Die Katze - ein Einzelgänger?

Domestikation und Sozialverhalten

Zusammenfassung


Die Hauskatze nimmt innerhalb der Familie der Katzen - die teilweise auch in Rudeln leben - durch ihren Anschluss an den Menschen eine Sonderstellung ein. Da wir über ihre Lebensbedingungen bestimmen, sollten wir uns auch über ihr Bedüfnis nach Sozialkontakten im Klaren sein, zu Menschen wie zu anderen Katzen. Sind Katzen also wirklich Einzelgänger?

Domestikation und Verhalten


Katzen sind als Haustiere sehr beliebt: Im Vergleich zu anderen Tieren, wie Hunden zum Beispiel, sind Katzen unabhängiger und dennoch uns Menschen so zugetan. Besonders, wenn Katzen das Privileg genießen, Zugang ins Freie zu haben, fühlen wir uns geehrt, wenn sie dann doch häufig zu uns kommen, um zu kuscheln – oder sich ihr Futter abzuholen.

Woher kommt diese Mischung aus Selbständigkeit und Vertrautheit? Dazu sollte man sich zunächst mal in der Verwandtschaft und bei den Ahnen unserer Hauskatzen (Felis silvestris catus) umsehen.

Die Familie der Katzen (Felidae) teilt sich in Großkatzen (Pantherinae) und Kleinkatzen (Felinae), zu der neben den Wildkatzen (Felis) auch Luchse (Lynx) und Pumas (Puma concolor) gehören.

Die wilde Stammform unserer Katzen ist die Wildkatze (Felis silvestris), genauer gesagt die Falbkatze oder afrikanische Wildkatze (Felis silvestris lybica). Diese wurde vor ca. 9000 Jahren im Gebiet des „Fruchtbaren Halbmonds“ zur Ahnherrin unserer Hauskatzen und verbreitete sich von dort aus weiter.

So sehr die diversen Katzenarten sich in ihren äußerlichen Merkmalen von der Körpergröße bis hin zur Morphologie der Krallen unterscheiden, so vielfältig sind auch ihre Sozialstrukturen – und damit das Sozialverhalten – innerhalb der Familie der Katzen. Man denke nur an die großen Löwenrudel oder an einzelgängerischere Vertreter wie die Tiger.

Um also mehr über die Grundlagen des Verhaltens unserer Hauskatzen herauszufinden, müssen wir uns ein bisschen mit der Domestikation, also mit der „Haustierwerdung“, beschäftigen.

Im Zuge der Domestikation verändern sich sowohl Aussehen als auch Verhalten der jeweiligen Tierart. Dies geschieht durch mehr oder minder gezielte Zucht seitens des Menschen (künstliche Auslese).

Doch im Gegensatz zu Pferden oder Kaninchen zum Beispiel, die aktiv vom Menschen gefangen und gezielt hinsichtlich gewisser Merkmale gezüchtet wurden (geringere Fluchtdistanz, Zahmheit, morphologische Veränderungen etc.), ist es sehr wahrscheinlich, dass weniger scheue Wildkatzen die Nähe zu menschlichen Behausungen als Vorteil eigenständig für sich entdeckten.

Ähnlich wie bei Hunden fand also – auch – eine sogenannte Selbst-Domestikation statt: Zunächst nutzten sie den Vorteil, am Rande von menschlichen Siedlungen einfachen Zugang zu Nagetieren zu haben, die die Getreidevorräte bevölkerten. Parallel wurden wahrscheinlich immer wieder vor allem Katzenwelpen gefangen und so mit Menschen sozialisiert. Diese Tiere wiederum blieben noch näher beim Menschen, hielten die Nagetierpopulation noch effektiver niedrig und verpaarten sich mit anderen zahmen Individuen. Dabei lagen – wieder eine Ähnlichkeit zu Hunden – die Vorteile für den Menschen durchaus nicht ausschließlich in der „Ungeziefervertilgung“: Katzen wurden auch als Nahrungsquelle verwendet. Erst danach entwickelten sich Katzen mehr und mehr zu einem Sozialpartner für uns Menschen, die gezielte Rassenzucht setzte ein.

Egal, ob wild neben dem Menschen oder zahm mit dem Menschen, Katzen lebten in unterschiedlich strukturierten Gruppen, je nach Umweltsituation, sind also definitiv keine obligaten Einzelgänger, wie nach wie vor oft behauptet wird. Auch rezente Studien an Streunerpopulationen belegen, dass Katzen unter sich ein Familienleben mit ausgeprägtem Sozialverhalten führen. Da sie für die Nahrungssuche nicht abhängig von Artgenossen sind, rückte dieser Umstand in der bisherigen Betrachtung wohl in den Hintergrund. Schließlich ist jeder (funktionierende) Mehr-Katzen-Haushalt der Beweis dafür, dass Katzen hochsoziale Lebewesen sind, enge Freundschaften eingehen und ohne Sozialpartner zumindest einen wesentlichen Wohlfühlbestandteil nicht erleben können (Ausnahmen bestätigen die Regel!).

Was bedeutet das für das Zusammenleben zwischen Menschen und Katzen?

Katzencharaktere könnten vielfältiger kaum sein: Die Bandbreite reicht von quirlig und verspielt bis hin zu gemütlich und verschmust, mit allen Graustufen dazwischen, selbstverständlich auch abhängig vom Alter.

Wesentlichen Einfluss auf das Verhalten von Katzen Menschen gegenüber hat aber neben genetischen Ursachen die wichtige Sozialisationsphase in den ersten Lebenswochen der Katzenwelpen: Die Erfahrungen, die in diesem Zeitraum gemacht werden, wirken prägend auf das Verhalten. Fehlt hier der (von der Katze positiv empfundene) Kontakt zu Menschen, ist das unter Umständen nicht mehr aufzuholen. Dies kann bedeuten, dass die erwachsene Katze sich ungern hochheben oder streicheln lässt. Wenn eine Katze erst in der Jugendzeit Kontakt zu Menschen erhält, stehen die Chancen auf einen verschmusten Stubentiger schlecht.

Junge Katzen brauchen für die Ausbildung eines adäquaten Sozialverhaltens andere Katzen. Fehlen diese Sozialpartner, so wird die erwachsene Katze tendenziell Verständigungsprobleme mit Artgenossen haben und – wenn die Umstände dementsprechend sind – sich umso enger an den Menschen anschließen. Da die Möglichkeit, mit einem arteigenen Sozialpartner zu interagieren, wesentlich zum Wohlbefinden von Katzen beitragen kann, ist aber von einer Einzelhaltung abzuraten.

Hier gibt es jedoch zwei grundlegende Unterschiede in der Haltungsform: ausschließliche Wohnungshaltung oder die Möglichkeit für die Katze, (je nach Belieben) ins Freie gehen zu können.

Katzen, die in der Wohnung gehalten werden, sind absolut auf die in der Wohnung verfügbaren Ressourcen angewiesen. Fehlt hier der Artgenosse, muss der Mensch als alleiniger Sozialpartner herhalten, was nicht nur ein Zeitfaktor ist: Menschen sind keine Katzen. Volle Berufstätigkeit sollte die Haltung einer Einzelkatze in der Wohnung ausschließen.

Im Gegensatz zu Hunden lernen Wohnungskatzen kaum neue Umwelteindrücke kennen, die Wohnung muss also so „katzenfreundlich“ wie möglich gestaltet werden: erhöhte Liegeplätze, Höhlen aus Karton, Kratz-, Kletter- und Spielmöglichkeiten und Beschäftigung mit einem Artgenossen und/oder Menschen.

Hat die Katze Freigang, sind innerartliche Sozialkontakte meist durch Nachbarskatzen gegeben, die aber nicht unbedingt friedlich ablaufen – vor allem, wenn die Katze seit ihrer Welpenzeit keinen kätzischen Sozialpartner mehr kennt. Zumindest jedoch ist die katzengemäße Beschäftigung gesichert, wenn die Umgebung diesbezüglich Möglichkeiten bietet (Wald, Bäume, Wiesen ...). Ist eine stark befahrene Straße in der Nähe, sollte man vom Freigang absehen, um Unfälle im Vorhinein zu verhindern.

Es ist im Sinne der Tiere, zumindest zwei Katzen aufzunehmen.

Sind die Katzen noch jung, können sie sich so miteinander in Katzenmanier beschäftigen. Wird der Katzenwelpe nämlich von seinen Geschwistern und der Mutter getrennt und zieht in ein Zuhause ohne andere Katzen, sind (aus menschlicher Sicht) unerwünschte Verhaltensweise vorprogrammiert.

Doppelt hält also besser!

Mag. Ursula Aigner, Wien

05.09.2017

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