Weideprobleme: Stumpfblättriger Ampfer

Teil 3 der Serie "Weideprobleme"

Abb. 1: Feuchtwiese auf Niedermoortorf mit Stumpfblättrigem Ampfer. Stark humoser, fruchtbarer Boden, der nur nach anhaltender Trockenheit tragfähig genug für große Weidetiere und kleine Maschinen ist. Überweidung und Zertreten schaffen sofort Platz für Lichtkeimer wie Ampfer und Hahnenfuß. Schlecht gewartete Entwässerungssysteme erhöhen die Gefahr der Zerstörung des Standorts durch Weidetiere. Früher wurden Feuchtwiesen wie diese als wertvollste Heuwiesen in viel Handarbeit genutzt. Bei maximal zwei Mahden wurde zusätzlich im Frühjahr durch intensivste Kurzzeit-Beweidung vom Wanderschäfer der Hahnenfuß bekämpft. In trockenen Spätsommern konnten die Heuwiesen vor dem Winter durch eine Nachweide genutzt und gepflegt werden. Foto: R. Vanselow.

Ungern gesehener Platzräuber

Kaum ein Pferdehalter, der ihn nicht kennt: Den Ampfer mit den kräftigen, breiten Blättern und den rötlich braunen Blütenstielen im Herbst. Er trägt regionale Namen wie Halbpferd oder Rotstock. Lateinisch handelt es sich um Rumex obtusifolius. Allgemein wird die Pflanze in Deutschland Stumpfblättriger Ampfer genannt, in England als Broadleaved Dock bezeichnet.

Abb. 2: Stumpfblättriger Ampfer im Rosettenstadium vor der Blüte. Foto: R. Vanselow.  

Stumpfblättriger Ampfer ist kein Sauerampfer. Zwar kennt man einige Nutzungsmöglichkeiten als Nahrungspflanze. Nicht umsonst verweigern jedoch die meisten Weidetiere diese Kost. Stumpfblättriger Ampfer ist nicht identisch mit dem Gemüse-Ampfer (Rumex longifolius) oder dem Echten Mönchsrhabarber (Englischer Spinat, Garten-Ampfer, Rumex patientia). Zwar ist der Stumpfblättrige Ampfer nicht so giftig wie sein naher Verwandter, der Krause Ampfer, mit dem er sich gerne kreuzt. Doch er enthält durchaus mehr Wirkstoffe als nur die Oxalsäure, die die Sauerampfer und den ebenfalls zur Familie gehörenden Rhabarber (Rheum rhabarbarum) sauer macht.

Keine Fraßfeinde? Warum?

Wenn der Stumpfblättrige Ampfer so gut als Salatpflanze geeignet ist, wie im Internet angegeben, warum steht er dann massenhaft auf Pferdeweiden? Wissen unsere Pferde nicht, wie gut diese Futterpflanze ist? Tatsächlich spricht einiges dafür, dass Ampfer ein bestens an Fraß angepasstes Gewächs ist: Diese Pflanze hat ein enormes Ausbreitungs- und Durchhaltevermögen. Intensiver Schnitt wird mit raschem Wiederaustrieb beantwortet. Alles Eigenschaften, die für eine sehr lange Anpassung an intensivste Beweidung sprechen.

Doch so einfach ist das nicht. Dieser Ampfer weiß sich durchaus zu verteidigen, auch mit Wirkstoffen. Sowohl der Krause als auch der Stumpfblättrige Ampfer enthalten neben Oxalsäure noch Wirkstoffe wie Gerbstoffe, Anthrachinone (u. a. Chrysophansäure, Emodin, Physcion, Oxymethylantrachinon), Aloe-Emodin, Rheochrysin oder Lapathinsäure. Ein umfangreicher Cocktail, mit dem die Pflanze sich gegen ungebetene Gäste schützt.

Ein deutscher Kamelzüchter berichtete mir vor Jahren, dass die ersten Altwelt-Kamele, die er importierte, kein Gras fressen wollten, sondern all die Wiesenunkräuter: Ampfer, Disteln, Brennnesseln … Daraufhin habe er gezielt diese Pflanzen auf seine Weideflächen geholt, damit seine Tiere geeignete Futterpflanzen vorfänden. Diese Information ist sehr interessant, und zwar in Zusammenhang mit der Mega-Herbivoren-Theorie (siehe Teil 1 der Serie über Polnische Koniks): Als in Europa die großen Pflanzenfresser zeitgleich mit dem Auftauchen des Menschen ausstarben, gingen da die wilden Futterverwerter verloren, die alles das fraßen, was heute von den Haustieren übrig gelassen wird? Zahme Haustiere besetzen heute die frei gewordenen Nischen. Der Mensch hat sich das wilde Ökosystem komplett nutzbar gemacht, in dem er die für ihn zu wilden Mitspieler gegen kultivierte Zuchtformen ersetzt hat. War vielleicht der ausgestorbene Riesenhirsch, der kein Wald-, sondern ein Savannenbewohner war, auf diese Pflanzen spezialisiert? Gab es für dieses gefährliche Jagdwild keinen zahmen Ersatz und die Nische blieb unbesetzt? In heutigen Weidesystemen fehlt jedenfalls ein solcher großer Pflanzenfresser.


Kleine Verehrer: Futterpflanze Ampfer als Lebensraum

Die Massenverwerter dieser Pflanze mögen ausgestorben sein und uns somit ein Weideproblem hinterlassen haben. Übrig geblieben sind immerhin die kleinen Verehrer dieser Pflanze, allen voran die Insekten.

Unter den Insekten sind natürlich die Schmetterlinge besonders auffällig. Stumpfblättriger Ampfer dient dem Großen und dem Kleinen Feuerfalter, dem Zimtbär (der übrigens auch das Jakobs-Kreuzkraut frißt), der Ampfer-Rindeneule, der Graubraunen Seidenglanzeule, der Uferstauden-Markeule, der Auenschuttflur-Blättereule, der Buchdruckereule, der Achateuleund dem Raukenspanner als Futterpflanze.

Abb. 3: Schauen Sie genau hin: Hier bahnt sich das große Krabbeln an! Ampfer-Blattkäfer im zeitigen Frühjahr bringen nach der Überwinterung in unmittelbarer Nähe zu ihrer Futterpflanze die neue Generation auf den Weg. Foto: R. Vanselow.  


Mein persönlicher Favorit ist jedoch der Ampfer-Blattkäfer.

Abb. 4: Ampfer-Blattkäfer. Foto: R. Vanselow.  


Schon im zeitigen Frühjahr findet man Löcher in den Ampferblättern.

Abb. 5: Löcher in den Blättern verraten die Anwesenheit der Käfer. Foto: R. Vanselow.  

Ausgewachsene Käfer haben den Winter in unmittelbarer Nähe ihrer Wirtspflanze überdauert und laben sich nun am ersten Grün. Erste Käfer paaren sich.

Abb. 6: Ampfer-Blattkäfer sorgen für Nachwuchs. Foto: R. Vanselow.  


Bald findet man neben den wenigen Käfern aus dem Vorjahr zahlreiche Eier in Lagern auf den Blattunterseiten.

Abb. 7: Eierlager des Ampfer-Blattkäfers auf den Blattunterseiten des Ampfers. Foto: R. Vanselow.  


Nun kommt die Käferpopulation in Fahrt. Überall findet man massenweise Käfer, die sich paaren.

Abb. 8: Viele kleine Männchen, versammelt um ein bereits befruchtetes Weibchen. Diese Ampfer-Blattkäfer bereiten bei optimalem Futterangebot eine Massenvermehrung vor. Foto: R. Vanselow.  


Es dauert nicht lange, und schwarze Käferlarven krabbeln in Massen über die Ampferblätter.

Abb. 9: Die schwarzen Käferlarven des ersten von drei Eierlagern sind geschlüpft. Das große Krabbeln und Mampfen beginnt. Foto: R. Vanselow.  


Die Käferlarven fressen das zarte Blattgewebe von der Unterseite her auf.

Abb. 10: Larven des Ampfer-Blattkäfers und ihr Frassbild. Foto: R. Vanselow.  

In Jahren mit Massenbefall lassen die Käfer und ihre Larven nur braune Blattskelette, bestehend aus den toten, verholzten Wasserleitungsbahnen, zurück. Alles zarte, grüne Gewebe wird gefressen. Damit berauben sie die Pflanze ihrer Photosyntheseorgane, ohne frühzeitig die Verdunstung zu stoppen und ohne einem neuen Blattaustrieb eine Chance zu geben.


Abb. 11: Hier beginnt ein Massenbefall des Ampfers mit Blattkäfern. Wird der Ampfer geschnitten, dann verhungern diese zarten Larven und der Ampfer kann befreit von seinen Frassfeinden neu austreiben. Foto: R. Vanselow.  

Dieser schwere Schaden kann die Ampferpflanzen ganz erheblich schwächen: Mitunter stehen die Ampferpflanzen bereits im Juni als Gerippe da und schaffen keinen Neuaustrieb vor Oktober.  Die Vegetationsperiode ist dann bereits gelaufen, die Speicherwurzeln konnten nicht aufgefüllt werden.


Abb. 12: Larve des Ampfer-Blattkäfers und ausgewachsene Ampfer-Blattkäfer. Foto: R. Vanselow.  

Auffällig sind auch die Minierer in den Blättern.


Abb. 13: Typisches Frassbild von Minierern. Foto: R. Vanselow.  

Dabei stammen die als Minen bezeichneten Fraßschäden von Larven ganz unterschiedlicher Tiere: Auf Stumpfblättrigem Ampfer kann man die Zweifarbige Blumenfliege, den Gemeinen Ampfer-Rüsselkäfer und eine Gallmücke (Wachtliella persicariae) häufig finden.

In den feuchten Abendstunden mit Beginn der Dunkelheit suchen auch Nacktschnecken den schmackhaften Ampfer auf.

Abb. 14: Nachtschnecken machen sich bei Anbruch der Dunkelheit über Ampferblätter her. Foto: R. Vanselow.  

Auch Schlauch- und Rostpilze sind auf dem Ampfer zu Hause.


Strukturelement in ausgeräumten Landschaften

Nicht nur als Futterpflanze ist der Ampfer Lebensraum. Auch als Strukturelement hat er Bedeutung, und das umso mehr, je ausgeräumter und strukturärmer die Landschaft wird. Oft sind Unkrautfluren und Geilstellen auf Pferdeweiden die einzigen verbliebenen artenreichen Strukturen, die den Wildtieren Nahrung und Sichtschutz vor Feinden bieten. Aus der intensivierten Landwirtschaft drängen alle in die „verwahrlosten“ Pferdehaltungen. Egal ob bodenbrütende Vögel, Mäuse, Hasen, Rehe, Füchse, Marder oder Wildschweine – in Pferdehaltungen und Gärten suchen immer mehr Wildtiere mitsamt ihren Jungtieren Asyl, weil sie in der modernen Landwirtschaft wohnungslos und vertrieben wurden.

Europa war in weiten Teilen nicht etwa Steppe. Auch die Vorfahren unserer Pferde und Rinder stammen überwiegend nicht aus der Steppe – sondern aus der Fraßsavanne (siehe Teil 6 der Serie über Polnische Koniks: „Ist das Pferd ein Grasfresser?“).

Abb. 15: Die naturnahe „Halboffene Weidelandschaft“, hier Naturschutzgebiet Schäferhaus, ist eine Fraßsavanne. Sie entspricht weitgehend dem extrem artenreichen Mosaik unterschiedlichster Landschaftselemente, die ursprünglich unsere europäische Landschaft vor der Besiedlung durch den modernen Menschen bildeten. Foto: R. Vanselow.

Den meisten Pferden tun wir einen enormen psychischen Stress an, indem wir sie ohne Raumteiler und Sichtschutz Aggressionen durch Artgenossen aussetzen. Wenigstens die Unkrautflur bietet noch etwas schützende Struktur, wenn schon alle Stauden, Büsche und Bäume dem Intensivierungswahn weichen mussten – von artgerechter oder gar naturnaher Nahrungssuche für ein gesundes Wohlbefinden ganz zu schweigen.

Überlebenskünstler dank Samenbank und Speicherwurzel

Bevor man daran denken kann, ein Gewächs erfolgreich zu verdrängen, muss man seine Überlebensstrategie erkannt haben.
Stumpfblättriger Ampfer ist ein Erstbesiedler (Pionierpflanze, Ruderalpflanze) auf bloßen Böden. Als konkurrenzschwacher Lichtkeimer mag er feuchte, nährstoffreiche Böden. Erst die etablierte Pflanze kann die Konkurrenz beschatten und verdrängen. Dieser langlebige Ampfer ist ein Stickstoffzeiger, der daneben von löslichem und festgelegtem Phosphor im Boden profitiert. Gerne mag er es humos, aber auch Lehm und Ton sagen ihm zu.

Seine Pfahlwurzel kann 2 Meter tief reichen. Er durchwurzelt den Boden sehr intensiv. Staunasse oder verdichtete Böden schrecken ihn nicht ab, denn er bildet in seiner Wurzel ein Belüftungsgewebe (Aerenchym) aus. Damit kommt dieser Ampfer aber auch als ökologischer Helfer in Betracht, um verdichtete empfindliche Böden langfristig zu lockern und zu belüften.

Die zahlreichen Samen warten jahrzehntelang im Boden schlummernd auf ihre Chance. Nach 50 Jahren ist noch etwa die Hälfte der Samen keimfähig, einige wenige Samen können sogar noch nach 80 Jahren eine günstige Situation nutzen. Entsprechend dicht ist die Samenbank alter Grasländer bestückt. Über Futter und Dünger (Heuhaufen, Dung, Mist, Gülle) gelangen die Samen auf neue Flächen (sogenannte Gülleflora).

Gegenmaßnahmen

Kleine Bestände und Einzelpflanzen lassen sich mit dem Ampferstecher bekämpfen.

Abb. 16: Schwere Maschinen und rücksichtslose Überweidung, nicht nur bei Nässe, vernichten die Futterpflanzen und schaffen ideale Bedingungen für die Keimung und das Wachstum von Ampfer und anderen „Weideunkräutern“. Für Böden voller Ampfersamen gilt die Regel, dass die Weide geschont werden muss, wenn das Gras nur noch eine Handbreit hoch steht. Jede Zerstörung von Vegetation und Boden durch schwere Geräte wie Traktoren und Bagger sollte unterbleiben. Foto: R. Vanselow.  

Ampfer darf nicht zur Blüte und zum Absamen gelangen. Unreif geschnittene Samen reifen nach und sind keimfähig. Kompostierendes Mähgut ist eine Nährstoffquelle und beschattet Futterpflanzen. Es sollte möglichst abgefahren werden, weil jede Düngung (Stickstoff, Phosphor, organischer Dünger, Grabenaushub u. a. m.) Ampfer fördert und Schatten seine Konkurrenz, die Gräser, schwächt.

Wer sich für häufige Mahd der Rosetten entscheidet, sollte das bis zu fünfmal jährlich tun. Die Speicherwurzel kann so über wenige Jahre ausgehungert und der Ampfer verdrängt werden. Wer aber nicht am Ball bleibt, darf von vorne beginnen.

Gleichzeitig vernichtet die Mahd die kleinen Fraßfeinde des Ampfers. Dieser dankt es mit einem kräftigen und von Parasiten befreiten Neuaustrieb. Wer Käfer zum Großen Krabbeln züchten will, sollte tunlichst ihre Salatblätter stehen lassen und nur die Blüten abschneiden. Die Käfer sind sehr standorttreu. Wenigstens hier und da muss also eine Futterpflanze ohne Blüten stehen bleiben.

Ampfer beginnt kurz nach dem Austrieb der Rosettenblätter seine Speicher in der Wurzel aufzufüllen. Wer mit dem Mähen wartet, bis die Pflanze in schönster Blüte steht, wird die Wurzel mit der Mahd nicht schwächen, höchstens den Samenwurf verhindern.

Massenaufwüchse von Ampfer in Naturschutzgebieten können auch dort einen begrenzten Einsatz geeigneter Herbizide rechtfertigen. Ampfer bildet dominante Bestände, in denen kaum eine andere Pflanze wachsen kann. Großflächige Monokulturen sind nicht im Interesse des Naturschutzes. Ampfer erfordert in der Regel zwei Herbizideinsätze. Im ersten Jahr werden die Mutterpflanzen beseitigt. Im zweiten Jahr die in den Lücken aufgelaufenen Keimlinge und Jungpflanzen, die unter dem Blattwerk der Mutterpflanzen geschützt waren. Die Einzelpflanzenbehandlung ist, wo immer möglich, der flächigen Ausbringung vorzuziehen. Der Einsatz von Herbiziden ist nur dann zu rechtfertigen, wenn gleichzeitig die Ursache des massenhaften Ampferaufkommens beseitigt wird, zumeist eine nicht dem Standort angepasste Beweidung.

Fazit

Massenaufwüchse von Stumpfblättrigem Ampfer sind ein hausgemachtes Problem. Die Ursache muss abgestellt werden.

Abb. 17: Ein wenig Käfersalat gehört in die Graslandschaft. Die Natur wird es mit Artenvielfalt danken und auch uns Menschen als Teil des Ganzen leben lassen. Foto: R. Vanselow.  

Dr. Renate Vanselow, Diplom-Biologin

Lesen Sie auch Teil 1: Klee und Teil 2: Hahnenfuß

25.06.2017

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