Akupunktur in der Krebstherapie

- ein Fall aus der Praxis

Merlin ist ein 11-jähriger brauner Labrador. Ein Labrador wie er im Buche steht. Verspielt, ständig auf der Suche nach etwas Essbarem, süchtig nach Wasser und allem, was man apportieren kann. Er liebt stundenlange Spaziergänge, und sein quirliges Temperament lässt einfach nicht nach. Er ist voller Tatendrang, sehr lautstark (vor allem seinen männlichen Artgenossen gegenüber) und leider sehr nachtragend. Einmal eine schlechte Erfahrung gemacht, schon hat man sein Misstrauen geerntet.

Was Krankheiten angeht, sind wir bisher von größeren Tierarztbesuchen verschont geblieben. Im Sommer leidet er unter Ekzemen am Hals, die natürlich durch die ständigen Sprünge ins kalte Nass nicht besser werden. Ein eigener Rasierapparat tut also regelmäßig seine Pflicht und legt unter der dicken Unterwolle die ekzemanfälligen Hautfalten frei.

Anfang 2011 stellte ich die Vergrößerung eines Hodens bei meinem Hund fest. Meine Tierärztin bestätigte mir meinen Verdacht auf Hodenkrebs. Aufgrund seines Alters und einer leichten Herzschwäche kamen wir überein, von einer Operation abzusehen. So kam es, dass mein eigener Hund mein erster „Krebspatient“ war, den ich nach der Methode des Are Thoresen (Norwegen) behandelte.

Are Thoresen, Autor des Buches „Holistische Konzepte in der Tiermedizin – Ganzheitliche Therapieverfahren kombinieren“, durfte ich während eines Seminars „Akupunktur in der Krebstherapie“ im Jahr 2010 kennenlernen. Are Thoresen nutzt in seiner Therapie vor allem den Ke-Zyklus (Kontrollzyklus) der fünf Wandlungsphasen in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und die Antiken Punkte. Den Wandlungsphasen Feuer, Holz, Metall, Wasser und Erde sind die folgenden Funktionskreise zugeordnet:

  • Feuer: Funktionskreis He, Dünndarm sowie San Jiao und Pericard
  • Erde: Milz und Magen
  • Metall: Lunge und Dickdarm
  • Wasser: Niere und Blase
  • Holz: Leber und Gallenblase

Jede Wandlungsphase ernährt bzw. kontrolliert eine andere Wandlungsphase. Im Ke-Zyklus kontrolliert die Erde das Wasser, das Wasser kontrolliert das Feuer, das Feuer kontrolliert Metall, das Metall kontrolliert das Holz und letztendlich kontrolliert das Holz die Erde. Gerät der Funktionskreis einer Wandlungsphase in Leere, versagt der Kontrollmechanismus und es entsteht der „Fülle-Zustand“ Krebs.
Die fünf Punkte jedes MeridiansUm nun einen Energieausgleich zu schaffen, sind die Antiken Punkte wichtig. Jeder Meridian hat fünf dieser besonderen Punkte. Die TCM besagt, dass die Lebensenergie (das Qi) in jedem Meridian an den äußersten (Ting-)Punkten (jeweils Anfangs- oder Endpunkt der Meridiane an Händen/Füßen/Pfoten/Hufen) wie eine Quelle entspringt. Von dort aus nimmt der Fluss Energie zu, wird zu einem Bach, zu einem Fluss und zu einem Strom. Nach Vorstellung der TCM unterliegt dies auch äußeren klimatischen Einflüssen (Kälte, Hitze, Trockenheit, Feuchtigkeit und Wind). Damit ist jeder „Antiker Punkt“ einem dieser fünf Wandlungsphasen zugeordnet. Hierauf noch näher einzugehen, würde aber den Inhalt des Berichts sprengen.

Als erklärendes Beispiel möchte ich einen Tumor nennen, der z. B. auf dem Magenmeridian (Mammatumore) entstanden ist. Hier wird der kontrollierende Leber-Meridian gestärkt. Wir nutzen den Antiken Punkt Le 3 als „Holz“-Punkt, da die Wandlungsphase Holz alle „Wachstumszustände“, also auch das Wachstum von Tumoren, kontrolliert.

Die Diagnose der in Leere geratenen Wandlungsphase muss immer durch eingehende Pulsdiagnostik und Lokalisation, auf welchem Meridian oder in welchem Organ der Tumor entstanden ist, bestätigt werden. Bei Tumoren der Lunge oder des Dickdarms (Wandlungsphase Metall) bzw. ihrem Meridianverlauf ist der kontrollierende Meridian der Herzmeridian (Wandlungsphase Feuer).

Oft entstehen kleine Tumore oder auch Warzen am mittleren Canthus des Auges. Hier beginnt der Blasenmeridian (Wandlungsphase Wasser). Der Behandlungspunkt wäre der Holz-Punkt auf dem kontrollierenden Milzmeridian (Wandlungsphase Erde).

Bei einem Hodentumor (der Lebermeridian verläuft durch den Hoden) ist der kontrollierende Funktionskreis die Lunge (Wandlungsphase Metall). Bei meinem Hund diagnostizierte ich also den Lungenmeridian als in Leere geratenen Funktionskreis. Jeder Punkt, der die Lunge stärkt, wäre hilfreich. Nicht nur ein Antiker Punkt. Ich akupunktierte lediglich zweimal in vier Wochen den Punkt Lu 7. Für diesen Punkt habe ich mich entschieden, da er nicht nur die Lunge stärkt, sondern auch Hitze ausleitet. Weiterhin habe ich den Funktionskreis der Lunge mit Lungenkraut gestärkt. Diese Kräutertherapie habe ich ihm vier Wochen in Kombina­tion mit dem Schüssler Salz Calcium Carbonicum verabreicht. Die kontrollierende Wandlungsphase wurde gestärkt, so dass das Tumorwachstum unterbunden wurde.

Bei der nächsten tierärztlichen Kontrolle nach zwei Monaten war der Hodentumor deutlich kleiner und weicher. Heute – nach einem halben Jahr – ist gar nichts mehr davon zu spüren.

Interessant dabei ist noch die Tatsache, dass gemäß der TCM Merlin zum „Lebertyp“ gehört. Die Leber ist der Motor, welcher die Lebensenergie (Qi) durch den Körper zirkulieren lässt. Ein Lebertyp ist voller Tatendrang, laut, etwas cholerisch. In der Leber sitzt die Körperseele HUN, welche die „ewige Erinnerung“ trägt, daher verzeihen Lebertypen nicht gern. Sie neigen dazu, schnell zornig zu werden, was dazu führt, dass der harmonische Fluss des Qi nicht mehr gewährleistet ist. Kopfschmerzen, Nackenverspannungen, gerötete Augen und sonstige Hitzeerscheinungen sind die Folge. Nackenschmerzen und gerötete Augen waren bei Merlin auch immer ein Problem.

Nachdem ich die Lunge nun gestärkt hatte und die Leber wieder unter Kontrolle war, verschwanden das Ekzem am Hals, die roten Augen und auch das aggressive Verhalten an der Leine. Und wie ich nun diesen Artikel so schreibe, fällt mir auf, dass er seit langem keine Nackenverspannungen mehr hatte…

Andrea Adler-Melchers, Tierheilpraktikerin, Essen

01.09.2017

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