Eiche

(Botanischer Name: Quercus robur)

Alte Eiche

Eiche - wehrhaft, streitbar und umstritten

Von all unseren heimischen Bäumen gehört die Eiche (Quercus robur und Quercus petrea) zu den imposantesten. Sie wächst 20 – 50 m hoch, trägt weit ausladende knorrige Äste und wird bis zu tausend Jahre alt. 

Stiel-EicheAus den unscheinbar grünen Blüten reifen die Eicheln heran, die in einem Fruchtbecher sitzen. Auffällig sind die fiederlappig gebuchteten Laubblätter. In Deutschland kommen die Stieleiche, Quercus robur, und die Traubeneiche, Quercus petrea, vor. Beide Arten werden gleichermaßen therapeutisch angewandt.

Aus Amerika stammen Rot- und die Sumpfeiche, die mit ihren gezackten Blättern und einer intensiven roten Herbstfärbung hervorstechen.

Für viele Tiere ist die Eiche ein wichtiger Nahrungsbaum. Die abgefallenen frischen Eicheln bleiben erst einmal liegen. Wenn Regen, Nebel oder auch Schnee sie aufgeweicht und entbittert haben, werden sie gerne von Rot- und Schwarzwild, Tauben und Eichhörnchen gefressen.

Volksheilkunde

Alte Pferdezüchter nutzen die Eiche schon immer auf vielfältige Weise, und die Pferde selbst lassen sich durch alle Warnhinweise nicht irritieren. Sie wissen es besser. Pferderegionen, wie Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind für ihre Eichenwälder ebenso bekannt, wie es Trakehnen war mit seinen großen Eichenalleen. Kollabieren da überall die Pferde?

EicheHagers "Handbuch der pharmazeutischen Praxis" beschreibt die Eiche, sowohl Rinde, Samen als auch Blätter, als traditionelle Heilpflanze, es gibt für Eichenrinde sogar die besondere Bezeichnung Quercus cortex ad usum veterinaerum, d. h. Eichenrinde für den Gebrauch in der Tierheilkunde.


Warum so umstritten?

Die Uni Zürich weiß es anscheinend besser. Auf ihrer Website kann man über die Eiche lesen: Alles sei giftig! 

„Toxisches Prinzip: Catechin-Gerbstoffe (Tannine). In der Rinde bis 20 %, in den Blättern und unreifen Früchten bis 15 %. Tannin kann im Verdauungstrakt in Gallussäure und dieses in Pyrogallol umgewandelt werden. Nach der Aufnahme binden Tannine an Nahrungsproteine, Verdauungsenzyme sowie an Proteine der Darmschleimhaut und beeinträchtigen damit die Resorption bzw. Verdauung der Nährstoffe. Außerdem komplexieren sie Eisen und verhindern dessen Aufnahme aus dem Darm, was zu Eisenmangel führen kann. Tannine scheinen aber – im Gegensatz zu ihren Derivaten – nicht resorbiert zu werden. Pyrogallol wirkt hämolysierend, außerdem werden Niere und Leber geschädigt.“ www.vetpharm.uzh.ch

Es ist die nahezu wörtliche Übersetzung des amerikanischen Ursprungstextes. Weil in deutschen Universitäten kaum noch über Pflanzen- und Pflanzenwirkstoffe geforscht wird, übernimmt man unkritisch Forschungsergebnisse aus den USA, die sich aber auf nordamerikanische Eichenarten beziehen und nicht auf unsere einheimischen Arten.

Die amerikanischen Ergebnisse sind nicht grundsätzlich falsch, sie gelten aber nur eingeschränkt für unsere europäischen Eichen. Immerhin findet man im amerikanischen Originaltext doch auch den Zusatz, dass Vergiftungen bei Pferden äußerst selten seien.

Eiche mit unreifen FrüchtenMein ausführliches Bekenntnis zur Eiche ist hier notwendig geworden, weil altes Erfahrungswissen heute durch Halbinformierte und deren gutwillige, aber ahnungslose Helfershelfer in den Diskussionsforen mit missionarischen Eifer die Eiche so diskreditieren, als müssten sie Donars allerletzte Bastionen vernichten und den letzten Heiden bekehren. Nach wie vor wird dabei Blausäure ins Spiel gebracht, die in der Eiche nun gar nicht vorkommt.

Wer heute in Internetforen stöbert oder die Giftpflanzenseiten im Netz durchliest, findet immer wieder die undifferenzierten Hinweise, alles an der Eiche sei giftig.

Eichen auf der Weide?

Wiesen und Weiden haben sich verändert. Wenn im Frühjahr die jungen Gräser sprießen und Pferde gierig das weiche Grün fressen, fehlen ihnen die harten bitteren Gräser und Kräuter, vor allem die Doldengewächse, die die Pferdeweide früher mit ihren verdauungsfördernden Stoffen bereicherten und für eine ausgewogene Verdauung sorgten. Wenn Pferde die Möglichkeit haben, an Eichenknospen, Eichenrinde und das junge Eichenlaub zu gelangen, fressen sie es. Sie kompensieren damit teilweise diese Defizite und fördern die Verdauung von eiweiß- und zuckerreichem Futter.

Im Herbst haben wir ein vergleichbares Bild. Die Gräser produzieren nun verstärkt Fruktane. Diese Zucker wirken wie Frostschutzmittel und schützen die Pflanzenzellen vor der Kälte. Für Pferde werden sie schnell zur gesundheitlichen Katastrophe, insbes. als Ursache von Rehe. Zum Ausgleich fressen sie Eicheln, aber auch Eichenblätter und -Rinde.

Zweifellos ist es für ein hungriges Pferd auf einer abgenagten Weide gefährlich, wenn es außer frisch gefallenen Eicheln nichts anderes mehr findet und sich daran satt frisst. Das gilt genauso bei allen anderen Früchten, z. B. Äpfeln.

Herbstlaub der Roteiche - Quercus rubra

Die amerikanische Roteiche, Quercus rubra, mit ihrer auffallenden Herbstfärbung, ist als Futter ungeeignet.





Inhaltsstoffe

Eichenrinde enthält Eichengerbsäure, Ellagsäure, Gallussäure, Quercin, Quercit, Zucker, Pektin und Stärke. Der Gerbstoffgehalt von 8 – 20 % sinkt mit zunehmender Lagerzeit. Die Eicheln enthalten Quercin, Quercit, Zitronensäure, fettes Öl und insgesamt 30 – 35 % Stärke. In Notzeiten buken unsere Vorfahren Brot aus entbittertem Eichelmehl.

Gerade im Veterinärbereich kann die Eiche eine ganze Menge. Fangen wir mit den so „gefährlichen“ Tanninen an.

Das sind Gerbstoffe, Eichengerbstoffe. Eichenrinde zählt zu den Gerbstoffdrogen, sie wirkt zusammenziehend und – auf Schleimhäute aufgebracht, dosisabhängig – eben gerbend. Gerbstoffe bilden mit Eiweißen der Schleimhäute, aber auch den Schleimhüllen um Viren, Bakterien, Pilzen und Toxinen in neutralen und schwach sauren Lösungen unlösliche und damit unverdauliche Niederschläge, die nun nicht mehr in den Stoffwechsel gelangen können. Sie werden ausgeschieden, ohne den Darm weiter zu belasten. Gleichzeitig kommt es zu einer Schrumpfung und Abdichtung von Perforationen der Darmschleimhaut. Das verhindert das Austreten von Wasser aus dem Körper (Kotwasser) und reduziert bzw. verhindert die Aufnahme toxischer Stoffe. Blutungen werden gestillt.

Wenn Pferde Eichenbäume anknabbern, Laub und Eicheln gierig fressen, ist das kein Grund zur Panik, sondern ein Hinweis auf Verdauungsprobleme.

Anwendung

Wenn man Gerbstoffe in hoher Dosierung und über längere Zeit gibt, reduzieren sie die Aufnahme von Eiweißen aus der Nahrung, was den Stoffwechsel durcheinander bringen kann. Bei stark eiweißlastigem Futter werden sie, richtig dosiert, zu einer notwendigen Therapie. Wie immer gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Die Aufnahme größerer Mengen, also mehr als eine Handvoll, unreifer grüner Eicheln sollte man verhindern und den therapeutischen Einsatz vom naturheilkundlich arbeitenden Tierarzt oder Tierheilpraktiker begleiten lassen.

„Mein Pferd hat Eicheln gefressen und jetzt hat es einen Reheschub“, hört man oft. Das ist fast immer ein Trugschluss. Der Reheschub hat seine Ursache häufig im Eiweiß- und Fruktanüberschuss oder wird durch starke Belastung mit Pilztoxinen, z. B. über schimmliges Heu oder Endophyten in den Gräsern hervorgerufen. Das Pferd frisst Eicheln, um sich vor diesem Schaden zu bewahren.

Lassen Sie Ihre Tiere von den Kräften der Eiche profitieren, und nutzen Sie, was die Natur uns so großzügig schenkt.

Manfred Heßel, Dipl.-Ökologe

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