Parasitismus

Ich hab' Hunger ...

Parasitismus – anders als gedacht: Wie selbstbestimmt sind wir?

Wem gerade nach einer Leckerei ist – wer hat da eigentlich Hunger auf was? Hat ein Mensch Hunger auf Süßkram, oder gelüstet es gerade vielen Organismen im Darm nach leicht verdaulichen Kohlenhydraten, die ihr automobiler Fermenter, den sie sich leisten, bitteschön jetzt in der richtigen Dosis nachfüllen soll? Möchten Sie das Schokoei jetzt wirklich essen oder werden Sie geschickt dazu gebracht? Sie können das Schokoei auch liegen lassen, niemand zwingt Sie – oder doch?

Die Organismen in unserem Darm sind überwiegend Symbionten. Der Übergang von Symbiose zu Parasitismus ist jedoch fließend, wie wir sehen werden.

Wurmparasiten als Fruchtbarkeitsmittel?

Wie vielfältig die uralten Beziehungen zwischen Wurmparasiten und ihren Wirtsorganismen, den Säugetieren, sind, hat die artgerecht bereits in mehreren Artikeln (z. B. Hier ist der Wurm drin) deutlich gemacht.

Kurz vor Weihnachten veröffentlichte DocCheck News unter dem Titel „Schwangerschaft: Rentenbescheid für den Klapperstorch?“ nun neue Erkenntnisse über den Zusammenhang einiger Wurmparasiten des Menschen mit der Fruchtbarkeit von Frauen. Demnach lösen Darmwürmer unterschiedliche Immunreaktionen aus.

Hakenwürmer verursachen Entzündungsreaktionen, was die Fruchtbarkeit senken kann. Spulwürmer lösen dagegen eine Abschwächung der Immunreaktion über bestimmte Lymphozyten (T-Helferzellen) aus, was dazu führen kann, dass befruchtete Eizellen sich leichter in der Gebärmutter einnisten können. Sind Darmwürmer also Verhütungs- oder gar Fruchtbarkeitsmittel? Zeigen sie neue Wege zur Behandlung von Unfruchtbarkeit auf? Könnten Spulwürmer eines Tages den Klapperstorch als Baby-Bringer ablösen?

Die Kommentare zu diesem Artikel der DocCheck News bewegen sich von „Seid fruchtbar und mehret Euch“ als Altersabsicherung bis hin zu Hunger und Tod durch Überbevölkerung. Als Biologin erinnern mich die Kommentare an einen alten Witz:

„Herr Ober, in meiner Suppe ist eine Fliege!“

Wir sind wie Gäste in einem Restaurant. Der Schöpfer ist wie ein Restaurantbetreiber, der die gesamte Evolution im Blick hat, nicht nur Suppe, Fliege und Gäste. Die Fliege, die nun einmal auch zum Ganzen dazugehört, wird in der Suppe als eklig und störend wahrgenommen. Aber man bedenke: Nicht nur Eskimos essen Fliegenmaden als wichtige Nahrungsergänzung. Ein Ökosystem hat auf alles Antworten. 

Was meinen Sie, was der Ober dem angewiderten Restaurantbesucher antworten wird? Nun, wir werden es am Ende dieses Textes sehen …

Vom Parasitismus zur Symbiose – der weite Weg zur komplexen Balance

Die Wechselbeziehungen zwischen Organismen sind extrem vielfältig und komplex. Keineswegs sind sie nur auf einer Ebene (zweidimensional) und in eine Richtung (linear) zu denken. Die unerwarteten Zusammenhänge zeigen sich dem Betrachter nicht gleich.

Jeder Symbiose geht ein Parasitismus voraus. Der dazwischen liegende Zeitraum ist unvorstellbar lang. Als sich beispielsweise vor etwa 135 Millionen Jahrenkurz vor dem Verschwinden der Dinosaurier bedecktsamige Pflanzen (Samenanlage schützend verpackt in Fruchtblättern) auf unserem Planeten vermehrt ausbreiteten, wäre bei ihrem Anblick wohl kaum jemand auf die Idee gekommen, Insekten könnten Blüten bestäuben. Damals fraßen Urinsekten die schmackhaften Pflanzenteile, die herzlich wenig von dem an sich hatten, was wir als „Blüte“ bezeichnen würden, schlichtweg auf. Die Insekten waren Parasiten. In der mittleren Kreidezeit vor 80 Millionen Jahren verdrängten die bedecktsamigen Pflanzen zunehmend die Baumfarne, Gingkobäume, Palmfarne und andere Urgewächse. Der Weg zur Blüte als lockender Schauapparat, Insekten-Landeplatz und farbige Gebrauchsanleitung für den Umgang mit den angebotenen Geschenken (Nektar, Pollen) im Austausch für die Dienstleistung der Pollenübertragung war frei. Aus Parasitismus entwickelte sich ganz langsam die erfolgreiche und unglaublich vielfältige Symbiose, die wir kennen.

Selektion durch Parasitismus

Evolution kann mit einer Formulierung von Wilhelm Busch anschaulich beschrieben werden: „Gott zieht an einer Hand, der Teufel an beiden Beinen.“ Machen wir uns nichts vor – unter Extrembelastungen sind Parasiten gnadenlose Selektoren, die über Tod und Leben entscheiden. Ein paar Beispiele:

Räudemilben im Ersten Weltkrieg


Im ersten Weltkrieg (1914-1918) wurden auf Befehl des Kaisers etwa 1.236.000 Pferde an den vier deutschen Fronten eingesetzt. Die Statistik an Krankenzugängen der Kriegspferde wurde angeführt von der Räude (Milbenbefall) mit 827.740 Pferden, gefolgt von Erschöpfung (558.540 Pferde). Schusswunden (405.101 Pferde) standen nach Druckstellen (445.690 Pferde) und Koliken (417.980 Pferde) erst an fünfter Stelle der Erkrankungen!

Die statistischen Verluste durch Tod, Tötung oder Ausrangierung wurden wiederum angeführt durch Räude und Erschöpfung (zusammen 19,7% aller Verluste). Durch Schusswunden fielen an zweiter Stelle 15,1% der Pferde endgültig aus. Es gibt also keinen Grund, Parasiten – hier die Räudemilben – zu verharmlosen. Das einzige den Soldaten immer zugängliche Mittel gegen die Milben war das Waffenöl für die Gewehre, das die Milben durch Ersticken abtötete.

„Der erste nachgewiesene Erreger einer Tierseuche war 1834 die Krätzmilbe, der Erreger der Räude. Die Räude der Pferde war im 18. Jahrhundert eine bedeutende Tierseuche, ihr wird sogar ein Einfluss auf den Ausgang des Siebenjährigen Krieges zugesprochen ... Im Ersten Weltkrieg mussten wegen der grassierenden Räude 1916 ganze Regimenter von der Front zurückgezogen werden.“ (Zitat aus Wikipedia)

Malaria und genetische Mutationen beim Menschen


Malaria (Sumpffieber) ist eine gefürchtete Tropenkrankheit, nicht nur in Afrika. Sie wird von einem parasitären Einzeller aus der Gattung Plasmodium im Blut ausgelöst. Eine ganze Reihe von – eigentlich nachteiligen – Mutationen des menschlichen Erbgutes schützen manche Menschen vor dieser schweren Seuche. Besonders bekannt ist die genetisch bedingte Sichelzellenanämie, bei der die roten Blutkörperchen statt der üblichen Form eine Sichelform zeigen – und für diese Parasiten unpassend sind. Damit selektieren die Malaria-Erreger menschliche Populationen auf bestimmte (eigentlich ungünstige) Erbgutmuster.

Zur weiteren Verwandtschaft der Malaria-Erreger gehören übrigens auch die Piroplasmosen, unter denen die Babesien und die Theilerien das „Blutharnen der Rinder“ und der Pferde (seltener der Menschen) auch an deutschen Küsten und Flüssen auslösen. Überträger der einzelligen Parasiten sind Zecken von Zugvögeln, die herabfallen und an Wühlmäusen und anderen Säugetieren saugen. Das periodisch etwa einmal im Monat auftretende „Blutharnen der Rinder“ war immerhin in der Vergangenheit so weit verbreitet, dass das Gesundheitsamt der Landwirtschaftskammer in Züllichow bei Stettin (ehemals Provinz Pommern, heute heißt Stettin Szczecin und liegt in Polen) bereits im Jahr 1909 (!) einen Impfstoff gegen die Erreger für die Tierärzte bereit hielt. Die Impfung war nur erfolgreich, wenn sie vor der Infektion durchgeführt wurde. Heute, einhundert Jahre später, ist diese Tierseuche in Nordeuropa weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl keineswegs überwunden. Ob die Erreger, die das Blutharnen der Weidetiere auslösen, wohl eine ähnliche Selektion auf das Erbgut ihrer Wirtstiere ausüben wie die Malaria-Erreger beim Menschen?

Vieldimensional vernetzte Pilze in Wirtsgräsern

Besonders intensiv erforscht und dadurch in ihrer Vernetzung besonders gut bekannt sind die in Symbiose und/oder Parasitismus lebenden Endophyten der Futtergräser (siehe hierzu das Buch „Ecology and Evolution of the Grass-Endophyte Symbiosis“), also die Pilze der Gattungen Neotyphodium  und Epichloë

Sie finden in der artgerecht allgemeine Infos zu dieser Lebensgemeinschaft unter anderem in den Artikeln Wehrhafte Gräser und Giftige Gräser - Wissenschaftsgeschichte.

Tatsächlich sind die Zusammenhänge in den Grasland-Ökosystemen aber noch weit ausgeklügelter. Das darf uns nicht verwundern, denn die mit dem Mutterkornpilz (Claviceps) verwandten Endophyten unserer Futtergräser waren nach neuerer Forschung ursprünglich Parasiten der Insekten (Rodriguez et al. 2009: siehe dort „clavicipitaceous endophytes“, sogenannte „Class 1- Endophytes“), bevor sie den Sprung vom Wirt aus dem Tierreich hinüber auf den Wirt aus dem Pflanzenreich schafften. Eine unglaubliche Leistung. Aber damit nicht genug. Im Laufe der Evolution haben diese Pilze wichtige regulatorische Funktionen an vielen Stellschrauben des Ökosystems Grasland übernommen. Die folgenden Abbildungen geben einen kleinen Eindruck davon, was für unglaubliche Beziehungen zwischen den unscheinbaren Pilzen in den Gräsern und den Mitspielern auf der grünen Wiese bestehen.

Abb. 1, © Dr. Renate Vanselow, Biologin

Die Abbildungen 1 und 2 zeigen, dass die Zusammenhänge im Nahrungsnetz zwischen Gräsern, Endophyten, kleinen und großen Pflanzenfressern, Parasiten, Halbparasiten, Hyperparasiten, Insekten- und Fleischfressern komplex sind. Hier sind nur einige ausgewählte Aspekte dargestellt.

1: Gräser können mit Pilzsymbionten infiziert sein, die man Endophyten nennt. Diese leben zwischen den pflanzlichen Zellen. Ihre Pilzhyphen werden im Mikroskop parallel zu den Zellwänden dargestellt. Durch Färbung kann man sie sichtbar machen. Da das Bild zweidimensional ist, hat der Betrachter den Eindruck, die Hyphen liefen durch die Zellen hindurch. Tatsächlich liegen sie aber in einer anderen optischen Ebene und werden vom Mikroskop in dieser Form in das Bild projiziert. Der Pilz wird vom Gras ernährt und schützt im Gegenzug das Gras in schwierigen Situationen (Stress) mit Hilfe von raffinierten Wirkstoffen, wodurch infizierte Gräser Vorteile im Wettbewerb mit endophytenfreien Gräsern erlangen.

2: Das Gras ernährt Herden von kleinen und großen Weidetieren wie Wiederkäuer und Pferde. Die Gifte in Gräsern, die mit giftigen Endophyten infiziert sind, sind in der Lage, die Fruchtbarkeit und die Gesundheit der Weidetiere und also ihre Populationsdichte zu regulieren. Die Grasfresser fördern ihrerseits über den Beweidungsdruck den Infektionsgrad der Gräser mit giftigen Endophyten – und damit ihre eigene Regulation. Zu den sehr kleinen Grasfressern gehören auch Wühlmäuse. Fressen die Mäuse infizierte Gräser mit entsprechenden Giften, dann verändert das Gift das UV-Spektrum des Mäuse-Urins. Eulen können nun den Urin der Mäuse sehen. Das Gras verrät damit seinen Fraßfeind, die Maus, an die nachtaktiven Greifvögel. Der für die Eulen sichtbare Urin überführt die verdächtige Maus.

3: Gräser werden auch von kleinen Lebewesen attackiert. Heuschrecken und Würmer wie die Nematoden ernähren sich vom Gras. Zusätzlich können parasitäre Pilze wie Schwarzrost, Mehltau oder Gelbrost über das Gras herfallen. Ihre Populationsgrößen hängen vom Nahrungsangebot ab. Sie alle fördern bei Massenbefall den Infektionsgrad der Gräser mit giftigen Endophyten. In Monokulturen ist eher mit einem Massenbefall zu rechnen als in artenreichen Beständen.

4: In der Wiese herrscht ein harter Überlebenskampf zwischen den Pflanzen um Platz, Licht, Wasser und Nährstoffe. Gräser mit giftigen Endophyten sind oft erfolgreicher und zeigen einen negativen Einfluss auf die Artenvielfalt. Pflanzen scheiden Wirkstoffe aus, mit denen sie die Konkurrenz unterdrücken (Allelopathie). Auch hier spielen die Wirkstoffe der Endophyten eine Rolle. Infizierte Gräser verhalten sich insbesondere unter Beweidung wie invasive Neophyten.

5: Die Vegetationszusammensetzung der Wiese entscheidet über die Artenvielfalt ihrer Nutzer. Vom Regenwurm bis zum Schmetterling, von der Maus bis zum Wisent – alle finden ihre Nahrungsgrundlage auf der Wiese. Oder auch nicht.

6: Von den Nutzern der Wiesenpflanzen leben wiederum andere Lebewesen. So ernähren sich beispielsweise Insektenfresser wie Spitzmaus, Igel oder Fledermaus von den vielen fliegenden „Krabbeltieren“, die sich in einer artenreichen Wiese vermehren und dort leben können.

7: Blutsauger machen den Weidetieren im Sommer zu schaffen. Die Gräsergifte im Blut der Weidetiere wirken direkt auf Rezeptoren, die für den Speichelfluss der Zecke verantwortlich sind. Zecken gehören wie die Milben zu den Spinnentieren. Es darf vermutet werden, dass auch die Speichelproduktion der Milben auf Gräsergifte reagiert, vielleicht auch die der blutsaugenden Insekten. Die Menge des Speichels von Blutsaugern und dessen Zusammensetzung ist für die Folgen des Saugaktes für das Weidetier nicht unerheblich. Das gilt nicht nur für Allergiker.

8: Fleischfresser merzen alle schwachen, kranken oder unaufmerksamen Grasfresser aus. Alles, was an Gräsern knabbert, von der Wühlmaus bis zum Rind, kann jedoch Gräsergifte im Fettgewebe eingelagert haben. Wie wirken diese Gifte auf die Fleischfresser? Ist beim Menschen und seinen fleischfressenden Haustieren mit Erkrankungen zu rechnen?

Siehe hierzu auch die artgerecht-Artikel Vergiftungen von Pferden durch Gräsergifte und Hirsutismus.

Abb. 2, © Dr. Renate Vanselow, Biologin

9: Nicht spezialisierte Getreideblattläuse werden von Gräsergiften abgeschreckt oder sogar geschädigt. Im Gegensatz dazu rauben spezialisierte Getreideblattläuse den Gräsern Nährstoffe, aber auch Gifte, mit denen diese Insekten sich selber gegen Feinde schützen. Beim Saugvorgang können Endophyten zudem durch Blattläuse von Gras zu Gras übertragen werden. Ob auch andere Pflanzensaft saugende Insekten Endophyten übertragen, ist nicht bekannt.

10: Der Klappertopf ist eine halbparasitäre Pflanze: Er zapft das Gras über die Wurzel an und klaut ihm Nährstoffe. Dadurch werden vom Klappertopf befallene Gräser geschwächt. Der Klappertopf hat es aber auch auf die wertvollen Wirkstoffe der giftigen Endophyten abgesehen.

11: Der Klappertopf schützt sich selber mit den geklauten Gräsergiften gegen Fraßfeinde. Damit schwächt er die mit Endophyten infizierten Gräser doppelt: Sie füttern nun einen Klappertopf durch und einen Endophyten, der seine Wirkstoffe nicht für das Gras, sondern für den Klappertopf produziert. Für das Gras wird der Pilzsymbiont so zum Parasiten, da er dem Gras keinen Nutzen bringt. Der Klappertopf stellt damit ein wichtiges, regulierendes Glied in der Wiese dar. Er macht aus dem Pilzsymbionten einen Parasiten und kann den Infektionsgrad der Gräser mit Endophyten auf diese Weise zurückdrängen.

12: Spezialisierte Blattläuse, die im Gegensatz zu weniger spezialisierten Blattläusen die Gifte der Endophyten unbeschadet in sich aufnehmen, schützen sich selbst mit diesen Giften gegen ihre Feinde, hier eine Blattlauswespe. Viele giftige Blattläuse schaden somit der für uns Menschen nützlichen Population der Blattlauswespen.

13: Auch die Population der „Nützlinge“, hier also der Blattlauswespen, ist wiederum Nahrungsgrundlage für Lebewesen, hier eine Wespenart, die sich von einer Blattlauswespe ernährt.

14: Es gibt Pilze, die auf Insekten parasitieren, indem sie sich im Insektenkörper ernähren. Sie lassen das Insekt zu einer toten Mumie erstarren und verstreuen ihre Pilzsporen aus dieser Mumie heraus, um andere Insekten zu infizieren. Solche Pilze sind in der biologischen Schädlingsbekämpfung von Interesse. Blattläuse, die Gifte aus Gräsern aufgenommen haben, können sich mit Hilfe dieser Gifte auch vor solchen Pilzen schützen. Giftige Gräser fördern somit klar raffinierte „Schädlinge“ und schädigen ebenso raffinierte „Nützlinge“. Sprich: Gifte in Gräsern können ganze Nahrungsnetze verändern und Gleichgewichte verschieben.

15: Auch Marienkäfer gehören zu den „Nützlingen“ aus menschlicher Sicht, die sich von den „schädlichen“ Battläusen ernähren. Blattläuse, die Gräsergifte aufgenommen haben, geben diese Gifte an ihre Fraßfeinde weiter. Die Marienkäfer werden durch diese Gifte in ihrer Fortpflanzungsfähigkeit und Vitalität negativ beeinflusst. Die Population dieser „Nützlinge“ wird durch die Weitergabe der Gräsergifte in der Nahrungskette also geschädigt.

Gräser als Verhütungsmittel

Zurück zu dem Witz, in dem der Restaurantbesucher eine Fliege in seiner Suppe entdeckt und den Ober ruft. Dieser antwortet dem Gast:

„Keine Sorge, sehen Sie die Spinne am Tellerrand?“

Aha, der Schöpfer hat an alles gedacht, die Lösung ist schon unterwegs. Wenn also Darmparasiten die Fruchtbarkeit erhöhen und den Klapperstorch in Rente schicken, braucht dennoch niemand besorgt zu sein, dies könne die Weltbevölkerung explodieren lassen. Jennifer Duringer (2007) zeigte in ihrer Präsentation folgende Tabelle: 

Infektionsgrad mit Endophyten [%]

Trächtigkeitsrate [%]

0 – 5

96

25 – 60

82

80 – 99

55

Tabelle 1: Trächtigkeitsrate von Fleischrindern in den USA in Abhängigkeit vom Infektionsgrad der Futtergräser mit Endophyten der Gattung Neotyphodium. Angaben aus Duringer 2007.

Die Werte in Tabelle 1 zeigen deutlich, dass die Gräsergifte die Fruchtbarkeit sehr stark regulieren. Wir Menschen haben uns selber zu Grasfressern gemacht. Wie das? Wir essen Getreide. Getreide sind aber Gräser.

Sind Getreide essende Menschen Parasiten der Gräser, oder haben wir uns in Bezug auf unsere Nutzpflanzen bereits den Rang eines Symbionten verdient? Die Endophyten der Futtergräser sind ökonomisch in der Graszucht so erfolgreich, dass nun auch die Brotgetreide mit diesen Endophyten in speziellen Zuchtformen infiziert werden sollen (O`Hanlon et al. 2012). Darauf hatte ich bereits im Artikel Humus & Mist Teil 6 - Chemie im Mist III  hingewiesen und dort den entscheidenden Abschnitt, ins Deutsche übersetzt, zitiert.

Die Bildung gefährlicher Gifte kann gezielt durch gentechnische Veränderungen der Zucht-Endophyten verhindert werden (Potter et al. 2008). Wie sicher patentierte Zuchtendophyten sind, haben wir im Artikel über Vergiftungen von Pferden durch Gräsergifte gesehen. Die Pilzsymbionten besiedeln im Grassamen die Außenschicht, also die Aleuronschicht des Getreidekorns, die im Vollkorn geschätzt wird.

Brot für die Welt wird es geben. Wer wird die Infektion des Getreides mit ausgewählten Endophyten überwachen und steuern? Wären da nicht die heftigen Nebenwirkungen der Gifte (Ergotismus, Ergovalin-Vergiftung), dann wäre ein Verhütungsmittel per Getreide vielleicht die geeignete Spinne, um das Problem der Fliege in der Suppe zu lösen – wäre da nicht auch noch die Sache mit der Ethik und der Moral. Unabhängig davon, was Menschen machen können und Menschen machen dürfen, bleibt als Resümee der alte Witz, der vor über 20 Jahren unter Ökologen beliebt war – vielleicht kam er von Greenpeace. Demnach dürfen wir ganz unbesorgt sein, die Evolution wird aufräumen: 

Begegnen sich zwei Planeten im All.
„Du siehst aber schlecht aus! Was ist denn mit Dir passiert?"
„Ich hab Homo sapiens …“
„Och, DAS vergeht auch wieder!“

Mit der Zucht besonders resistenter Nutzpflanzen beschleunigen wir den Vorgang unserer eigenen Regulation enorm, zu Gunsten der Schöpfung auf dem Planeten Erde.

Dr. Renate Vanselow, Biologin

Literatur


Duringer, J. (2007): Forage-Related Animal Disorders: Fate and Metabolism of Plant Toxins in Livestock. http://forages/oregonstate.edu/css310/default.cfm?PageID=7 ; Präsentation erstellt am 25.5.2007, online abgerufen am 31.07.2007

01.07.2017

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