese Giftpflanze hilft (siehe „Umgang mit dem Jakobs-Kreuzkraut: Meiden – Dulden – Bekämpfen“, eine umfangreiche Info-Broschüre aus dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein LLUR) und Gräser dabei verschont, nennt sich Simplex. Der Schrei nach JKK-freien Wiesen und Weiden beschert daher einen vermehrten Einsatz von Simplex.

Kaum ein Pferdehalter weiß, wie Simplex im Futter, im Mist und in der Umwelt wirkt. Schauen wir uns das also einmal an:

Bereits im Oktober 2008 veröffentlichten Klaus Gehring und Stefan Thyssen auf der Homepage der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Pflanzenschutz,folgende, inzwischen aktualisierte Informationen. Simplex enthält den Wirkstoff Aminopyralid. Dieser Wirkstoff hat eine außergewöhnliche Eigenschaft und erfordert dadurch konsequente Sicherheitsregeln. Eine Missachtung dieser Sicherheitsvorgaben könnte laut den Autoren zu extremen Schäden an besonders empfindlichen Kulturen führen – und, was sie nicht erwähnen, zu erheblichen Schäden an der Artenvielfalt in der Umwelt. Was für eine Eigenschaft ist das?

„Der Wirkstoff Aminopyralid ist für monokotyle Pflanzen bzw. Gräser sehr verträglich. Das heißt, bei der Unkrautbehandlung von Wiesen und Weiden werden Kulturgräser, wie z.B. Weidelgras, nicht beeinträchtigt. Der von Gräsern aufgenommene Wirkstoff kann, neben dem rasch einsetzenden Abbauprozess, jedoch auch teilweise Verbindungen mit Cellulose und Lignin auf molekularer Ebene eingehen. Diese Wirkstoffverbindungen sind biologisch inaktiv, aber auch dauerhaft stabil. In aus dem Mähgut erzeugten Grassilagen erfolgt kein Abbau unter anaeroben Bedingungen. Auch bei der Verfütterung findet kein relevanter Abbau oder eine Rückhaltung statt. Die Wirkstoffverbindungen durchlaufen den Verdauungstrakt ungehindert und sind nachfolgend im Wirtschaftsdünger (Gülle, Jauche, Mist) ebenfalls weitgehend stabil.
Erst nach der Ausbringung des Wirtschaftsdüngers werden diese Cellulose-Wirkstoff-Verbindungen wieder mikrobiell aufgebrochen. Das frei werdende Wirkstoffmolekül ist dann wieder biologisch aktiv. Empfindliche Pflanzen können, vor dem weiteren mikrobiellen Wirkstoffabbau im Boden, Aminopyralid über die Wurzeln aufnehmen und geschädigt werden. Es gibt einige gegenüber Aminopyralid hoch empfindliche Kulturpflanzen. Hierzu gehören Kartoffeln, Rüben, Sonnenblumen, Raps, Leguminosen und Gemüsekulturen wie etwa Tomaten, Möhren oder Salat. Diese Pflanzen reagieren auf geringste Wirkstoffmengen im Bereich der chemischen Nachweisgrenze empfindlich auf Aminopyralid.

Erst nach der Ausbringung des Wirtschaftsdüngers werden diese Cellulose-Wirkstoff-Verbindungen wieder mikrobiell aufgebrochen. Das frei werdende Wirkstoffmolekül ist dann wieder biologisch aktiv. Empfindliche Pflanzen können, vor dem weiteren mikrobiellen Wirkstoffabbau im Boden, Aminopyralid über die Wurzeln aufnehmen und geschädigt werden. Es gibt einige gegenüber Aminopyralid hoch empfindliche Kulturpflanzen. Hierzu gehören Kartoffeln, Rüben, Sonnenblumen, Raps, Leguminosen und Gemüsekulturen wie etwa Tomaten, Möhren oder Salat. Diese Pflanzen reagieren auf geringste Wirkstoffmengen im Bereich der chemischen Nachweisgrenze empfindlich auf Aminopyralid.“ (Zitat aus http://www.lfl.bayern.de/ips/unkraut/032427/ , abgerufen am 13.12.2015)

Daraus ergeben sich Sicherheitsregeln für den Umgang mit Mist und Biogasgärresten (!), wenn Futter von Flächen im Stall verwendet wurde, das von mit Simplex behandelten Flächen stammte. Die Autoren schreiben:

„Auf keinen Fall darf Pferdemist im Garten- und Gemüsebau eingesetzt werden, wenn auf den Weiden bzw. Koppeln eine Unkrautbehandlung mit Simplex® stattgefunden hatte.“ (Zitat aus http://www.lfl.bayern.de/ips/unkraut/032427/ , abgerufen am 13.12.2015)

Für Gräser (Gräser der Weiden und Wiesen, Brotgetreide und Mais) besteht keine Gefahr, wohl aber für alle wilden Kräuter. Eine Kräutermischung auf der Pferdeweide ansäen? Nette Idee, aber hier Fehlanzeige, da wird nichts keimen. Neuansaat von artenreichem Grasland auf ehemaligem Ackerland nach Simplexeinsatz? Ja, aber ganz ohne Kräuter, denn die werden nicht keimen.

Verzichten wir also auf Chemie?!

Nun gut, dann verzichten wir doch auf Chemie und züchten einfach kräftige Pflanzen. Genau das tun wir äußerst erfolgreich seit Jahrzehnten. Wir ahnen es schon – auch hier gibt es einen Haken. In der Serie zu Gräsergiften berichtete ich für artgerecht über giftige Resistenzen in Futtergräsern, dank spezieller Pilzsymbionten der Gräser (siehe die Artikel Häufige Giftpflanzen auf Pferdeweiden Teil 1 & Teil 2, Wehrhafte Gräser, Eine nüchterne Rechnung, Hirsutismus, Giftige Gräser - Wissenschaftsgeschichte, Vergiftungen von Pferden durch Gräsergifte).

In einem (kostenpflichtigen) Fachartikel einer dänischen Forschergruppe lesen wir, wie die Graszucht sich – unter Berücksichtigung zunehmender Verbote für „Chemie“ in der Landwirtschaft – die Zukunft vorstellt:

„Es ist inzwischen bekannt, dass N. coenophialum- Endophyten in Rohrschwingel und Neotyphodium lolii in Deutschem Weidelgras aufgrund ihrer Ergotalkaloid-Produktion für eine Reihe von Vergiftungs-Symptomen bei Rindern, Schafen und Pferden verantwortlich sind (Strickland et al., 2011). Die Produktion von Ergotalkaloiden durch Endophyten könnte interessanterweise eine Strategie der Pflanze zum Schutz gegen Tierfraß sein, doch da sie zu verheerenden Verlusten in Viehbeständen führt, wurde in den vergangenen Jahren verstärkt nach Endophyten gesucht, die wenig oder gar keine Ergotalkaloide produzieren (Gunter u. Beck, 2004). Intensive Forschung in diesem Bereich hat zur Entwicklung einer Reihe von Endophyten für Weideland-Gräser geführt, die für Tiere ungefährlich sind (Lambert et al., 2004). Weiterhin wird die Bedeutung von Endophyten für den biologischen Pflanzenschutz verdeutlicht durch den Umstand, dass viel Weideland in Neuseeland auf endophytenhaltigen (E+) Gräsern basiert. Dieses Potenzial wurde bis jetzt bei Getreiden nicht verwirklicht. (…)

Die Bedeutung von Getreide für die wachsende Weltbevölkerung, die Probleme durch Pilzerkrankungen, verbunden mit dem steigenden Bedarf an sicherem biologischem Pflanzenschutz und der strikten EU-Regulierung der chemischen Schädlingsbekämpfung, bewirken einen noch nie dagewesenen Bedarf an neuen und effektiven Strategien der Schädlingskontrolle. Wir empfehlen, der Analyse des Potenzials von Pilzendophyten als biologischen Schädlingsbekämpfern im Getreideanbau mehr Aufmerksamkeit zu schenken, und das ist auch der momentane und zukünftige Schwerpunkt unserer Arbeit. Die Kommerzialisierung dieser Endophyten belegt, welche potenziellen Vorteile ihre Nutzung bietet, und unseres Wissens sind momentan bei Getreiden keine ähnlichen endophytenhaltigen Kultursorten in Gebrauch.“

(Zitat aus: O’Hanlon, K.A., Knorr, K., Nistrup Jørgensen, L., Nicolaisen, M., B. Boelt (2012): Review: Exploring the potential of symbiotic fungal endophytes in cereal disease suppression, Biological Control 63, 69–78. Übers. der Autorin)

Eine weitere Antwort auf genau diese Problematik (Ablehnung von gefährlichen synthetischen Giften, Akzeptanz resistenter Pflanzen) stellt das weltweit auf verschiedenen Kontinenten verwirklichte Projekt „Mycored – Mycotoxine reduzieren” ( http://www.mycored.eu/ ) dar.

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung!

Um das zu verdeutlichen und weil es so schön passt, frei nach Zaubertranklehrer Severus Snape in Harry Potter und der Stein der Weisen von J.K. Rowling:

„Ihr seid hier, um die schwierige Wissenschaft und exakte Kunst der Pflanzenzucht zu lernen. Da es bei mir nur wenig gentechnische Manipulation gibt, werden viele von euch kaum glauben, dass es sich um moderne Pflanzenzucht handelt. Ich erwarte nicht, dass ihr wirklich die Schönheit der leise wachsenden Gräser mit ihren variierenden Grünschattierungen zu sehen lernt, die zarte Macht der Endophytengifte, die durch die Venen kriechen, den Kopf verhexen und die Sinne betören … Ich kann euch lehren, wie man Ruhm in Saatgut implantiert, Ansehen in Getreidekörner bringt, sogar den Tod im Brot für die Welt verpackt – sofern ihr kein großer Haufen von Dummköpfen seid, wie ich sie sonst immer vor mir habe.“

Fazit

Ganz ohne Gifte geht es nicht, weder im noch am lebenden Organismus. Gifte helfen in der Natur, das Gleichgewicht in der Auseinandersetzung mit Parasitismus und Konkurrenz zu stabilisieren. Aus der traditionellen Verwendung von Teeren als Konservierungsmittel (Insektizide, Biozide) können wir lernen, dass der gezielte und räumlich sehr begrenzte Einsatz von natürlichen Giften der Umwelt kaum schadet. Problematisch ist immer die Inflation der Anwendung, also die großflächige Ausbringung, ständig.

Es gibt keine Vollkaskoversicherung für unverantwortlichen Umgang mit Giften. Je länger die HWZ und somit die Persistenz, desto überlegter und gezielter muss der Einsatz sein. Pflanzliche Wirkstoffe zeigen eine gute Wirksamkeit im Moment, werden aber fast immer schnell abgebaut und zeigen dann keine Langzeitwirkung. Kein wirksamer Stoff ohne Nebenwirkungen! Zu den Nebenwirkungen sind auch die Resistenzen bei hoher Langzeitwirkung zu rechnen. Entweder der Stoff ist wirksam mit Nebenwirkung – oder eben nicht. Das gilt nicht nur für das großflächige Versprühen in der Landschaft in riesigen Monokulturen, sondern genauso für den unverantwortlichen Ganzkörpereinsatz hochwirksamer Gifte als „Pflegeprodukte“ am Tier, den viele Tierhalter wünschen und praktizieren. Ganz abgesehen vom Großeinsatz von Antibiotika in der Tierhaltung oder unspezifischer Wurmkurgaben aufgrund mangelnder Hygienemaßnahmen ...

Dr. Renate Vanselow, Biologin

Dieser Artikel ist Bestandteil unserer Serie über Humus & Mist. Lesen Sie hierzu auch

05.09.2017

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