Die Geschichte der Hauskatze

WildkatzeIn fast jedem vierten Haushalt in Deutschland leben Katzen. Insgesamt sind es mittlerweile über 13 Millionen – Tendenz stark steigend. Damit ist sie bei uns das beliebteste Haustier. Die Gesamtzahl der Katzen in menschlicher Obhut dürfte weltweit 600 Millionen übersteigen. Und das trotz – oder gerade wegen?! –  ihres eigenwilligen Wesens. Doch woher stammt sie, und warum hat sie sich uns Menschen angeschlossen, wo sie doch ihre Freiheit liebt, sehr eigenwillig und sprunghaft ist und auch allein durchaus überleben kann?

Alle Katzen haben eine Vorfahrin

Zwar vermutete man schon lange, dass alle Hauskatzen (Felis silvestris catus) von der Wildkatzenart Felis silvestris abstammen, jedoch konnte dies mit den früher verfügbaren Analysemethoden nicht eindeutig belegt werden, geschweige denn, dass man hätte feststellen können, von welcher Unterart der Wildkatzenpopulation die Hauskatze abstammt. DNA-Proben von ca. 1.000 Haus- und Wildkatzen aus aller Welt zeigten praktisch keinen Unterschied zwischen Hauskatzen oder Wildkatzen aus abgelegenen Wüsten (wie z. B. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Israel) und ergaben, dass alle Hauskatzen von der Falbkatze Felis silvestris lybica abstammen, unabhängig davon aus welchem Land sie kamen oder ob es sich dabei um reinrassige oder gemischtrassige Katzen handelte. Demnach entstanden die Hauskatzen offenbar in einem einzigen Gebiet, und das lag nicht in Ägypten, sondern im Nahen Osten.

Offenbar gilt dies aber nicht für domestizierte Katzen, die vor rund 5.300 Jahren in China lebten. Forscher konnten nun zeigen, dass diese nicht aus dem Nahen Osten nach China gebracht wurden, sondern von der in Süd- und Ostasien verbreiteten asiatischen Bengalkatze (Prionailurus bengalensis) abstammen (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Hauskatzenrasse, die erst vor etwa 50 Jahren durch eine Kreuzung der wilden Bengalkatze mit gewöhnlichen Hauskatzen entstand).

Hauskatzen wurde also höchstwahrscheinlich zweimal unabhängig voneinander an den Menschen gewöhnt: zum einen im Nahen Osten und ein zweites Mal in China. Allerdings war letztere Annäherung von Tier und Mensch vermutlich nur von begrenzter Dauer, da auch alle heute in Ostasien lebenden Hauskatzen auf die Wildkatze Felis silvestris lybica zurückgehen; so müssen auch deren Vorfahren wohl einen Weg vom Nahen Osten nach China gefunden haben. Von der Falbkatze des Nahen Ostens bis zum Haustier hat es allerdings sicher einige Jahrtausende gebraucht.

Falbkatze

Seit über 10.000 Jahren Begleiter des Menschen

Die neuen genetischen Analysen und archäologische Erkenntnisse zeigen auch, dass die ersten Katzen sich nicht erst – wie lange angenommen – im alten Ägypten dem Menschen anschlossen, sondern dass die Anfänge dieser freiwilligen Domestikation viel weiter zurückreichen. Bereits vor etwa 10.000 Jahren begann die “Haustierwerdung“ von Katzen im Nahen Osten etwa im Gebiet des sogenannten „Fruchtbaren Halbmonds“. Da Katzen nicht wandern, sondern standorttreu sind, kam es also erst zu intensiverem Kontakt, als die Menschen mit der Landwirtschaft begannen und sesshaft wurden. Die Getreidevorräte, die aus dem Ackerbau angelegt wurden, zogen Mäuse und Ratten magisch an – so hatten die Katzen leichte Beute und die Menschen profitierten von den hervorragenden Fähigkeiten der Samtpfoten.

Seit 2004 von Forschern des MUSÉUM NATIONAL D'HISTOIRE NATURELLE in Paris der Fund eines Grabs bekanntgegeben wurde, in dem bereits vor 9500 Jahren eine junge Katze mitbestattet worden war, gilt dies jetzt als ältester Hinweis darauf, dass damals schon Katzen gehalten wurden. Da es offenbar auf Zypern jedoch nie Wildkatzen gegeben hat, bleibt nur der Schluss, dass (evtl. gezähmte Wild-)Katzen aus Nordafrika mit dem Boot nach Zypern gebracht wurden. Das gemeinsame Beerdigen von Mensch und Katze lässt vermuten, dass auch damals schon die Beziehung recht eng war. Auf uns Menschen übt die Katze seit jeher eine große Faszination aus, die sich nicht nur durch einen „Nutzen“ erklären lässt – jeder Katzenbesitzer weiß, wovon ich spreche. Die Motivation der Katze jedoch war vermutlich ganz simpel: sie profitierte davon in vielerlei Hinsicht. Und wenn wir mal ehrlich sind: Auch daran hat sich bis heute nichts geändert.

Die Göttin Bastet in Gestalt einer altägyptischen Dame mit dem Haupt einer KatzeAllerdings wird von vielen Ägyptologen vermutet, dass die Fähigkeit der Katze als Jäger von Vorratsschädlingen nicht den Ausschlag gab, sie als Begleit- und Heimtier zu halten. Vielmehr betrachteten sie dies wohl eher als nützliches Beiwerk. Diese Vermutung wird durch die Verehrung der Katze in Ägypten, weit über den Tod hinaus, bestätigt. Katzen reicher Leute wurden einbalsamiert, mumifiziert und in Sarkophagen bestattet; die Katzen der Armen wurden in Leinen gewickelt, aber ebenfalls rituell bestattet. Vor 2.900 Jahren wurden Katzen vor allem in Bubastis, der heiligen Stadt der Bastet, zu Zigtausenden geopfert und einbalsamiert. Die riesige Menge an Mumien, die gefunden wurden, legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei nicht nur um frei herumstreunende Tiere gehandelt haben kann, sondern dass Katzen erstmals in der Geschichte absichtlich gehalten und vermehrt wurden.

Bastet als wichtigste Katzengottheit in Ägypten wurde anfangs mit Löwenkopf dargestellt und erst viel später als Katze. Die Tempel von Bastet waren sowohl der Katzenzucht als auch der Haltung von Katzen gewidmet; eine Vielzahl von Katzenpriestern und Katzenpflegern waren dort angestellt. Als eine Art „altägyptisches Woodstock“ kann man das alljährliche Festival zu Ehren von Bastet bezeichnen, das vom griechischen Geschichtsschreiber Herodot beschrieben wurde; ein ausschweifendes Festival mit Musik, aufreizenden Tänzen und enormem Alkoholkonsum. Vor 2.300 Jahren gab es wohl den Höhepunkt der Katzenverehrung im alten Ägypten: Es wurde ein strenges Katzenexportverbot verhängt. Der ägyptische Staat entsandte damals regelmäßig Geheimagenten in Nachbarstädte und -länder, um illegal exportierte Katzen aufzuspüren, zurückzukaufen und wieder nach Hause zu bringen.

Mit den Römern durch ganz Europa

Dennoch gelangten bereits vor 2.500 Jahren Katzen nach Griechenland. Als Ratten- und Mäusefänger auf Getreideschiffen „angeheuert“, nutzten sie – neugierig wie sie nun einmal sind - offenbar die Gelegenheit, von Bord zu gehen, ihre Population voranzutreiben und nach und nach ganz Europa zu erobern. Mesopotamien ebnete den Weg nach China, Indien wurde sowohl auf dem See- als auch auf dem Landweg besiedelt. Als sich das Römische Reich vor 2.000 Jahren ausdehnte, wurden die Katzen auch in ganz Europa heimisch. Ausgrabungen bei Tofting auf Eiderstedt (Schleswig-Holstein) belegen ihre frühe Ausbreitung nach Norden im 4. bis 10. Jahrhundert – so schafften sie es sogar vor den Römern auf die Britischen Inseln.

Wie oder besser gesagt, wann genau es die Hauskatze nach Amerika geschafft hat, ist bislang nicht genau geklärt. Dass bereits bei frühen Atlantiküberquerungen wie z. B. bei Christopher Kolumbus im Jahr 1492, Katzen mit an Bord waren, ist sicher. Englische Siedler sollen im frühen 17. Jahrhundert Katzen als Glücksbringer und Schädlingsbekämpfer mit an die nordamerikanische Ostküste gebracht haben. Ob die ersten Katzen in Australien von europäischen Seefahrern im 17. Jahrhundert eingeschleppt wurden, soll in weiteren DNA-Studien geklärt werden.

Im Mittelalter verfolgt

Leider wendete sich das Blatt für die Katze im Mittelalter: Der mittelalterliche Aberglaube machte aus dem ehemals heiligen Tier der Ägypter den Begleiter der Hexen und des Satans. Und so wurden Katzen ertränkt, lebendig verbrannt oder tot geschlagen – gewöhnliche Tierquälerei zur Volksbelustigung war trauriger Alltag. Als Papst Innozenz VIII. im Jahre 1484 den folgenschweren Erlass „Summis desiderantes affectibus“ herausgab, war das ungestörte Leben der Katzen endgültig vorbei und ein 300 Jahre andauerndes Martyrium begann. Gemeinsam mit Hexen und Ketzern wurden auch deren Katzen in die Hölle verdammt und der Inquisition mit überantwortet. Als dann im 16. und 17. Jahrhundert verstärkt die Hexenverfolgung einsetzte, mussten auch unzählige Katzen auf grausame Weise ihr Leben lassen. Oftmals genügte bereits der Besitz einer Katze, vor allem wenn diese schwarz und ihre Besitzerin alt und gebrechlich war, um als Hexe beschuldigt und verurteilt zu werden. Ergriff man für eine von beiden – Katze oder Beschuldigte – Partei, macht man sich selbst verdächtig, wurde verhört und häufig ebenfalls mit dem Tode bestraft.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg glaubte man, dass sich eine zwanzigjährige Katze in eine Hexe verwandeln würde, und aus einer hundertjährigen Hexe wieder eine Katze würde. Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts hielt sich hartnäckig der Aberglaube, dass sich Hexen in Katzen verbergen würden, um in der Katzengestalt besser Unheil stiften zu können. Auch für rätselhafte Kindstode musste die Katze als Verantwortliche herhalten. Der Fluch der Kirche traf übrigens nicht nur Katzen; auch Eulen, Fledermäuse und Kröten waren „Hexentiere“, und böse Geister und Dämonen wurden selbst in Hunden, Kühen oder Ziegen gesehen. Das hatte zur Folge, dass man tatsächlich Prozesse gegen Tiere durchführte und diese nach einem offiziellen Gerichtsurteil öffentlich hinrichtete. Katzen waren am stärksten betroffen; sie wurden allein oder gemeinsam mit Hexen, Kindesmörderinnen, Räubern oder Gottesfrevlern aufgehängt oder in Säcke eingeschnürt und im Wasser versenkt. Man übergoss sie mit Pech, schnitt ihnen Ohren und Schwänze ab, oder warf sie in siedendes Wasser. In Frankreich wurden bis 1604 Katzen lebendig ins Johannisfeuer geworfen, da sie angeblich an diesem Tag dem Teufel huldigen. Glücklicherweise sind diese dunklen Zeiten überwunden und die Katze ist mittlerweile in den meisten westlichen Ländern ein geliebtes Mitglied der Familie.

Gezielte Züchtung erst ab dem 19. Jahrhundert

Die gezielte Züchtung von Katzenrassen setzte erst spät ein. Die meisten der heutigen Rassen entstanden vermutlich im 19. Jahrhundert in Großbritannien, wo der englische Künstler, Tierzeichner und Buchillustrator Harrison Weir (1824–1906) die moderne Katzenzucht begründete. Er organisierte auch 1871 in London die erste Rasseausstellung. Man unterscheidet heute ca. 60 Rassen, wobei nur rund ein Dutzend Gene für Unterschiede in Farbe, Haarlänge/-textur, Schattierungen und Fellschimmer sorgen.

Das Erbgut für die erste DNA-Sequenzierung (Bestimmung der Nukleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül) eines Katzengenoms lieferte 2007 die Abessinierkatze „Cinnamon“ als Vertreterin einer der ältesten Katzenrassen. Damit können Forscher nun rasch die Mutationen für die einzelnen, teils ausgefallenen Fellfarben, Zeichnungen und Haarstrukturen finden. Abgesehen davon unterscheiden sich die einzelnen Rassen genetisch auffallend wenig und die Abweichungen sind nicht größer als etwa beim Menschen die zwischen benachbarten Populationen, also z. B. zwischen Franzosen und Italienern.
Auch sind Katzen längst nicht so verschieden wie Hunde, weder in der Größe noch in der Gestalt oder im Wesen. Katzen waren nie einem solch strengen Selektionsdruck unterworfen wie etwa Hunde, die der Mensch für verschiedene Arbeitszwecke gezüchtet hat (z.B. als Wachhund, für die Jagd oder zum Hüten von Schafherden).

Eigentlich mussten sie immer nur den Menschen einigermaßen ertragen und durften dafür die Mäusepopulation in Haus und Hof in Schach halten. Dennoch fragt man sich zu Recht, ob unsere Hauskatzen überhaupt richtig domestiziert sind? So dulden sie zwar den Menschen – ein wichtiges Kriterium. Trotzdem benehmen sich die meisten von ihnen eher wie Wildkatzen, ganz so, als ginge sie das alles im Grunde nichts an. Auf uns angewiesen sind sie sowieso nicht: ihr Futter können sie selbst besorgen – und auch die Geschlechtspartner. Freuen wir uns also darüber, dass sie unser Leben bereichern und uns aushalten. Dass sie uns mit ihrer Anwesenheit beglücken, wann immer ihnen der Sinn danach steht. Seien wir ehrlich – das macht uns manchmal sprachlos vor Glück und manchmal auch ein bisschen neidisch.

Sandra Sievers, Tierheilpraktikerin

Aber auch die Katze hält sich an ihren Teil des Handels.
Sie tötet Mäuse, und sie ist nett zu Babys,
solange sie nicht zu fest am Schwanz gezogen wird.
Aber danach und zwischendurch und
wenn der Mond aufsteigt und der Abend kommt,
ist sie die Katze, die für sich bleibt,
und ein Ort ist für sie so gut wie der andere.
Dann geht sie hinaus in die weiten wilden Wälder,
hinauf auf die belaubten oder blattlosen Bäume
oder auf die dreckigen dunklen Dächer,
wedelt wild mit dem Schwanz
und wandert weiter auf ihre wilde Weise.


Rudyard Kipling, Die Katze, die für sich blieb
aus "Geschichten für den allerliebsten Liebling" (Just So Stories)

Quellenangaben:

31.05.2018

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