Humus & Mist Teil 7

Was fressen sie denn? Das Futter macht den Mist

Unsere Kulturgeschichte spiegelt sich im Futter unserer Pferde und das Futter unserer Pferde im Mistdünger. Schließlich kann hinten nichts wirklich anderes herauskommen, als vorne hineinging. Was dazwischen liegt, ist eine Bearbeitung. Kommt dauerhaft hinten etwas anderes heraus, als vorne hineinging, dann kann das für das Tier nicht nachhaltig gesund sein: Es ist aus dem Gleichgewicht, oder es ist sogar eindeutig krank. Es lohnt sich also, einmal genauer hinzuschauen. Nicht nur wegen des wertvollen Düngers, sondern auch wegen der Ernährung. Der eine oder andere wird vielleicht nachdenklich werden, und das wäre gut so.

Gefüttert wurde, was vorhanden war

Unsere Vorfahren mussten oft die Not zur Tugend machen. Das gilt auch für die Fütterung. Noch in der Folgezeit des Zweiten Weltkriegs galten Haflinger und Süddeutsche Kaltblüter aus Oberbayern als besonders zäh, gesund und belastbar. Daher war die Landwirtschaft sehr daran interessiert zu ergründen, was die Ursache für die Leistungsfähigkeit der dort gezogenen Tiere war. Es zeigte sich, dass die Winterfütterung, speziell im Fohlenstall, oft extrem karg war. Mangels Ackerbau in den Pferdezuchtregionen Oberbayerns war Stroh zu teuer. Stattdessen wurden Streuwiesen als Einstreu verwendet. Heu kam vielfach aus unkultivierten Moorflächen und bestand also weniger aus Süßgräsern, sondern überwiegend aus Sauergräsern. Sommerweiden auf den alpinen Almen oberhalb der Baumgrenze haben im Gegensatz zu den hofnahen Talweiden eine Vegetation, die als „arktisch-alpin“ bezeichnet wird, da die arktischen Florenelemente, die wir von Island, den Shetlandinseln und Skandinavien kennen, auch in den Alpen vorhanden sind.

Arktische Vegetation zur Zeit der Mitternachtssonne Anfang Juli (Hochsommer) im Abisko Nationalpark in schwedisch Lappland oberhalb der Baumgrenze.

Ein Blick in die skandinavischen Länder zeigt, dass dort der akute Eiweißmangel im Futter z. B. in Norwegen früher mit Fischmehl behoben wurde, auf Island notfalls mit Salzheringen, eingelegt in Tonnen. Not macht erfinderisch. Außer Fisch gab es nichts. Ob es sinnvoll ist, einen Pflanzenfresser mit Fischen zu ernähren, stand nicht zur Diskussion. Es ging schlicht um das blanke Überleben der für die Landwirtschaft notwendigen Tiere. Wie hart das arktische Leben sein kann, zeigt die Besiedlungsgeschichte der Insel Grönland, deren Bevölkerung mehrfach ausstarb.

In den Dürregebieten des Südens war die Situation eine andere. In den Dehesas Spanies fanden die Pferde im Sommer nur noch verdorrtes Gras und Gestrüpp, weshalb sie, wie bei uns früher die Schafe, auf den abgeernteten Feldern die Unkräuter und Stoppeln abfressen durften.

Teilweise wurde in der Sommerdürre Stroh zugefüttert, Heu war meistens zu teuer. Als Kraftfutter diente Gerste (seltener Hafer), in geringen Mengen eiweißreiche Puffbohnen und Luzerne- bzw. Zullaheu (Süßklee, spanische Esparsette ).
Hengste erhielten Mengen an Gerste vergleichbar der Ration für Rennpferde. Zugpferde, oft mit sichtbarem Kaltbluteinschlag, erhielten in Spanien neben Gerste und Stroh auch etwas Luzerneheu, Karotten, Rüben, Puffbohnen, Erbsen, Johannisbrot, Feigen und andere Früchte. Teilweise wurden auch Eicheln und Edelkastanien an die Pferde verfüttert.


 

Überweidete Hänge in Südost-Andalusien. Weideunkraut: Zwergpalme.

 

In Arabien ließ man Pferde mancherorts niemals grasen. Sie erhielten neben ver- bzw. getrockneten Wüstenpflanzen und Gerste auch Kamelmilch.

Luzerne wurde auch in Deutschland gefüttert und zwar als preisgünstigerer und besserer Ersatz für die Ration „Heu & Hafer“. Luzerne ist also ein Futter für Leistungspferde, zusätzlich zum Stroh. Alle diese Futtermittel landeten schließlich als wertvoller Mistdünger auf dem Feld. Die Erfahrung in Deutschland zeigte: Zwei Fuder Sommerdünger (bei grüner Fütterung gesammelt) kamen in der Wirkung und in der Dauer wenigstens drei Fudern Winterdünger gleich.

Großvieh ist nicht Großvieh

Mist von Pferden wird oft mit Mist allgemein über einen Kamm geschoren. Es gibt da aber Unterschiede. Bei Wiederkäuern, also Rindern, Schafen und Ziegen, kann der Stickstoff-Gehalt im Harn extreme Schwankungen aufweisen, je nach dem, was sie an Futter finden.

Die Ursache für diese Schwankungen ist der sogenannte ruminohepatische Kreislauf (ruminieren: wiederkäuen, hepatisch: die Leber betreffend). Diese Tiere scheiden den Harnstoff, der während des Eiweißabbaus in der Leber anfällt, nicht vollständig über den Harn aus. Stattdessen führen sie ihn teilweise über die Speicheldrüsen und über die Pansenwand zurück in die Vormägen. Das Ziel ist klar: Der Wiederkäuer stellt damit seinen Mikroorganismen im Pansen auch bei eiweißarmer Kost genug Stickstoff zur Eiweißsynthese zur Verfügung.

Ursprüngliche Rinderrassen sind nachweislich über längere Zeiträume proteinautark. Das bedeutet, sie können vorübergehende Notzeiten ganz ohne äußere Eiweißzufuhr unbeschadet überstehen. Man kann diese Rinder monatelang nur mit Stroh ernähren. Der Stickstoffgehalt kann bei reiner Strohfütterung auf 6 g pro kg Harn absinken. Im Gegensatz dazu können Robustrinder bei eiweißreicher Fütterung 16 g Stickstoff pro kg Harn ausscheiden. Aus Beobachtungen an Galloway im Naturschutz wissen wir, dass diese Rinder über Winter bei einer Diät aus überständigem Altgras unbeschadet etwa 100 kg Körpergewicht abnehmen. Galloway gehen sehr fett in den Winter. Eine entsprechend brutale Diät beim Pferd würde leicht zur oft tödlich verlaufenden Hyperlipidämie führen. In der Natur verfolgen Pferde und Rinder sehr unterschiedliche Ernährungs-Strategien (siehe Freilebende Koniks, Teil 6).

Rind ist nicht Rind

Mist für die Felder und Wiesen ist heute allerdings oft Gülle aus Milchviehställen. Wie sieht es hier mit dem Futter und dem Mist aus? Bei der Zucht von Hochleistungs-Milchvieh spielt der ruminohepatische Kreislauf keine Rolle mehr. Die Rinder erhalten Hochleistungsgräser mit extrem hohen Energie- und Eiweißwerten sowie Soja. Interessant sind beim Milchvieh die Wasseraufnahme und die Urinmenge. Bestimmte Futtermittel wie Rübenschnitzel und Rübenblätter erhöhen bei allen Tieren die Urinmenge. Allgemein gilt:

Je eiweiß- und mineralstoffreicher das Futter, desto grösser die ausgeschiedene Harnmenge, desto höher der Wasserbedarf.

So sieht der Kotballen ("Kuhfladen") eines Robustrindes im Winterhalbjahr mit zusätzlicher Strohfütterung bei ganzjähriger Weidehaltung aus - feste Ballen statt Dünnpfiff. (Mutterkuhherde - Schwarzbunt x Rotbunt x Galloway - in konventioneller Haltung auf angesaäten Weidelgrasweiden)

Doch bei der modernen Milchkuh ist noch etwas anderes zu berücksichtigen, wollen wir unseren Pferdemist mit den Ausscheidungen der Kuh vergleichen: Eine Milchkuh benötigt für die Milchproduktion 4 - 5 Liter Wasser pro Liter Milch. Daneben hängt der tägliche Bedarf an Trinkwasser beim Rind von der Außentemperatur und der Nutzung des Viehs (Kalb, Jungvieh, Milchkuh mit unterschiedlich hoher Milchproduktion) ab. Rinder haben deutlich weniger Schweißdrüsen als Pferde, schwitzen also weniger. Sie geben Wasser vorwiegend über die Atmung ab, über die Milch und über den Urin. Rinder scheiden zudem viel Wasser über den (feuchten) Dungfladen aus, der etwas mehr als ein Drittel des aufgenommenen Stickstoffs enthält. Etwas weniger als jeweils ein Drittel landet in der Milch und im Urin.

Pferdeäpfel sind dagegen stickstoffarm. Der Pferdeurin enthält etwa dreimal so viel Stickstoff wie der Dunghaufen des Pferdes. Vielleicht dämmert es den Lesern schon, dass da ein Unterschied besteht zwischen einem Pferd im Offenstall, das auf seiner Weide stallt und dessen Äppel separat abgesammelt werden, einer modernen Milchkuh oder einem Galloway im Naturschutz.

Eine Badewanne voll 

Schauen wir uns einmal die Leistung der modernen Milchkuh genauer an. Während der Spitzenleistung nach dem Kalben kann sie pro Tag bis an die 80 Liter Milch geben. Rechnen wir nun einmal durch. Wenn auch eine solche Hochleistungs-Milchkuh 4 - 5 Liter Trinkwasser pro Liter Milchabgabe trinken muss, dann nimmt sie etwa 80 mal 4,5 Liter gleich 360 Liter Trinkwasser am Tag auf. Da soll noch mal ein Bauer über die Wasserverschwendung der Pferdehalter schimpfen.

Einen Großteil dieser Wassermenge muss die Milchkuh als Urin ausscheiden. Täglich eine Badewanne voll Urin. Das lässt sich nicht vergleichen mit einem Galloway, das bei Altgras-Diät im Winter im Naturschutzgebiet verbleibt, Schnee mangels flüssigem Wasser frisst und vielleicht auch mal am Gewässer uriniert oder einen Fladen fallen lässt. Es lässt sich auch nicht vergleichen mit dem Robustpony im Offenstall, das nur wenige Liter Wasser am Tag trinkt.

Ganz ähnlich verhält es sich bei den Futtermengen, die durch Rinder oder Pferde umgesetzt werden. Um eine Jahresleistung von 7000 Liter Milch pro Jahr zu erzielen, benötigte die durchschnittliche Milchkuh Ende der 1990er Jahre 21 kg (fast ein halber Zentner!) TROCKENfutter am Tag zu je 50 % als Heu und Kraftfutter. Hier ist die Rede von Trockenfutter, also nicht Möhren, Gras oder Rüben, sondern Pellets (Kuhschrot) und Heu. Angestrebt ist die 16.000-Liter-Kuh, also eine mehr als doppelt so hohe Jahresmilchleistung wie um das Jahr 2000. Eine derart hohe Futterration wäre für ein Robustpferd nicht nur im Naturschutzgebiet schlicht tödlich. Was vorne reinkommt, muss hinten raus – allein die Mengen lassen den direkten Vergleich über „Großvieheinheit“ also nicht zu.

Bei einer modernen Hochleistungs-Milchkuh ist also beim Weidegang mit erheblichen punktuellen Nährstoffeinträgen durch Urinieren zu rechnen. Was an Urin und Gülle zu viel für den Boden ist, landet ausgewaschen in den Gewässern. Solche Rinder wären im Naturschutz also mehr als kontraproduktiv. Hieran ist nicht nur das eiweißreiche Futter mit Soja-Importen aus Übersee auf Kosten von Urwäldern schuld, sondern auch eine fragwürdige Zucht auf abstruse Milchleistungen, nicht mehr weit entfernt von der Grenze zur Qualzucht.

Mineraldünger „Zusatzfuttermittel“

Zurück zu unseren Pferden: Sind moderne Pferdehaltungen so viel besser als Milchviehbetriebe? Wir haben gesehen, was Pferde in der Vergangenheit an Futter zur Verfügung hatten. Moderne Luxuspferde werden oft mit Zusatzfutter hier und Spezialfutter da vollgepumpt. Hier was für die Gelenke, da was für die Muskulatur, ach ja, und das Turnierpferd braucht was für die Nerven und gegen den Stress. Alles, was vorne reinkommt, landet im Mist. Und dabei handelt es sich in Pferdehaltungen auch in ganz erheblichen Ausmaßen um künstlich mineralisierte Futter, deren Mineralgehalt sich aufsummiert. Gut gemeint, aber leider oft ungenutzt, schlimmstenfalls gesundheitsschädlich.

Deutlich wird das in dieser Veröffentlichung, auf die Klaus-Rainer Töllner mich aufmerksam gemacht hat: „Spurenelementversorgung von Milchrindern“, Schriftenreihe, Heft 14/2013, Hrsg: Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), ISSN: 1867-2868. Dort lesen wir in der Zusammenfassung:

„Die Analysenergebnisse zur Feststellung der Ausgangssituation wiesen eine deutliche Überversorgung mit Spurenelementen in der Mischration der elf Referenzbetriebe nach. (…) Die vorliegende Studie zeigt, dass die untersuchten Betriebe bei einem sehr hohen Leistungsniveau eine insgesamt bedarfsdeckende Fütterung betreiben. Zwischen den Betrieben, aber auch innerhalb eines jeden einzelnen Betriebes ergeben sich erhebliche Schwankungen der Messwerte sowohl im Futter als auch in denen von den Tieren genommenen Proben. Diese Schwankungen machen eine Beurteilung der Fütterungssituation anhand von Blutproben bzw. von Leberbioptaten sehr unsicher. (…) Besonderes Augenmerk ist der Versorgung mit Eisen zu widmen. Hier wurden in beiden Untersuchungsabschnitten teilweise deutliche Überversorgungen festgestellt. Dadurch zu erwartende negative Interaktionen mit anderen Spurenelementen könnten zu einer Belastung des Stoffwechsels der Tiere bzw. letztlich auch der Umwelt führen. Die Argumentation einer falschen Versorgungsempfehlung lenkt von der Brisanz der Spurenelementversorgung nur ab oder provoziert ein sicherheitsbedingtes Vorhalten von Mikronährstoffen. Es ist sowohl umwelt- als auch tierernährungsseitig kontraproduktiv, an den Empfehlungen zu zweifeln und mit Spurenelementen immer mehr vorzuhalten. Im Unterschied zu den Hauptnährstoffen ist der Anteil an Spurenelementen, welcher im Organismus zurückgehalten wird, sehr gering. Selbst bei Einhaltung der aktuellen Bedarfsempfehlungen werden zum Beispiel bei Milchrindern fast 95 % des Kupfers und des Zinks wieder ausgeschieden. Eine Versorgung über den Bedarf verschlechtert die Gesamtverwertung und steigert zwangsläufig die Ausscheidungsmenge. Die Versorgungsempfehlungen für Spurenelemente sind Richtwerte, welche hauptsächlich auf Dosis-Wirkung-Studien beruhen. Durch die Fähigkeit der Kühe, die Mineralstoffabsorption homöostatisch zu regulieren, wird ein Überschuss an Zink, Kupfer und Mangan in der Futterration durch gezielte Drosselung der Aufnahme abgefangen. Der Überschuss gelangt nicht in den Körper. Er wird ausgeschieden und über die Wirtschaftsdünger wieder ausgebracht. Dem Argument, dass mit steigender Leistung die quantitative Bereitstellung von Spurenelementen wachsen muss, kann entgegnet werden, dass hochleistende Kühe auch mehr fressen. Weil die aktuelle Versorgungsempfehlung von Konzentrationen in der Futtermischung ausgeht, steigt mit steigender Futteraufnahme automatisch auch die Spurenelementaufnahme.

Einzelne Mineralien beeinflussen sich bei der Aufnahme durch das Tier gegenseitig. Zu hohe Gehalte an Kalzium behindern beispielsweise die Aufnahme von Kupfer und von Zink aus dem Futter. Der Pferdeurin zeigt grob an, ob die Kalziumgehalte im Futter akzeptabel sind: Pferdeurin sollte nicht so klar sein wie menschlicher Urin, sondern leicht trüb. Ist Pferdeurin völlig klar, dann fehlt es vermutlich an Kalzium. Ist der Pferdeurin milchig getrübt, dann enthält die Ration vermutlich deutlich zu viel Kalzium. Kupfer und Zink beeinflussen sich ebenfalls gegenseitig negativ.

In Rationsberechnungen oft nicht berücksichtigt sind Mischfutter, denen bereits Mineralvormischungen zugesetzt wurden. Das zu mineralreiche Futter landet bestenfalls ungenutzt im Mist – und als Dünger auf dem Feld.

Dr. Renate Vanselow, Dipl.-Biologin

 

Dieser Artikel ist Bestandteil unserer Serie über Humus & Mist. Lesen Sie hierzu auch

05.09.2017

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