Spermidin

Tor zu einem langen Leben?

Es existiert tatsächlich eine Substanz, die Zellen verjüngt, altersbedingter Demenz entgegenwirkt und den Herzmuskel stärkt. Der Name ist Spermidin. Er leitet sich von der besonders hohen Konzentration dieser Substanz im menschlichen Sperma ab. Chemisch handelt es sich um ein Polyamin, das im Eiweißstoffwechsel aus Aminosäuren entsteht. Polyamine sind biogene Amine, die als Signalstoffe im Körper wirken (Neurotransmitter, Hormone usw.).

Hülsenfrüchte enthalten viel SpermidinSpermidin kommt in allen lebenden Organismen vor, aber auch in einer Vielzahl von Lebensmitteln wie gereiftem Käse, Sojaprodukten oder Hülsenfrüchten findet es sich – und in besonders hohen Konzentrationen – in Weizenkeimen. Bei Spermidin handelt es sich um ein körpereigenes Produkt des Zellstoffwechsels, welches eine zentrale Rolle beim Zellwachstum bzw. bei der Aufrechterhaltung von Zellprozessen spielt.

Wie Versuche an Hefezellen, Würmern und Fruchtfliegen (Drosophila) zeigten, verlängerte Spermidin deren Lebensspanne und stoppte bei den Fruchtfliegen den altersbedingten Gedächtnisschwund. Die Erinnerungsprozesse dieser Tierchen ähneln auf der molekularen Ebene denen des Menschen.

Wie kann eine Substanz so etwas Großartiges leisten?

Spermidin kurbelt Selbstreinigungsprozesse in Gehirnzellen an: Die Zelle verdaut und recycelt auf diesem Weg ihren angesammelten Müll (z. B. verklumpte Proteine, krankheitserregende Eiweißablagerungen) und reinigt sich selbst (Autophagie). Dadurch bleibt die Zelle jung und gesund. Je älter der Organismus jedoch ist, desto langsamer verläuft der Autophagieprozess. Fast allen neurodegenerativen Erkrankungen liegen solche Eiweißablagerungen zugrunde.

Die Zugabe von Spermidin in die Fliegennahrung reduzierte den Zellschrott (Proteinabfälle) in den Fliegenhirnen und erhöhte das Gedächtnisvermögen der Insekten auf jugendliches Leistungsvermögen. Eine kleinere Studie am Menschen unter der Leitung von Prof. Agnes Flöel von der Universität Greifswald ergab eine tendenzielle Verbesserung der Lernfähigkeit und Gedächtnisleistungen nach dreimonatiger Einnahme von Kapseln mit aus Weizenkeimen gewonnenem Spermidin.

Eine Allheilmittelwirkung von Spermidin z. B. bei Demenz und Alzheimer zu schlussfolgern, wäre wohl verfrüht. Hierzu bedarf es weiterer Untersuchungen, insbesondere an menschlichen Probanden. Aber als unterstützende Substanz bei Demenzerkrankungen alternder Hunde, z. B. bei Altersstarrsinn oder Kognitivem Dysfunktionssyndrom (CDS), könnte Spermidin unter Umständen hervorragend geeignet sein. Genauso auch zur Stärkung von Konzentration und Gedächtnisleistung bei alternden Pferden in Sport und Freizeit.

Spermidin als Lebensverlängerer?

Spermidin kann die Autophagie der Zellen aktivieren. Diese Fähigkeit kommt dem Herzen zugute: Die Verjüngung der Zellen macht den Herzmuskel elastisch und verbessert die Blut- und Sauerstoffversorgung des Herzens – und damit des gesamten Körpers. Auf diese Weise können Herzinsuffizienzen verhindert werden – immerhin einer häufigen Todesursache von Hunden und Pferden.

Studien an Mäusen, die Spermidin als Nahrungsergänzung erhielten, brachten folgende Ergebnisse: Spermidin schützt das Herz, da es Bluthochdruck reduziert, die Sauerstoffversorgung der Herzmuskelzellen verbessert und bei alten Mäusen die Diastole reguliert. Es steigert die Aktivität der Mitochondrien (Kraftwerke der Zellen) in den Herzmuskelzellen und erhöht dadurch die Zellatmung und Energieproduktion. Außerdem vermindert bzw. unterdrückt es Entzündungsprozesse im Herzmuskel. Das Highlight: Die Lebensspanne der Versuchsmäuse verlängerte sich nach Supplementierung von Spermidin ins Mäusefutter.

Auch für die Leber ist Spermidin (in hohen Dosen) offenbar eine Wohltat. Versuche – wiederum an Mäusen – zeigten, dass bei den Tieren einer Leberzirrhose und auch Leberkrebs vorgebeugt werden konnte.

Kräftigung des Herzens und ein längeres Leben – Wirkungsweisen des Spermidins, von denen vermutlich auch Tiere profitieren könnten.

Spermidin kann man (noch?) nicht als Jungbrunnen bezeichnen. Dazu wären, wie bereits gesagt, weitere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig. Aber ein Lichtblick hinsichtlich der Therapie altersbedingter Gehirnschwächen/-erkrankungen und Herzinsuffizienzen beim Menschen und Tieren scheint es doch durchaus zu sein.

Dr. Frauke Garbers, Biologin

01.12.2018

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