Artgerechte Katzenhaltung in der Wohnung?

Ein Erfahrungsbericht

Fast zwei Jahre ist es her, dass mir wild entschlossen ein Kätzchen zugelaufen ist. Ich wollte wirklich keine Katze – ich wohnte mit zwei Hunden im zweiten Stock. Aber bei einem Tagesausflug lief die Kleine schnurstracks zwischen den Hunden durch und an meinem Bein hoch … Sie folgte uns ins Restaurant zum Abendessen, wurde hinausgescheucht, und als wir wieder herauskamen, wartete sie auf uns. Sie sprang auf meine Motorhaube, aufs Autodach, und als ich erst einmal die Hunde „einpacken“ wollte, saß sie blitzschnell im Auto. Nun musste ich sie anfassen und merkte, dass sie struppig und mager war und eine Verletzung am linken Ohr hatte. Als sie mir schließlich über die nächste Kreuzung hinterher flitzte, gab ich auf. Der Dorftierarzt war unterwegs, und ein fremdes Tier einfach nach Hause mitzunehmen, kam für mich nicht in Frage. Also brachte ich sie im Tierheim des nächstgrößeren Ortes in Sicherheit.

Natürlich rief ich am nächsten Tag dort an und erfuhr, dass sie weder tätowiert noch gechipt war und zu keiner Vermisstenmeldung passte. Das Erlebnis ließ mir keine Ruhe, und im Lauf der nächsten Wochen erkundigte ich mich immer wieder, ob sich denn noch niemand gefunden hätte. Schließlich erklärte ich, dass ich sie gern nehmen würde. Das Tierheim wollte sie mir nicht geben, obwohl das Katzenhaus aus allen Nähten platzte. Eine Streunerin wird sich in einer Stadtwohnung niemals einleben, sagte man mir. Ich wollte es trotzdem versuchen, und ich hatte inzwischen einen Plan B parat – Bekannte, die sehr ländlich wohnen und sich bereit erklärten, sie zu übernehmen, falls sie sich bei mir wirklich nicht wohl fühlen sollte. Unter dieser Prämisse war das Tierheim schließlich einverstanden und sie durfte bei mir einziehen – in eine wunderschöne Wohnung mit Dachterrasse, Hunde und Katzen kein Problem, aber: Einzimmerwohnung, 45 Quadratmeter, im 2. Stock.

Inzwischen hatte ich einen kleinen Berg Katzenbücher gelesen, mit jedem Katzenhalter in meinem Bekanntenkreis gesprochen und hatte eine Vorstellung davon, wie ich meine Wohnung katzengerecht gestalten könnte. Zuerst einmal mussten Wohnung und Terrasse gesichert werden, und ich hatte rasch eingesehen, dass das ein Profi machen musste. Die Experten von der Katzenoase Ehrl rückten an. Da die Hausverwaltung nach vorne hinaus keinerlei „Aufbauten“ genehmigen wollte, wurden in Bad und Schlafnische die Fenster nur vernetzt, die Dachterrasse hinten dagegen mit einem starken Netz und genau eingepassten Gittern in jeder Lücke fachgerecht nutzbar gemacht.

Für die Einrichtung war meine „Strategie“: Ein vielfältig strukturierter Lebensraum ist entscheidend, nicht so sehr die reine Quadratmeterzahl der Wohnung. Nimué sollte Abstand zu den Hunden nehmen können, wenn sie das möchte, sie sollte klettern, springen, sich verstecken und sich möglichst überallhin bewegen können – auch in „die 3. Dimension“, wie es in einigen Katzenbüchern so schön heißt, also nach oben. Die Raumhöhe von 3,50 m galt es auf jeden Fall zu nutzen! Vor allem aus zoologischen Gärten kennt man das Prinzip als „Enrichment“: Möglichkeiten, arttypisches Verhalten zu zeigen, immer wieder neue Sinneseindrücke und Herausforderungen.

Damit Nimué bei der wilden Fliegenjagd nicht abstürzt, wurden die glatten Oberseiten sämtlicher Regale und Schränke mit Sisalteppich beklebt. Dann mussten Verbindungen geschaffen werden. Einen Mauervorsprung zwischen zwei Regalen überbrückten wir mit einem Stück Birkenstämmchen, an mehreren Stellen wurden Birkenscheiben als Tritte angebracht, so dass sie z. B. vom Raumteiler auf den Schrank und vom Sofa aus auf ein hohes Bücherregal kommt. Eher meinem persönlichen Geschmack entspricht der Kletterbaum aus Birke – der ist zum Kratzen weniger geeignet und dient ihr eher als Treppe nach oben, aber hier ließen sich Einrichtungsgeschmack und Funktion für das Tier sehr schön miteinander verbinden. Auf dem höchsten Bücherregal steht ihr Häuschen, sicherer Rückzug und Beobachtungsposten neben dem Fenster zugleich. Hinter dem Sofa wurde ein weiterer kleiner Kratzbaum angebracht, der es ihr ermöglicht, „demonstrativ“ zu kratzen, ohne sich an das Sofa halten zu müssen. Da die bodentiefen Fenster keine Fensterbank haben, kam obendrauf noch ein schönes Aussichtsplätzchen. Ein weiterer Lieblingsplatz ist die Heizkörperverkleidung – mit Plüsch bezogen, absolut unwiderstehlich.

Eine Katzenklappe in der Badezimmertür sorgt dafür, dass die Katzentoilette nicht im Wohnraum stehen muss und dennoch jederzeit zugänglich ist. Außerdem hat Nimué auf dem Fensterbrett im Bad ihren Fressplatz, wo sie von den Hunden nicht gestört wird und auch keiner an ihr Futter (und die Katzentoilette …) herankommt. Ein deckenhoher Kratzbaum vom Fachmann – der Qualitätsunterschied zu den Kratzmöbeln, die man im üblichen Ladengeschäft bekommt, ist kaum zu fassen! – nimmt in dem kleinen Raum nur 40 x 40 cm Grundfläche ein, bietet aber schwungvolles „an die Decke gehen“ und einen Aussichtsplatz hoch oben vor dem Fenster.

Einer der beiden Raumteiler im Wohnraum steht mit der Stirnseite gerade so weit von der Wand abgerückt, dass Nimué dazwischen hindurchpasst. So ist auch eine schöne Lauerstelle entstanden, von der aus sie mich bevorzugt auf dem Weg ins Bad „attackiert“. Im anderen Raumteiler zwischen Wohn- und Schlafbereich wurde ein Loch in die Rückwand gesägt, das als Abkürzung, „Fluchtweg“ und weiteres Lauerversteck genutzt wird. Auf diesem Raumteiler steht ihre Höhle in der geschützten Ecke zum nächsten Regal, und da sie sich bei Gefahr (Handwerker etc.) doch eher unter dem Bett versteckt als nach oben zu flüchten, liegt dort noch ein kleines Kuschelkörbchen. Weil sie gern Abwechslung hat, habe ich ihr zum Beispiel auch schon ein Regalfach leer geräumt und mit einem Vorhang halb zugehängt, das war lange ein beliebter Platz. Irgendwann sucht sie sich wieder einen anderen … Auch mit kleinen Brücken oder einem Loch zwischen zwei Fächern kann man eine gewöhnliche Regalwand zum „Katzenmöbel“ umfunktionieren. Katzen, die körperlich nicht mehr so fit sind, bekommen statt einzelner Tritte an der Wand eben ein breites Brett oder leicht zu bewältigende Rampen als Aufstieg.

Vergangenes Jahr kam ein dritter Hund hinzu, der genau ihre Gewichtsklasse hat – meine beiden älteren Rüden fanden das Spiel mit Nimué nicht so spannend, mit der kleinen Hündin hingegen spielt sie recht wild. Natürlich spiele ich selbst auch viel mit ihr – neben einer guten Spielangel (Nekoflies lieben wir beide besonders) am liebsten mit Zollstock (unter dem Teppich oder im Karton wird er nie langweilig), Toilettenpapier-Rollen, alten Socken voll Watte oder Stroh und evtl. etwas Katzenminze, dem Laserpointer mit Leckerli als „Beute“ und allem erdenklichen Unsinn, den man in einem Karton mit ein paar Löchern anstellen kann – und sei es, noch mehr Löcher reinzubeißen. Spielzeug, mit dem Katzen sich allein beschäftigen sollen, findet sie nur sehr kurz spannend, dann lässt sie es links liegen. Beim Hereinkommen werden die Hundepfoten und meine Schuhe sehr interessiert abgeschnüffelt, also bringe ich ihr ab und zu etwas vom Spaziergang mit – eine Tüte voll Laub in einem Pappkarton ist ein Highlight für sie. Ein paar Handvoll Gras und Löwenzahn, Tannenzapfen, frisch gemähtes Heu, ein herabgefallener Ast mit Blättern, der Obstkarton, in dem ich den Einkauf nach Hause bringe, alles wird voller Neugier untersucht. Raschelt es dann noch schön, spielt sie auch gern darin. Wenn ich mit den Hunden clickere, bekommt sie ebenfalls eine Trainingseinheit – sie geht in ihre Transportbox, folgt einem Targetstab um und über Hindernisse, „Sitz“ musste sie auch schon lernen.

Die Dachterrasse bietet neben einem wunderbaren Ausblick auf die Gärten hinter dem Haus, Sonnenplätzchen und Verstecken auch Jagdmöglichkeiten. Nimué jagt gern Insekten, manchmal so energisch, dass sie nachts geradezu „randaliert“ da draußen. Aber auch drinnen macht sie sich nützlich, und dank der Höhenwege hat sie noch jede Spinne irgendwann erwischt (brrr).

Meine kleine Streunerin hat sich von Anfang an wohl gefühlt in ihrem winzigen städtischen Domizil. Sie war nicht ein einziges Mal unsauber, hat nie an Türen oder Fenstern gekratzt, gejammert oder irgendetwas zerstört – außer natürlich Pappkartons. Sie genießt die Abwechslung, die ich ihr mit ein paar einfachen Mitteln bieten kann, kuschelt mit mir und den Hunden und kann sich durch die Schlupflöcher und überallhin verbundenen Höhenwege wie eine Wilde kreuz und quer austoben, wenn sie ihre „fünf Minuten“ hat. Die enden meist damit, dass sie noch einmal mit Schwung den Deckenkratzbaum hinaufsaust, es sich dann oben gemütlich macht und das abendliche Treiben vor dem Haus beobachtet. Ich habe den Eindruck, dass sie hier glücklich und zufrieden ist. Sicherlich kann sich nicht jede Katze, die ein Leben in Freiheit gewöhnt ist, so gut mit der Haltung im Haus anfreunden. Aber man kann einiges tun, um auch Wohnungskatzen artgerechte Verstecke, Revierwege, Klettermöglichkeiten, Abwechslung und Beschäftigung zu bieten.

Katharina Volk, München

01.09.2017

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