Humus & Mist Teil 5

Die Einstreu macht den Mist!

Das "Gold der Bauern"

Die landwirtschaftliche Kulturgeschichte spiegelt sich drastisch in den als Einstreu verwendeten Materialien. Zwar interessiert uns vornehmlich, wie gut die Einstreu als Unterlage für unsere Pferde geeignet ist und wie sie sich bei der Reifung des Mistes verhält. Wir sollten uns dennoch die Verwendung von Einstreuarten in der Vergangenheit ansehen, um unser heutiges Handeln objektiv beurteilen und gegebenenfalls hinterfragen zu können. Schon die Beschäftigung mit Mist als Humusdünger zeigt ja, dass uns nicht nur unser Pferd interessiert, sondern dass wir bereit sind, unser Pferd als Teil eines großen Zusammenhangs zu verstehen – und entsprechend unser Handeln im Sinne aller Beteiligten, vom Mistproduzenten über den Zersetzer bis hin zur Futterpflanze, einzupassen.

Früher war der Mist das Gold der Bauern: Extrem wertvoll, gehegt, gepflegt. Der Mist war nicht etwa für das Grasland bestimmt! Der wertvolle Dünger war den Äckern für die menschliche Ernährung vorbehalten. Als mehr Nahrung für eine wachsende Bevölkerung produziert werden musste, holte man in den Ackerbauregionen mit den guten Böden das frei laufende Vieh möglichst ganzjährig aus der Landschaft in die Ställe, um mehr Mist zur Verfügung zu haben. Darunter litt allerdings die Gesundheit der Tiere. Bestrebungen, das Vieh wieder aus den Ställen hinauszubringen, gab es daher schon vor hundert Jahren.

Dagegen waren die Grünlandregionen mit ihren weniger guten Böden oder ungeeigneten Wasserständen (zu nass, zu trocken für Ackerbau) wenigstens über Sommer beweidet. Hier, in den Regionen mit wenig Ackerbau, aber viel Grünland, fehlte es im Winter an Einstreu (siehe auch Streuwiese). Der Transport von weit her war zu teuer. Die Getreide waren früher sehr hochwüchsig. Das entsprach nicht nur der ursprünglichen Wuchsform der Wildgräser, aus denen sie hervor gegangen waren, es war auch eine Notwendigkeit für die Gewinnung wertvoller Einstreu. Gutes Futterstroh hatte daher früher ganz andere Eigenschaften als heute, wo Getreide kurzhalmig gezüchtet und gespritzt werden ( siehe z. B. Prohexadion und Trinexapac), um unnötige „Biomasse“ zu vermeiden. Die Not machte die Viehhalter, wie wir sehen werden, in der Vergangenheit erfinderisch.

Einstreu in der Vergangenheit

Da einige der im Folgenden aufgelisteten Einstreumaterialien giftig sind, möchte ich darauf hinweisen, dass man das Vieh früher oft aus Platzmangel und um Einstreu zu sparen in Anbindehaltung (Ständer) aufgestallt hat. Vorne wurde das Futter vorgelegt, von hinten wurde ausgemistet. Die Tiere konnten kaum Einstreu als Futter aufnehmen. Das erklärt die Verwendung auch von giftigen Pflanzen.

Was also diente den Tieren außer Stroh als Lager und landete später auf dem Mist? Ehrlich gesagt: So ziemlich alles, was vorhanden war. Die Heide auf armen (Sand-) Böden wurde mit der Humusschicht abgeplaggt (Plaggen, Plaggendüngung) und vor dem Stall als Einstreu-Vorrat für den Winter gestapelt. Das Kraut der Ackerfrüchte wurde nach der Ernte als Einstreu genutzt (Kartoffelkraut, Bohnenstreu, Erbsenstreu). Dabei war das Kartoffelkraut mit Abstand die mineralreichste Einstreu mit hohen Gehalten an Stickstoff, Phosphor, Kalium und Kalzium. In den Wäldern wurde die Laub- und Nadelstreuschicht als Einstreu gesammelt – mit fatalen Folgen für die Wälder und die Forstwirtschaft. Das geschnittene Pflanzenmaterial aus Röhrichten, Röhrichtpflanzen und Großseggenriedern wurde als Riedstreu genutzt, insbesondere Schilf, Seggen und Binsen. Binsen fallen durch einen sehr hohen Kaliumgehalt ähnlich dem von Seegras auf. Binsen enthalten zudem Kalzium und Phosphor, jedoch kaum Stickstoff. Schilf und Seggen (Sauergräser) enthalten viel Kieselsäure und sind allgemein mineralreich. An den Mineralreichtum von Seegras und Seetang (siehe unten) reichen sie aber keineswegs heran.

Die als Einstreu genutzten Streuewiesen der (Mittel-) Gebirge enthielten oft große Mengen an Giftpflanzen wie Adlerfarn. In Wintern mit Heuknappheit konnte es zu Vergiftungen durch diese Einstreu kommen. Auch Schachtelhalme wie der giftige Duwock wurden als Einstreu verwendet. Tiere, die Duwock kannten, rührten ihn weder frisch noch getrocknet an. Moos wurde getrocknet und als Streu verwendet. Torf (Rohhumus aus Torfmoosen) als Einstreu ergab einen besonders wertvollen Mist – heute ist die Verwendung von Torf nicht mehr vertretbar (Moorschutz, Klimaschutz, insbesondere Schutz von Permafrostböden).

In Forstgebieten fielen Sägemehl und Holzspäne unterschiedlicher Baumarten an, die als Einstreu Verwendung fanden. Niederwälder, Kratts und Schneitelbestände bezeichnen eine Gehölznutzung, die durch ständigen Schnitt entstand. Dabei war die Gewinnung von Gerbsäuren zur Gerbung, Brennmaterial, Futter und Einstreu von besonderem Interesse. Der Anbau von Faserpflanzen erbrachte dagegen Einstreumaterialien aus Flachs (Lein) und Hanf. An den Küsten wurde das Seegras (keine Grünalge, sondern eine Blütenpflanze!) nicht nur zur Polsterung der Bettmatratze eingesetzt, sondern auch als Matratzenstreu für das Vieh. Die Verwendung von Seetang (Braunalgen, seltener werden Rotalgen, Grünalgen oder sogar Cyanobakterien als Seetang bezeichnet) war entsprechend. Blasentang (Braunalgen) wird auch heute noch als Dünger und an Mikronährstoffen reiches Tierfutter verwendet. Nach Stürmen finden sich oft hohe Spülsäume aus Blasentang an den Stränden – diese können leicht eingesammelt werden. Sogar Unkraut wurde eingestreut.

Einstreumaterialien heute

Nach wie vor die übliche Einstreu in der Pferdehaltung ist Stroh von Getreide, neuerdings auch in Form von Pellets. Sägemehl wird heute seltener verwendet. Stattdessen hat sich eine ganze Industrie für Späne unterschiedlichster Größen und Eigenschaften entwickelt.

Im Mist verrotten feine Späne von Weichhölzern am besten. Reitböden verlangen dagegen größere und weniger leicht zersetzbare Holzspäne, vermischt mit rutschfestem Sand. Hanf und Lein gibt es als saugfähige Einstreu noch immer. Neu im Sortiment ist dagegen das Rapsstroh. Torf ist als Einstreu fast nicht mehr zu finden. Die vielen alternativen Notlösungen unserer Vorfahren sind zu Recht weitgehend vergessen. Viele der Materialien sind heute ökologisch nicht mehr vertretbar (Torf, Waldstreu), ökonomisch wegen des hohen Arbeitsaufwands nicht finanzierbar und abgesehen davon als Einstreu oft minderwertig, da wenig saugfähig (Reisig, Ried), schwer zersetzlich (Hartholz, Nadelstreu) oder sogar giftig (Kartoffelkraut, Leguminosenstroh, Adlerfarn, Duwock).

Verhalten der Einstreu im  Mist

Strohpellets wandern mit Pferdeäppeln und Harn vermengt auf den Mist. Die Pellets zerfallen schon in der Box zu Bröselkram. Das Material ist kleiner zerschnitten als Strohhäcksel und bietet damit Mikroorganismen eine ideale Angriffsfläche. Die Beimpfung mit den Zersetzern geschieht durch die Äppel. Der Harn bringt den bei den Mikroorganismen begehrten Stickstoff in das Substrat. Mist aus nicht zu trockenen Strohpellets rottet und kompostiert daher besonders schnell.

Mist aus nicht zu groben Weichholzspänen kann in gleicher Menge dem Haufen zugeführt werden wie Strohmist, ohne die Rotte oder die Misteigenschaften als Dünger ungünstig zu beeinflussen. Selbstverständlich sollte der Strohmist, in den die Hobelspäne eingearbeitet werden, aus mehr als nur Stroh bestehen, und der ganze Haufen darf nicht zu trocken und zu locker sein. Ansonsten sollte man den Mist aus Holzspänen besser mit Erde zusammen kompostieren. Die Kompostierung liefert den besseren Dünger.

Rapsstroh verrottet oft schon in der Box. Die Saugfähigkeit des Materials ist nicht besonders gut und es neigt zur Verpilzung. Rapsstroh kann sowohl auf den Misthaufen als auch in den Kompost.

Hanf und Lein als Einstreu haben nicht nur eine hervorragende Saugfähigkeit, sie verrotten auch im Mist und Kompost völlig problemlos. Da sie auch im Darm sehr stark quellen, dürfen sie nicht von den Tieren gefressen werden. Der Darm kann größere Mengen nicht mehr weitertransportieren, es kann zu tödlichen Koliken kommen.

Ställe mit sehr trockenem Mist mit hohem Strohanteil (wenig Äppel/Harn) fahren besser, diesen Mist wie Mehrungsmist (siehe Humus & Mist Teil 3) zu behandeln. Dazu wird das kaum verdreckte, lockere Stroh in der stickstoffhaltigen Jauche über Nacht eingeweicht und dann unter den Haufen gemischt. Zu trockene Misthaufen befeuchtet man dagegen besser mit Wasser, um keinen Stickstoff in Form von Ammoniak aus der Jauche zu verlieren. Bei der Durchmischung des eingeweichten Strohs mit dem Mist sollte das neue Material nicht mehr Volumen haben als das bereits gerottete oder mit Äppeln und Harn gut durchsetzte Material. Dünger aus Stroh enthält allgemein weniger Phosphor als normaler Stallmist.

Indikator für den Düngerwert: Das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis

„Das C/N-Verhältnis beschreibt die Gewichtsanteile von Kohlenstoff (C) und Stickstoff (N) zum Beispiel von Pflanzenteilen oder Böden, und ist ein gängiger Indikator der Stickstoffverfügbarkeit für Pflanzen und Mikroorganismen.“ (Zitat aus: https://de.wikipedia.org/wiki/C/N-Verh%C3%A4ltnis )

Strohreiche Stalldünger sind allgemein in der Landwirtschaft wenig beliebt. Sie weisen ein ungünstiges C/N- Verhältnis auf, was die Zersetzung behindert. Mit dem Miststreuer sind diese losen „Strohhaufen“ schwer auszubringen. Die Einarbeitung auf dem Acker bereitet Probleme, da sich das Material dem Pflug widersetzt und vor dem Pflug aufstaut. Eine innige Verbindung mit dem Oberboden ist aber notwendig, damit dieses Material zu Humus kompostiert.

Die Wirkung von Dünger auf Pflanzen und Kleinlebewesen hängt weitgehend vom C/N-Verhältnis ab. Zudem spielen Witterung und Bodenverhältnisse eine große Bedeutung.

  • Sauberes Stroh hat C/N-Verhältnisse zwischen 80 und 100 : 1. Das Verhältnis wird durch den Eintrag von Dung und Harn sowie durch die Mistreifung enger.
  • Einstreuarmer Mist hat etwa ein C/N-Verhältnis von 20 : 1. Durch die Rotte wird das Verhältnis noch enger (etwa 18 : 1).
  • Einstreureiche Strohmiste zeigen eher ein C/N-Verhältnis von 26 : 1 (nach der Rotte etwa 21 : 1).
  • Als „sehr eng“ bezeichnet man C/N-Verhältnisse von weniger als 15 : 1.
  • Als „eng“ gelten 15 bis 22 : 1. Hier, in diesem Bereich, liegt die überwiegende Menge reifer, hofeigener Wirtschaftsdünger. Daher bezeichnet man als „unterdurchschnittlich“ C/N-Verhältnisse von 23 bis 30 : 1.
  • Ein „weites“ C/N-Verhältnis liegt zwischen 31 und 38 : 1. Etwa ein Viertel aller einstreureicher Miste, die noch nicht gereift sind, kann im Bereich „weit“ gefunden werden.
  • Alles, was oberhalb von C/N = 38:1 liegt, wird als „sehr weit“ bezeichnet.

Bei der Reifung im Mist sind Abbau und Verlust von Kohlenstoff höher als beim Stickstoff. Dadurch wird bei der Rotte das Verhältnis enger. Sehr enge C/N-Verhältnisse können entstehen, wenn sparsam eingestreut und obendrein zu eiweißreich gefüttert, sprich Eiweißverschwendung betrieben wird. Tatsächlich steigt bei Milchkühen die Milchleistung, wenn in einem solchen Falle mehr Stärke gefüttert wird. Die Kühe können das Eiweiß aus dem Futter dann besser verwerten. Übertragen auf eine Reitpferdehaltung ließe ein solch enges Verhältnis vermuten, dass hohe Eiweißrationen für den Muskelaufbau kombiniert mit Geiz an Einstreu vorliegen.

Diese Kombination ist in der Pferdehaltung aber extrem unwahrscheinlich: Entweder liegt Geiz vor, dann wird aber auch an teurem Futter gespart. Oder es wird reichlich gegeben – dann schwimmen die Pferde aber auch im Stroh.

Ein enges C/N-Verhältnis fördert die Aktivität von Mikroorganismen. Die Zersetzung läuft schnell ab, die in der Landwirtschaft erwünschte Düngerwirkung ist hoch. Diese Eigenschaften bringt der sogenannte Nährhumus mit. Was den landwirtschaftlichen Böden fehlt, ist aber der schwer zersetzliche Dauerhumus mit seiner lang anhaltenden Wirkung. Zudem fürchten viele Pferdehalter die deutlich sichtbare Wirkung von Nährhumus auf das Wachstum der Pflanzen. Was für den Landwirt erstrebenswert ist (deutlich gesteigertes Pflanzenwachstum), kann beim Pferdehalter die berechtigte Angst vor Wohlstandserkrankungen der Pferde auslösen.

Zudem verwerten Kompostwürmer gerne Stroh, werden jedoch von scharfem, nicht abgelagertem Mist (wenigstens zwei Monate) vergrault. Frischer Tiefstallmist mit engem C/N-Verhältnis pusht zwar die Pflanzen, lässt aber die Würmer das Weite suchen. Diese Kost ist nicht nach ihren Bedürfnissen. Stattdessen beißen sie lieber an Weichholzspänen an, wenn sie mit Dung garniert und mit Erde vermengt wurden.

Oft heißt es, Wurmkompost sei mit wenig Einstreu anzusetzen, Bakterienkompost dagegen mit viel Stroh. Diese Aussage ist zu wenig differenziert. Ob Wurm, Bakterium oder Pilz sich wohl fühlt, hängt vom C/N-Verhältnis, aber auch von der Feuchtigkeit, der Temperatur, der Belüftung und dem pH-Wert ab. Pilze lieben es etwas säuerlich, Bakterien bevorzugen höhere pH-Werte. Je nachdem, wen man anlocken und halten will, muss das Substrat also entsprechend angerichtet werden.

Einstreumengen früher und heute

Es ist nicht möglich, sich den Einfluss von Einstreu auf den Mist anzuschauen, ohne einen Blick auf die verwendeten Einstreumengen zu werfen. Heute sind Einstreumengen von 14 kg Stroh pro Tag möglich und üblich. Pferde sind heute Luxustiere, vorwiegend für den Reitsport.

Früher wurden Pferde hauptsächlich als Arbeitspferde für den schweren Zug gebraucht (Pflug, Nutzlasten, Holzrücken). Droschkenpferde und Arbeitspferde arbeiteten oft acht Stunden pro Tag, waren in der Zeit also weder im Stall noch auf der Weide. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Einstreumengen von 2-3 kg Stroh pro Großtier und Tag normal. Um 20% Einstreu einzusparen, wurde die Saugfähigkeit des Strohs durch Häckseln erhöht.

Mitte des 20. Jahrhunderts variierten die Einstreumengen bei Pferden und Rindern je nach Region (stroharme Grünlandstandorte ohne Ackerbau bis reine Ackerbaugebiete ohne Weidehaltung) zwischen 1,5 und 12 kg Stroh pro Großtier und Tag. Wo damals an Stroh nicht heranzukommen war, wurden auch noch Torf, Sägemehl, Ried- und Schneitelstreu genutzt.

Aus der Sicht unserer Vorfahren „schwimmen“ unsere Pferde also im Stroh. Das mag heutigen Pferdehaltern das fassungslose Kopfschütteln mancher alter Bauern erklären, die noch erlebt haben, was Hunger und Not bedeuten – ganz abgesehen von den Kosten für die Einstreu und die Entsorgung des Mistes mancherorts. Im Sinne eines guten Düngers sollten Pferdehalter die Mengen an eingesetzter Einstreu und die Lagerung des Mistes im Blick behalten.

Dr. Renate Vanselow, Biologin


Dieser Artikel ist Bestandteil unserer Serie über Humus & Mist. Lesen Sie hierzu auch

05.09.2017

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