Humus & Mist Teil 6: "Chemie" im Mist II

- aus der Einstreu

Synthetische Gifte in der Einstreu

Als Einstreu wird meistens Stroh verwendet. Bevor das Stroh in den Stall wandert, hat es auf dem Feld gestanden und zumeist Bekanntschaft mit Fungiziden, Herbiziden und Insektiziden sowie mit Halmverkürzern (Wachstumsregulatoren wie Prohexadion, Trinexapac, Chlorcholinchlorid) gemacht. Pflanzenschutzmittel  (Fungizide: Pilzvernichter; Herbizide: Unkrautvernichter; Insektizide: Insektenvernichter) gehören meist zu den Chlorierten Kohlenwasserstoffen, also den CKW.

Glyphosat (Roundup) im Stroh

Glyphosat ist der Wirkstoff des uns allen bekannten Herbizids „Roundup“. Pferdehalter betupfen damit die Blätter von Ampfer-Einzelpflanzen, wenn ihnen das Ausstechen der Pflanzen über den Kopf wächst. Außer zur Unkrautbekämpfung wird Glyphosat zum Abtöten von Pflanzenbeständen genutzt, beispielsweise zur gleichmäßigen Abreifung der Getreideähren etwa fünf Tage vor der Ernte (Sikkation). Kein Regen wäscht das Glyphosat danach vom Stroh, es verbleibt im Erntegut und wandert mit der Einstreu in die Boxen.

Schließlich wird Glyphosat in der pfluglosen Ackerwirtschaft vermehrt eingesetzt. Während der Aussaat kann Glyphosat als Vorauflaufherbizid im Ackerbau gegen oberflächlich keimende Unkräuter verwendet werden. Damit ist für uns Pferdehalter klar: Die Sikkation betrifft die Einstreu in unseren Boxen am stärksten. Was bedeutet das für unsere Tiere und für unseren Mistdünger?

Glyphosat verhält sich in der Umwelt (Umweltverhalten von Glyphosat) äußerst stabil. Sauerstoff und Licht zerstören es nicht nennenswert. Dieses Herbizid lagert aber leicht an Bodenstrukturen an. Der Abbau durch Mikroorganismen kann es komplett in harmlose Verbindungen zerlegen. Für Äcker werden Halbwertzeiten von 14 Tagen angegeben, für Waldökosysteme von 30 bis 60 Tagen. Wir dürfen davon ausgehen, dass im warmen Mist bei optimaler Aktivität der Mikroorganismen ein schneller Abbau erfolgt. Desgleichen dürfen wir für Kompost vermuten. Glyphosat reduziert jedoch die (Mykorrhiza-) Pilzflora im Boden, weshalb im Mist und Kompost auf einen pH-Wert geachtet werden sollte, der so hoch liegt, dass nicht die Säure liebenden Pilze überwiegen, sondern eher die Säure meidenden Mikroorganismen (siehe Teil 5 dieser Serie). Je besser der Abbau im Mist gelingt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, mit dem Mist noch Glyphosatreste auszubringen, die die wertvolle Mykorrhiza-Flora der Böden schädigen.

Da Einstreu von den Pferden auch gefressen wird, sollten wir uns auch mit den möglichen Konsequenzen für die Gesundheit unserer Tiere beschäftigen. Wikipedia bietet einen allgemeinen Überblick über die Aufnahme von Glyphosat in den Körper. Professor Monika Krüger hat für artgerecht-tier konkrete Zweifel an der Unbedenklichkeit von Glyphosat zusammengestellt, insbesondere für das Verhalten von Glyphosat im Verdauungstrakt (siehe Artikel Quo vadis Glyphosat?). Mit der angeblich harmlosen Langzeitwirkung von Glyphosat hat sich u. a. der Norddeutsche Rundfunk auseinandergesetzt. Das Umweltinstitut München e.V. hat unlängst einen Aufruf zu Urinproben gestartet, um die Belastung von Menschen durch Glyphosat zu messen und zu dokumentieren. Zudem hat das Umweltinstitut am 18.11.2015 auf von Monsanto gezielt gefälschte Studien zu Glyphosat hingewiesen.

Halmverkürzer im Getreide

Halmverkürzer sind Substanzen, mit denen Getreide behandelt werden, damit ihr Halm kürzer wächst. Damit wird verhindert, dass das sonst hohe Getreide bei lang anhaltenden Regenperioden oder bei Nässe und Sturm umfällt (lagert) und vergammelt. Die Halmverkürzer machten Schlagzeilen, als sie in Babynahrung auftraten, wo sie nach deutschem Gesetz nicht hineingehören. Vermutlich wurde das Obst für die Babynahrung nicht in Deutschland erzeugt. Andere Länder haben andere Gesetze und andere Zulassungen für Spritzmittel.

Das gilt nicht nur für den Zukauf von Zutaten für Babynahrung, sondern auch für Futtermittel. Mit Halmverkürzer behandelter Weizen nimmt den Wirkstoff auf und verstoffwechselt ihn bald (?) zu ungefährlichen Stoffwechselprodukten (siehe diese wissenschaftliche Veröffentlichung über die Verteilung und der Abbau von Chlormequat in Weizenpflanzen). Über den Halmverkürzer CCC, also Cholrcholinchlorid, auch Chlormequat genannt, schreibt Wikipedia:

„Der Wachstumsregulator ist seit 1967 in Früchten, Korn, Stroh und Mehl nachweisbar und beeinträchtigt möglicherweise die Fruchtbarkeit von Wiederkäuern sowie Pferden oder Kaninchen. Chlormequat gilt als genotoxisch und stört die neuromuskuläre Erregungsleitung, wirkt aber nach bisheriger Forschung nicht karzinogen. Im deutschen Obst- und Gemüseanbau ist er nicht mehr zugelassen, findet aber im Getreideanbau weiter Verwendung.“ (Zitat aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Chlorcholinchlorid#Gesundheit ).

Für das Gerücht, dass Halmverkürzer über den Pferdemist als Dünger die Stiellänge von Schnitt-Rosen beeinträchtigen würden, finden sich keine Belege. Das ist nicht überraschend. Die synthetischen Wirkstoffe werden zunächst in der Getreidepflanze und dann im Mist verdünnt. Im Mist finden sich durch warme Temperaturen mit hoher Aktivität der Mikroorganismen (ideal 22 °C) und ausreichender Luftzufuhr gute Abbaubedingungen für viele Wirkstoffe. Entsprechendes gilt für die oberen Bereiche von Böden (Oberboden). Im Mist-Kompost können synthetische Wirkstoffe, die nicht von Mikroorganismen zerlegt werden, zudem an Ton-Humus-Komplexe gebunden und so unschädlich gemacht werden.

Pflanzenschutzmittel und Stroh

Das „Handbuch des Bodenschutzes“ (Verlag ecomed, erste Auflage 1990; Besprechung der 4ten Auflage von 2010) gibt uns einen kurzen statistischen Überblick über die in der Landwirtschaft verwendeten Präparate. Demnach waren im Jahr 1981 45.000 Pflanzenschutzmittel weltweit bekannt, davon im damaligen West-Deutschland (BRD) 1.819 zugelassen. Diese zugelassenen Präparate verwendeten etwa 300 Wirkstoffe in unterschiedlichen Kombinationen. 84% aller Pflanzenschutzmittel galten als nicht giftig. Für besonders wichtige Wirkstoffe gibt das Handbuch die bekannten Eigenschaften in Böden und Umwelt an.

Moderne, heute zugelassene Wirkstoffe sind erprobt, überprüft und garantiert sicher – zumindest so lange, bis das Gegenteil bewiesen ist. Was wohl in 30 Jahren über die Stoffe geschrieben werden wird, die heute angepriesen werden? Das Verhalten einiger alter, längst verbotener Pflanzenschutzmittel in Böden und Umwelt ist dagegen inzwischen bekannt. Sie können uns als Beispiele dienen, womit man bei Wirkstoffen auch in Mist immer rechnen sollte. In den 80er Jahren in aller Munde, heute unter den jüngeren Mitbürgern kaum noch bekannt, sind die Gifte DDT und E605.

Gestern noch "sicher", heute verboten ...E605 wird vom internationalen Pestizid-Netzwerk (PAN) als das gefährlichste Pestizid der Welt bezeichnet. Sein Abbau in der Umwelt erfolgt rasch, allerdings sind einige Abbauprodukte noch giftiger. In Trinkwasser und Nahrungsmitteln finden sich Rückstände des Giftes. E605 ist ein fettlösliches Gift, das gut über die Haut aufgenommen wird (Kontaktgift). Es tötet Nützlinge wie Bienen genauso gründlich wie Schädlinge (Milben, Insekten). Es kam zu zahlreichen tödlichen Vergiftungen von Menschen. Bis 2002 war es als Pestizid in Deutschland ganz normal zugelassen. Heute ist es in vielen Ländern verboten, wird in Deutschland nach Untersuchungen von greenpeace aber teilweise illegal gehandelt.

DDT, noch in den 80er Jahren etwa in der ehemaligen DDR großflächig zur Bekämpfung des Borkenkäfers eingesetzt, wurde in der Milch junger Mütter festgestellt. Teilweise lagen die Giftgehalte in der Frauenmilch so hoch, dass die Gesundheit des Säuglings gefährdet war und vom Stillen abgeraten wurde. Die Milchproduktion stellt insbesondere für fettlösliche Gifte im Fettgewebe eine Entgiftung für die Mutter dar – für den besonders empfindlichen Säugling eine geballte Ladung Gift. Menschen (und Tiere) mit hohen derartigen Giftgehalten im Fettgewebe dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht abnehmen, sollen sie keine Selbstvergiftung erleiden. Das gilt für Betroffene auch heute noch.

Ein anderes heute in Deutschland verbotenes Herbizid ist Atrazin. Dieses Gift zeigt uns ein völlig anderes Langzeit-Verhalten in Organismen und der Umwelt auf:

„Untersuchungen von Hayes und anderen Autoren zufolge steht Atrazin aber nicht nur im Verdacht, die Testosteron-Produktion zu senken, sondern auch die Östrogen-Produktion zu stimulieren und damit die Entwicklung von Brustkrebs beim Menschen zu begünstigen. (…) Da Atrazin und sein Hauptabbauprodukt Desethylatrazin auch ins Grundwasser gelangen und damit dann auch im Trinkwasser nachgewiesen werden können, ist die Anwendung von Atrazin seit 1. März 1991 in Deutschland und seit 1995 in Österreich verboten. Es ist jedoch trotzdem noch immer in der Umwelt weit verbreitet; nach dem Elbhochwasser 2002 beispielsweise wurde es ausgeschwemmt und konnte später vor Helgoland vermehrt nachgewiesen werden, so in Miesmuscheln und den Lebern von Flundern.“ (Zitat aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Atrazin)

Der aktuelle Pestizid-Brief des PAN zeigt, dass in Kleingewässern inzwischen die Pestizid-Vielfalt größer ist als die Artenvielfalt. Was auf Getreide und also auch das Stroh gespritzt wurde, findet sich vor allem in Tümpeln, Bächen und Teichen wieder. Das Stroh mag freßbar, der Mist daraus als Dünger geeignet sein, die Naturtränke auf der Weide ist dagegen möglicherweise heute nicht mehr sehr gesund.

Dr. Renate Vanselow, Biologin


Dieser Artikel ist Bestandteil unserer Serie über Humus & Mist. Lesen Sie hierzu auch

05.09.2017

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