Die Katze als Beutetierfänger - Teil 2

Nahrungsbestandteile und ihre Verdauungsphysiologie

Lauernde Katze

In der letzten Ausgabe der „artgerecht“ erklärte ich die ernährungsphysiologischen Grundlagen der gesunden Katzenernährung. Wollen wir unsere Katzen mit Hilfe der Rohfütterung gesund und ausgewogen füttern, brauchen wir außerdem ein gewisses Maß an Wissen über die notwendigen Nahrungsbestandteile und deren Verdauungsphysiologie.

Energie

Wie jedes Lebewesen benötigt auch die Katze für alle Vorgänge im Organismus Energie. Diese ist deshalb eines der zentralen Themen der Katzenernährung und muss zwingend in ausreichendem Maße über die Nahrung zugeführt werden.

Energie ist in allen organischen Bestandteilen der Nahrung enthalten. Heute erfolgt die Angabe der Energie in den meisten Fällen in Joule (J), Kilojoule (kJ) oder Megajoule (MJ). In älteren Quellen wird die Einheit Kalorien (cal) oder Kilokalorien (kcal) verwendet.

  • kJ = kcal x 4,1868
  • kcal = kJ x 0,2388

Der Gesamtenergiebedarf einer Katze setzt sich aus dem Erhaltungs- und dem Leistungsbedarf zusammen. Der Erhaltungsbedarf ist der Energiebedarf, der zur reinen Aufrechterhaltung des Körpergewichtes bei durchschnittlicher Bewegung, mittleren Umweltbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung usw.) und rassespezifischen Merkmalen (Haarkleid, natürliches Temperament usw.) benötigt wird.

Der Leistungsbedarf hingegen ist die zusätzlich benötigte Energie, die für „Arbeitsleistungen“ gebraucht wird. Darunter verstehen wir zum Beispiel Wachstum und Laktation.

Der Erhaltungsbedarf einer Katze ist sehr individuell und großen Schwankungen unterworfen. Deshalb ist hier ganz besonders das aufmerksame Auge des Besitzers gefordert, um gegebenenfalls entsprechend in die Rationsgestaltung eingreifen zu können. In der Literatur reichen die Angaben von etwa 0,13 MJ umsetzbare Energie (UE) / kg Körpergewicht (KG) bis zu 0,65 MJ UE / kg KG. Der tatsächliche Energiebedarf ist stark abhängig von Rasse, Aktivität, Alter und weiteren Faktoren.

Die Bruttoenergie eines Futtermittels setzt sich zusammen aus umsetzbarer Energie und der Energie, die über Kot und Harn ausgeschieden wird. Die umsetzbare Energie ist der Teil, der dem Tier direkt für seine Lebensvorgänge zur Verfügung steht. Man spricht hier auch von der verdaulichen Energie. Um die Bruttoenergie eines Futtermittels zu berechnen, werden festgelegte Brennwerte für die einzelnen Nahrungsbestandteile verwendet.

Die Bezugsgröße der Energie ist in der Regel das Körpergewicht. Die Schwankungen hinsichtlich der Größe und des Gewichts von Katzen sind vergleichsweise gering, weshalb meist auf die Berechnung der metabolischen Lebendmasse (LM) verzichtet wird. Der Gesamtenergiebedarf einer Katze liegt im Durchschnitt bei etwa 0,3 MJ UE / kg KG. Tragende Katzen haben einen bis zu 50 % höheren Gesamtenergiebedarf, bei laktierenden Katzen steigt er sogar bis zu 90 % je Welpe!

Katzen decken ihren Energiebedarf zum großen Teil durch Gluconeogenese aus den Proteinen. Darunter versteht man die Neusynthese von Glucose aus Nicht-Kohlenhydrat-Vorstufen. Sie sind also zur Deckung ihres Energiebedarfs nicht auf die Zufuhr von Kohlenhydraten angewiesen. Außerdem ergibt sich daraus, dass Katzen einen hohen Bedarf an leicht verdaulichen Proteinen haben, den sie zum überwiegenden Teil aus tierischen Proteinquellen decken müssen. Sie sind von Natur aus an die Aufnahme hoher Mengen tierischen Proteins angepasst.

Proteine / Eiweiße

Aminosäuren sind die Bausteine des Lebens. Proteine setzen sich aus ihnen zusammen und sie sind Bestandteil sowohl tierischer als auch pflanzlicher Futtermittel. Sie sind an der Synthese von Enzymen, Hormonen und Sekreten beteiligt und dienen der Erhaltung der Körpersubstanz sowie der Energiegewinnung. Viele Aminosäuren können vom Körper selbst synthetisiert werden, andere müssen zwingend mit der Nahrung zugeführt werden.

Die Qualität der Proteine im Futter lässt sich anhand verschiedener Kriterien beurteilen. Der Gehalt an essentiellen Aminosäuren und deren Zusammensetzung steht dabei an oberster Stelle. Tierische Produkte sind unbedingt höher zu bewerten als pflanzliche, da hier der Anteil essentieller Aminosäuren höher und deren Zusammensetzung günstiger ist. Weiterhin lässt sich die Proteinqualität anhand der biologischen Wertigkeit eines Proteins beurteilen. Diese gibt Auskunft darüber, wie viel des aufgenommenen Proteins letztendlich dem Organismus der Katze zur Verfügung steht und nicht über Harn und Kot wieder ausgeschieden wird.

Die Herkunft des Proteins ist ausschlaggebend für die Verdaulichkeit. Prinzipiell werden tierische Proteine von der Katze schneller und vollständiger verdaut als pflanzliche. Eiweiße aus reinem Muskelfleisch verwertet ihr Organismus besser und zügiger als Fleisch mit einem hohen Anteil an Bindegewebe.

Die wichtigsten essentiellen Aminosäuren in der Katzenernährung sind Arginin, Methionin und Taurin. Letzteres ist im eigentlichen Sinne keine Aminosäure, sondern eine ß-Aminosulfonsäure.

Arginin

Arginin gehört zu den essentiellen Aminosäuren und ist an der Neubildung von Proteinen und am Harnstoffwechsel beteiligt, der aufgrund großer Proteinmengen im Futter ein wichtiger Stoffwechselvorgang ist. Die dabei anfallenden hohen Mengen Ammoniak werden unter dem Einfluss von Arginin zu Harnstoff umgewandelt. Da Katzen eine sehr hohe Aktivität des Arginin-abbauenden Enzyms Arginase aufweisen, wird ein relativ großer Teil des Arginin zu Ornithin abgebaut. Um aber neben dem Bedarf an Ornithin auch den an Arginin abzudecken, muss also zwingend genügend Arginin mit dem Futter zugeführt werden.

Ist Arginin nicht in ausreichendem Maße in der Ration enthalten, kommt es sehr schnell zu einer Ammoniakvergiftung, da Ammoniak nicht mehr oder nur unzureichend zu Harnstoff umgewandelt werden kann. Bereits eine einzige Arginin-freie Mahlzeit löst einen starken Anstieg des Blutammoniak-Spiegels mit Symptomen wie Überempfindlichkeit, Erbrechen sowie Gleichgewichtsstörungen aus und kann bis zum Koma oder Tod des Tieres führen.

In der Literatur wird der Bedarf an Arginin für junge Katzen mit 1,1% in der Trockensubstanz angegeben. Adulte Katzen benötigen 0,8% Arginin. Es kommt in Fleisch und anderen tierischen Produkten vor.

Methionin

Methionin kann vom Organismus der Katze nicht selbst synthetisiert werden. Es ist im Stoffwechsel  Lieferant von Methylgruppen (-CH3) und notwendig für die Biosynthese von zum Beispiel Cholin, Kreatin, Adrenalin, Carnitin, Nukleinsäuren, Histidin und Glutathion sowie für die  Phospholipidsynthese innerhalb der Fettverdauung. Außerdem wird Methionin zusammen mit Cystein zu Felinin synthetisiert, welches dem Katzenharn den typischen Geruch verleiht.

Der Bedarf an Methionin wird in der Literatur mit etwa 0,38 g / MJ UE angegeben. Man findet es vor allem in Futtermitteln tierischer Herkunft, besonders aber in Fisch.

Taurin

Auch wenn Taurin eigentlich keine Aminosäure ist, wird es doch meist im Zusammenhang mit diesen genannt. Katzen können es nicht wie andere Tierarten aus den beiden Aminosäuren Cystein und Methionin synthetisieren, weil das für diesen Vorgang benötigte Enzym bei ihnen nur eine sehr geringe Aktivität aufweist. Grund hierfür ist vermutlich, dass ihre natürliche Nahrung – die Maus - sehr reich an Taurin ist und somit eine Synthese innerhalb des Organismus der Katze nicht notwendig war. Der Tauringehalt von Mäusen beträgt durchschnittlich 240 mg/100 g Maus oder auf die Trockensubstanz (TS) bezogen 700mg/100 g TS.

Der Taurinbedarf einer Katze liegt bei etwa 30 – 40 mg/kg Körpergewicht und Tag. Je nachdem wie viel die Katze frisst und wie hoch der Gehalt an Taurin im Futter ist, muss Taurin supplementiert werden. Aufgrund des hohen Tauringehaltes der Katzenmilch und der damit einhergehenden Verluste, ist der Bedarf laktierender Katzen entsprechend größer. Da Taurin praktisch nicht überdosiert werden kann und Überschüsse vom Körper einfach ausgeschieden werden, ist eine Supplementierung bis zu 500mg Taurin/Tag durchaus möglich. Taurin ist ausschließlich in Futtermitteln tierischer Herkunft enthalten. Relativ hohe Werte findet man zum Beispiel in Garnelen (143 mg/100g), Krabben (278 mg/100g) und Schweineherz (200 mg/100g).

Eine Unterversorgung mit Taurin hat Mangelerscheinungen und daraus resultierende Erkrankungen zur Folge. Das können Netzhautdegenerationen bis hin zur Erblindung, Herzkrankheiten (Kardiomyopathie), Wachstumsdepressionen und Störungen des Immunsystems sein.

Fette

Fette setzen sich aus Glycerin und Fettsäuren zusammen. Die Fettsäuren werden in gesättigte und ungesättigte Fettsäuren unterteilt. Erstere kommen hauptsächlich in harten Fetten vor, während letztere vorrangig in Ölen und weichen Fetten zu finden sind. Eine weitere Einteilung der Fette erfolgt anhand ihrer Herkunft in tierische und pflanzliche Fette.

Einige Fettsäuren kann der Organismus der Katze nicht selbst synthetisieren. Diese müssen deshalb zwingend mit der Nahrung zugeführt werden. Das betrifft neben der Linolsäure vor allem die Linolensäure und die Arachidonsäure, da die Katze im Gegensatz zu anderen Tieren nicht in der Lage ist, diese aus Linolensäure selbst zu synthetisieren. Der tägliche Bedarf an Linolsäure liegt bei 250 mg/kg KG, der an Arachidonsäure bei 3 mg/kg KG.

Katzen können Rationen mit hohem Fettgehalt sehr gut verwerten und ziehen fetthaltiges Futter prinzipiell solchem mit einem niedrigeren Fettanteil vor. Tierisches Fett wird dem Fett pflanzlicher Herkunft ebenfalls vorgezogen. Die Fettverdauung findet im Dünndarm statt. Dort wird das Fett durch Lipasen der Bauchspeicheldrüse und der Darmwand in Monoglyceride oder Glycerin und Fettsäuren gespalten. Glycerin und Fettsäuren werden anschließend über die Pfortader in die Leber und über Blut- und Lymphgefässe in das Fettgewebe transportiert.

Kohlenhydrate

Kohlenhydrate spielen in der Katzenernährung nur eine untergeordnete Rolle, da Katzen ihre Energie vorrangig aus der Gluconeogenese gewinnen. Ein Anteil von ein bis maximal zwei Prozent Kohlenhydrate in der Ration steuert kaum etwas zur Energieerzeugung bei und dient lediglich der Regulierung der Darmtätigkeit und der Formung des Kots. Da Katzen trotzdem in der Lage sind, Kohlenhydrate zu verdauen, kann eine übermäßige Zufuhr über die Nahrung bei gleichzeitig ausreichendem Proteingehalt des Futters zu Gewichtszunahme und Übergewicht führen. Eine Ausnahme bildet hier die Säugeperiode. Während dieser spielt die Laktose eine entscheidende Rolle. Etwa 20 % ihrer Energie beziehen Katzenwelpen aus diesem Kohlenhydrat. Im späteren Alter verliert der Organismus jedoch die Fähigkeit der Laktosespaltung, da die Leistung des Enzyms Laktase nachlässt, wenn sie nicht regelmäßig trainiert wird. Dann führt eine übermäßige Aufnahme von Milch und Milchprodukten zu Durchfall.

Wasser

Wasser ist lebensnotwendig für unsere Katzen. Es ist für fast alle Stoffwechselvorgänge unerlässlich, so etwa als Transport- und Lösungsmittel und bei der Wärmeregulierung. Etwa 70 % des Organismus bestehen aus Wasser. Schon ein Verlust von 15 % des Körperwassers kann zum Tod führen. Da Katzen den überwiegenden Anteil des benötigten Wassers über die Nahrung aufnehmen, ist dem Feuchtigkeitsgehalt der Ration besondere Beachtung zu schenken. Eine zu geringe Wasseraufnahme über die Nahrung kompensiert die Katze nicht, indem sie mehr trinkt. Prinzipiell sollte darum jeder Ration zusätzlich Wasser zugesetzt werden. Abgesehen davon muss außerdem  immer ausreichend Wasser in Trinkwasserqualität zur Verfügung stehen.

Mineralstoffe

Unterschieden werden die Mineralstoffe in

  • Mengenelemente, wie zum Beispiel Calcium, Phosphor, Magnesium, Natrium, Kalium und Chlor und
  • Spurenelemente wie Eisen, Jod, Kupfer, Mangan, Fluor, Selen und Zink.

Auf die einzelnen Mineralstoffe und ihre Funktion im Organismus möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, da dies den Rahmen sprengen würde. Da es bei Katzen aber einige Besonderheiten gibt, möchte ich diese erwähnen:

Magnesium (MG)

Da Magnesium im Verdacht steht, in erhöhter Menge verantwortlich für die Entstehung von Harnsteinen und Kristallen zu sein oder diese zumindest zu begünstigen, sollte die Menge des mit der Nahrung aufgenommenen Magnesiums die Bedarfswerte nicht allzu weit überschreiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund der Fütterung größerer Mengen pflanzlicher Futtermittelbestandteile (industrielles Fertigfutter, insbesondere Trockenfutter) der Harn der Katze einen alkalischen pH-Wert hat. Bei Katzen, die zu Steinen neigen, ist es ratsam in regelmäßigen, kürzeren Abständen den pH-Wert des Urins zu überprüfen, um gegebenenfalls dagegen steuern zu können. Der pH-Wert sollte unter einem Wert von 7 liegen.

Phosphor (P)

Ebenso wie Magnesium trägt auch Phosphor in überschüssiger Menge zur Bildung von Harnsteinen bei. Auch hier gilt demzufolge, dass die Bedarfswerte nicht zu stark überschritten werden dürfen.

Vitamine

Vitamine sind organische Stoffe, die auch für Katzen lebensnotwendig sind, allerdings nur in kleinsten Mengen benötigt werden.  Auch hier möchte ich nur kurz auf die vorhandenen Unterschiede zwischen Hund und Katze näher eingehen.

Vitamin A

Die Katze ernährt sich natürlicherweise hauptsächlich von Beutetieren. Diese enthalten Vitamin A in ausreichenden Mengen. Pflanzen hingegen enthalten kein Vitamin A, sondern ausschließlich die Vitamin A – Vorstufe, das Provitamin Betakarotin. Die Katze ist aber im Gegensatz zum Hund und den meisten anderen Säugetieren nicht in der Lage, Betakarotin in Vitamin A umzuwandeln, da ihr das hierfür notwendige Enzym fehlt. Für die Deckung des Vitamin A – Bedarfes kommen deshalb ausschließlich tierische Futtermittel in Frage.

Niacin

Niacin ist ein Sammelbegriff für die Vitamin-wirksamen Verbindungen Nicotinsäure, deren Amid (das Nicotinamid) und die Coenzyme NAD und NADP. In Pflanzen liegt Niacin als Nicotinsäure, in Tieren als Nicotinamid vor. Niacin kann auch intermediär aus der Aminosäure Tryptophan gebildet werden, wobei dazu gesagt werden muss, dass diese Fähigkeit von der Aktivität des Leberenzyms Picolinsäure-Carboxylase umgekehrt abhängig ist. Aufgrund einer recht hohen Aktivität dieses Enzyms sind beispielsweise Katzen nicht in der Lage, Niacin aus Tryptophan zu bilden.

Zur Berechnung des Niacin in einer Ration dürfen wir deshalb nicht die oftmals aufgeführten Niacinäquivalente heranziehen, da hier das Tryptophan mit eingerechnet ist. Vielmehr müssen wir mit dem reinen Niacinwert rechnen.

Um nun mit diesem Wissen an die Zusammenstellung einer Ration für unsere Katzen zu gehen, sind deren Bedarfswerte notwendig. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass keine Bedarfswertetabelle eine absolute Schablone darstellt. Es handelt sich dabei vielmehr um reine Richtwerte, welche Abweichungen sowohl nach unten als auch nach oben zulassen. Wichtig ist, dass man als Rohfütterer seine Tiere intensiv beobachtet und über eventuell auftretende Mängel- oder Überschusssymptome Bescheid weiß, um gegebenenfalls korrigierend in die Rationsgestaltung eingreifen zu können.

Damit sind die theoretischen Grundlagen des Katzen-Barfens zusammengefasst. Als nächstes wenden wir uns der Barf-Praxis – Einfach Katzen füttern – zu. 

Peter Alm, Tierheilpraktiker

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23.05.2017

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