Von der Waldweide zum Agroforst

Die Sache ist doch eigentlich ganz klar: Es gibt Wälder, es gibt Ackerflächen, es gibt  Weiden für Nutztiere. Dazwischen gibt es Wege, Wirtschaftswege, Straßen oder auch Zäune, die diese Gebiete klar voneinander abgrenzen. So sieht unsere Kulturlandschaft aus und so war es schon immer. Aber war das wirklich so?

Kuh im WaldSeit der Mensch sesshaft wurde nutzte er den Wald, um seine Tiere darin zu halten. Man nannte das „Hutewald“. Der Wald bot Nahrung und Witterungsschutz für  Schweine, Ziegen, Schafe, Kühe und Pferde. Dem Geflügel bot er sogar Schutz vor Fressfeinden aus der Luft. Das Nahrungsangebot für die Tiere ist im Wald  umfangreicher, als mancher sich das vorstellen kann: Schösslinge, Blätter, Zweige, Rinden, Knospen, Blüten und Früchte, all das finden die Tiere im Wald. Alles reich an sekundären Pflanzenstoffen und eine wunderbare Ergänzung zur offenen Weide. Dazu haben Wälder einen besseren Wasserhaushalt, in ihnen ist es kühler und feuchter. Kurzum, die Tiere fühlen sich im Schatten der Wälder meist sehr wohl und finden alles, was sie brauchen. 

Was der Wald davon hatte? Er wurde gedüngt. Der Mist, den die Tiere im Wald hinterließen, blieb natürlich dort und hat den Humusaufbau unterstützt. Aber die Nutzung durch den Menschen, sei es als Hutewald oder um zwischen den Bäumen Getreide anzubauen, hat die Wälder verändert. Ursprünglich waren sie dicht und schier undurchdringlich. Echte Urwälder. Der Verbiss der Jungbäume und des Unterholzes hat aus ihnen erst lichtere Wälder gemacht, in denen die ansässigen Bäume größer und umfangreicher wurden. Schließlich entstanden parkähnliche Landschaften mit großen Solitärbäumen.

Schwein im WaldNatürlich hatten die Hutewälder auch Nachteile. Da das Wild von den Tieren des Menschen verdrängt wurde, nahmen Beutegreifer das, was sie stattdessen fanden: das Vieh. Natürlich kam es dadurch zu Konflikten mit Fuchs, Luchs, Wolf und Co. und am Ende mussten auch die meisten, zumindest die größeren Raubtiere,  langfristig dem Menschen und seinem Besitzanspruch weichen.

Warum ist diese Weideform so vollständig in Vergessenheit geraten? Mit dem Anbau von Futterpflanzen wie dem Klee hat im 18. Jahrhundert die Stallhaltung die Weidehaltung abgelöst. Aus den Waldflächen wurden Wirtschaftsforste. Außerdem war es den Feudalherren ein Dorn im Auge, dass die Hutewälder nahezu frei von jagdbarem Wild waren. Sie hielten schließlich die Jagdrechte für ihr Land und wollten diese auch wahrnehmen.

Gegenwärtig wird sich zurückerinnert an die Kombination von Wald, Feld und Weide. Europaweit wird geforscht und gefördert, man nennt es jetzt Agroforste. Die Vorteile sind vielfältig und reichen vom Erosionsschutz für Böden,  Überschwemmungsprävention, natürlicher Düngung (Laub), Beschattung und Kühlung bis hin zur Holzvermarktung als Zusatzgeschäft für Landwirte. Der Nachteil ist in erster Linie der gesteigerte Rangieraufwand beim Bearbeiten wie bei Aussaat, Ernte und Mahd. Auch vom Holz wird der Landwirt erst in der Zukunft profitieren können, die Investitionen sind also langfristig gebunden.

Wenn man das Konzept „Waldweide“ aber auch wieder im Kleineren denkt, dann ist es ideal für Pferdebesitzer und (Hobby-)Geflügelhalter und -Züchter. Hühner zum Beispiel sind schließlich ursprünglich Waldbewohner. Wenn Sie Hühner in Ihrem Garten halten und nicht direkt am Waldrand wohnen, dann können Sie ihnen auch ohne „echten“ Wald einen natürlichen Lebensraum bieten. Einen kleinen Hühnerwald.

Hühner im Wald

Beziehen Sie in den Bereich für die Hühner auch Teile des Gartens ein, in denen es Bäume gibt oder zumindest Sträucher oder sogar ein kleines Dickicht. Je natürlicher gewachsen, desto besser.

Wenn Sie den Vögeln einen Hühnerwald einrichten wollen, dann wählen Sie Pflanzen, die Mulch lieben, so wie die Himbeeren, denn Laub wird nicht entfernt. Integrieren Sie Solitärbäume als Schattenspender, in deren Laub die Hühner nach Futter suchen können.

Planen Sie den Hühnerbereich als Permakultur, die sich selbst mulcht und die gut das Wasser im Bodenhalten kann. Bedenken Sie immer, wie viele Hühner Sie halten wollen und berechnen Sie die benötigte Grundfläche großzügig. Denn für einen Hühnerwald muss zusätzliche Fläche für die Pflanzen berücksichtigt werden. Und auch, wenn die Vögel durch den Bewuchs vor Angriffen aus der Luft relativ geschützt sind, die Sicherheit der Tiere muss gewährleistet sein, sonst holen sich Fuchs, Marder & Co. ihren Anteil.

Im Hühnerwald erschließen sich die Vögel eigene Nahrungsquellen. Ein immens wichtiger Aspekt in der Hühnerhaltung ist das Scharren. In der Natur sind Hühnervögel nahezu den ganzen Tag mit der Futtersuche beschäftigt und dazu scharren sie im Boden und in allem, was den Boden bedeckt. Diese Art der Beschäftigung ist ein Grundbedürfnis dieser Vögel, dem der Hühnerwald Rechnung trägt. Dabei ist es das Suchen und Erkunden, das sie glücklich macht. Das Finden und Aufpicken von zum Beispiel jungen Trieben, gehaltvollen Würmchen und Insekten sowie auch Wurzeln und Samen ist dabei fast zweitrangig.

Geflügelhalter, die es ausprobiert haben, wissen, wie sich diese Art der Haltung auf die Vögel auswirkt. Sie sind ausgeglichener, weil sie viel mehr Beschäftigung haben und sich in ihrem natürlichen Habitat wohlfühlen. Ein Hühnerwald ist ein lebendiger Garten, in dem sich die Natur entfalten darf. Hier wachsen auch Pflanzen, die Sie sonst im Garten eher als Unkräuter bekämpfen würden. Im Hühnerwald sind sie Beikräuter und auch ein durchaus willkommenes Futter für die Vögel. Das alles macht sie widerstandsfähiger, es stärkt ihr Immunsystem. Sie haben somit gesündere Tiere und sogar auch geringere Futterkosten.

Pferd zwischen BäumenUnd die Pferde? Die sind doch keine Waldbewohner, welchen Nutzen ziehen sie aus einer Waldweide?

Einen ähnlichen wie die Vögel. Wenn Pferde die Möglichkeit haben, fressen sie mit Begeisterung Laub und Zweige von allen Bäumen, die sie erreichen können. An Bäumen direkt neben Pferdekoppeln, deren Kronen bis in die Koppeln hineinragen, kann man es sehen: Die Bäume sehen koppelseitig aus, als hätte man die Zweige mit einer Heckenschere alle von unten auf einer Höhe beschnitten.

Haben die Pferde einen begehbaren Baumbestand auf der Koppel, nutzen sie ihn ganzjährig. Er spendet Schatten und Schutz vor Wind. Er bietet Blätter, Zweige, junge Triebe und Früchte an Bäumen und Büschen zum Knabbern, das Kaubedürfnis der Pferde wird von vielen Pferdehaltern unterschätzt.

Auch das Herbstlaub wird mit Gusto von den Pferden gefressen. Fällt ein Baum in ihrem Bereich, z. B. durch einen Sturm, sind sie sofort zur Stelle und fressen über die Zeit die Krone kahl und schälen die Rinde ab. Bleibt der Stamm lange genug liegen, fressen einige Pferde sogar das Kernholz, nachdem es von Pilzen und Mikroorganismen aufgebrochen und damit porös gemacht wurde.

Haben Pferde keinen oder nur wenig Zugang zu Bäumen, macht es Sinn, gezielt Rinden und Laub im Futter anzubieten, wie zum Beispiel mit der „Waldweide“ von PerNaturam.

Wenn Sie auf die Bepflanzung der Pferdekoppeln Einfluss nehmen können, dann setzen Sie Bäume entlang der Koppelgrenzen, nicht nur an den Wegen, sondern auch zwischen den Weideabschnitten, oder erschaffen sie eine kleine Waldinsel mitten auf der Koppel. Das ist gut für die Pferde und auch für die Natur.

Achten Sie darauf, dass es ungiftige Baum- und Straucharten sind, die die Pferde auf und an ihrer Koppel erreichen können. Tabu sind Robinie, Eibe, amerikanische Spitzeiche, Rotahorn, Eschenahorn, Pfaffenhütchen und einige mehr.

Anja Braatz, Tierheilpraktikerin

16.08.2022

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