Humus & Mist Teil 6, "Chemie" im Mist I

- durch Medikamente



Wenn von „Chemie“ in Gülle und anderen Wirtschaftsdüngern die Rede ist, denken alle sofort an die Belastung von Schweinegülle oder Geflügelmist mit Antibiotika. Aber wie sieht es eigentlich mit unserem eigenen Pferdemist aus? Und welche Konsequenzen sollten wir ziehen, wenn wir unseren eigenen Mist als Dünger verwenden wollen?

Wurmkuren

In der Pferdehaltung spielen Wurmkuren regelmäßig  eine Rolle. Regelmäßig, weil Wurmkuren in vielen Ställen mehrmals im Jahr und alle Jahre wieder verabreicht werden. In großen Pensionsställen und Ausbildungsställen mit häufigen Pferdewechseln ohne fest gefügte Herden ist das sehr schwer zu umgehen. Ihre Weideflächen und Ausläufe sind oft mit Parasiten verseucht, die Gefahr von Resistenzen ist in solchen Ställen hoch.

Alte Hygieneregeln wie das Verbot, Pferde beim Ausritt an fremden Äppeln schnuppern zu lassen, im Sommer Dasselfliegeneier mit einem scharfen Messer täglich aus dem Fell zu entfernen, Futter niemals vom (verseuchten) Stallboden zu füttern und Heuraufen folgerichtig möglichst hoch anzubringen, sind heute außer Kraft. Stallwände werden nicht mehr mit Natronlauge desinfiziert und alkalisch gekalkt, sondern mit Hochdruck abgespritzt und mit Farbe gestrichen. Nur wenn die Äppel täglich aus der Einstreu sorgfältig entfernt werden ist das vertretbar. Die selektive Entwurmung (siehe auch den zweiteiligen artgerecht-Artikel Würmer sind keine Krankheit) bleibt eher ein frommer Wunsch, wenn die Pferde, kaum dass sie die Quarantänezeit hinter sich haben, den Stall schon wieder verlassen. Also wird mit Wurmkuren abgedeckt in der Hoffnung, so den geringeren Schaden zu haben. Dennoch landet alles im Mist.

Regelmäßig machen Vergiftungen von Hunden Schlagzeilen, wenn bestimmte Hunde Wurmkuren für Pferde aufgenommen haben, die dann zu schwersten Vergiftungen führen können (siehe artgerecht-Artikel Das Problem MDR1). Die am Stall frei laufenden Hunde lecken Futterreste von Pferden vermengt mit Wurmkur auf, die den Pferden aus dem Maul gefallen sind – oder aber sie fressen frischen Pferdekot in den ersten Tagen nach einer Entwurmung der Pferde … Und damit sind wir mitten drin in den Gefahren von Medikamenten auf dem Mist.

Nach einer konventionellen Entwurmung sollte der Dung der Pferde in den ersten drei, besser fünf Tagen nach der Entwurmung getrennt abgesammelt und als Sondermüll entsorgt werden. Es ist durchaus sinnvoll, diesen Mist unter Dach komplett zu trocknen und beim nächsten Lagerfeuer (ohne Hunde …) zu verbrennen. Die Wurmmittel bleiben auch im Dung wirksam. Nicht nur Hunde werden vergiftet, auch alle kleinen Helfer im Mist, von den (Mist-) Würmern über die mistverwertenden Insekten (Miskäfer & Co.) bis hin zu den Reptilien (Ringelnatter, Blindschleiche). Ebenso betroffen sind Amphibien (Kröten, Frösche und Molche) sowie Fische.

 Pillendreher (Scarabaeus sacer) gehören zu den Dung fressenden Insekten. Abb. aus Calwer, C.G., Jäger, G. Naturgeschichte der Käfer Europas. Stuttgart 1876

Wie das? Die synthetischen Wirkstoffe werden aus dem Dung in die Oberflächengewässer (Tümpel, Teiche, Gräben, Bäche) ausgewaschen, weshalb die Pferde nach der Entwurmung auf keinen Fall in der Nähe von Gewässern weiden dürfen! Wirkstoffhaltiger Dung bleibt monatelang unzersetzt auf den Weiden liegen und pflastert die Weiden als Sondermüll zu. Nur Mikroorganismen überleben diese Wurmkuren. Alle Fliegen, Käfer und Würmer, die daran knabbern, gehen zu Grunde. Mikroorganismen schaffen aber nicht viel weg, zumal im Sommer, wenn der Dung austrocknet.

Ungiftiger Dung ist dagegen ein Festschmaus für die unterschiedlichsten Dungkäfer. Kaum ist er zu Boden gefallen, stürzen sich die Käfer, angelockt vom Duft, auf die Nahrung und zerren sie durch eine Vielzahl kleiner Erdgänge in die Tiefe – um dort im Boden ihren Larven eine sichere Nahrungsquelle zu hinterlassen. Der Dung lernt buchstäblich das Laufen. Die Dungkugel des heiligen Skarabäus-Käfers ist seit Menschengedenken lebensspendendes Elixier, Sinnbild für die Wiedergeburt und den Rhythmus der Natur.

Alternativ zu synthetischen Wurmkuren kommen immer mehr Wurmkuren auf Kräuterbasis auf den Markt. Wie verhalten die sich im Mist? Nicht anders, als würden Sie diese Kräuter unverdaut auf den Misthaufen oder Kompost geben. Die pflanzlichen Wirkstoffe werden auf natürlichem Wege gut und schnell abgebaut. Sie ergeben einen guten Humus. Auf den Aspekt der Wirkstoffhaltbarkeit (Persistenz) komme ich weiter unten noch zu sprechen.

Antibiotika

Ebenfalls recht gut untersucht ist das Verhalten von Antibiotika in den Ausscheidungen der Tiere. Für Diskussionen sorgen resistente Mikroorganismen in der Umwelt. Weniger bekannt sind Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Antibiotika aus der Gülle von Nutzpflanzen aufgenommen werden und so in die Nahrung des Menschen gelangen (s. z. B. Freitag u.a. 2006). Davon berichtete der Focus bereits 2005.

Es darf vermutet werden, dass auch weitere Medikamente über den Mist ihren Weg in die Umwelt und in Spuren in die Nahrungskette finden.

Insektizide in Pflegemitteln

Meiner Meinung nach unverdient wenig Beachtung finden die in der Pferdehaltung so beliebten Insektizide in Pflegemitteln. Vor gut zwanzig Jahren waren noch selbst hergestellte abenteuerliche Gemische aus Essig, Nelkenöl, Zwiebeln, Knofi und anderen geruchlichen Gemeinheiten zur Abschreckung der Plagegeister in Mode. Manches Pony stank zum Reißaus nehmen. Geschadet hat das vielleicht den Freundschaften des Ponys und seinem Selbstbewusstsein, nicht jedoch der Umwelt. Die Ponys haben sich mit Lehmpackungen arrangiert. Der lückenlose Lehmpanzer hilft nicht nur gegen gut gemeinte ätherische Öle, sondern auch ganz wunderbar gegen Plagegeister.

Heute, wo sogar Islandpferde im Winter geschoren und eingedeckt werden, müssen Pferde immer sauber und adrett sein. Elche und Rentiere in Skandinavien, wo es von Moskitos nur so wimmelt, haben nicht umsonst ein extrem dichtes Fell. Um die sauberen „Nacktpferde“ vor saugenden Belästigungen zu schützen, greifen sehr viele Pferdehalter zunehmend auf Emulsionen und Repellents zurück. Wer sich die Zusammensetzung dieser Vergrämungsmittel durchliest, kauft seinem Pferd vielleicht doch lieber einen Fellersatz, sprich eine Ekzemerdecke, und zwar bitte wirkstoffrei. Warum, was ist drin in den Pflegeprodukten?

In den 80er Jahren enthielten Emulsionen gegen Ekzem häufig den Wirkstoff Lindan. Lindan ist ein Insektizid, das wissenschaftlich korrekt „ɣ-Hexachlorcyclohexan“ genannt wird und somit zu den CKW, also den Chlorkohlenwasserstoffen gezählt wird. Pferde, die auf dieses Präparat positiv reagierten und aufhörten, Schweifrübe und Mähne kahl zu scheuern, hatten möglicherweise einen ausbalancierten Milbenbefall. Lindan war auch der Wirkstoff des sehr effizienten Holzschutzmittels „Xylamon - Holzwurmtod“, das überall in Baumärkten verkauft wurde. Nachdem dieses Präparat fälschlich in Innenräumen wie Wintergärten verwendet wurde, kam es zu schwersten Erkrankungen bei Menschen bis hin zum Tod – mit gerichtlichen Folgen (siehe Holzschutzprozess). Die Pferde wurden also quasi mit Holzwurmtod eingerieben.

Wie verhält sich Lindan in der Umwelt? Die Altlasten aus der Lindanproduktion sind legendär (siehe Wikipedia: Lindan – Altlasten). Lindan wird im Oberboden recht gut abgebaut und wurde – bei sachgemäßem Einsatz im Ackerbau – nach vier Jahren im Oberboden nicht mehr nachgewiesen. Im schlecht durchlüfteten Unterboden blieben stark erhöhte Lindangaben durch Ackerbau (Insektizid!) dagegen nachweisbar. Gut, wenn keine Tiefwurzler wie Ackerdistel oder Schachtelhalm hier wachsen und von Pferden befressen werden. Ein warmer, gut durchlüfterer Misthaufen würde hier gute Bedingungen zum mikrobiellen Abbau bieten.

Das Nachfolgeprodukt des 1984 in Westdeutschland verbotenen Lindan nennt sich Permethrin. Beispielsweise enthält das Präparat „BERGOTEC HOLZWURM-TOD“ als Wirkstoff Permethrin, wie die Herstellerfirma auf ihrem Datenblatt vom 11.06.2015 angibt. Was Pferdehalter kaum zur Kenntnis nehmen: Viele Pflegeprodukte wie z. B. „Welcare Emulsion“ enthalten als Wirkstoff eben dieses Permethrin. Erneut werden Pferde also – diesmal am ganzen Körper und regelmäßig – mit „Holzwurmtod“ eingerieben. Wen wundert es noch, dass Plagegeister bei dieser großflächigen Bekämpfung immer resistenter werden?

Auch Hunde und Katzen werden mit Permethrin behandelt (mehr dazu siehe artgerecht-Artikel Permethrin). Pferde beknabbern sich, lecken sich gegenseitig ab, nehmen Wirkstoffe auch über die Haut auf – ist das gesund? Permethrin war nicht für die innerliche Anwendung gedacht. Der Stoff ist möglicherweise krebserregend, kann zu Haarausfall und Allergien führen. Falls das head shaking „wegen der Insekten“ nach dem Auftragen der Emulsion nicht besser, sondern schlechter wird, dann könnte das Gründe haben. Menschen streicheln Pferde. Haare fallen ab, werden ausgebürstet oder abgeschnitten und auf den Mist geworfen. Vielleicht doch lieber eine Ekzemerdecke und selbst gebraute Vergrämungsmittel mit Weglaufcharakter?

Die Persistenz, also die Haltbarkeit des Wirkstoffes, wird im Oberboden mit einer Halbwertzeit (HWZ) von 30 Tagen angegeben, auf Oberflächen von 10 Tagen. Die Halbwertzeit gibt den Zeitraum an, in dem die Hälfte des Wirkstoffes unwirksam geworden ist (abgebaut, zerfallen). Da der Abbau nicht linear, sondern exponentiell verläuft, ist nicht etwa nach 60 Tagen alles Permethrin im Boden bzw. Mist weg. Der Abbau der gesamten Wirkstoffmenge dauert erheblich länger.

„In der Umwelt wird Permethrin vor allem durch Sonnenlicht zersetzt. Im Boden bindet es an Tonminerale und Humusbestandteile, seine Halbwertzeit beträgt hier etwa 30 Tage. Auf den Oberflächen von Pflanzen beträgt die Halbwertszeit etwa 10 Tage. Für Vögel ist Permethrin nur gering giftig, für Fische ist es hingegen stark toxisch. Im Laborversuch ist Permethrin für Bienen sehr giftig. Im Freiland meiden die Bienen Permethrin, da es auf sie abstoßend (das heißt als Repellent) wirkt.“ (Zitat aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Permethrin#Umweltwirkungen )

Natürliche Alternativen

Es gibt sehr gute Alternativen zu Lindan und Permethrin als Pflegemittel bei Pferden. Da ist einmal das aus Chrysanthemen gewonnene ätherische Öl Pyrethrum mit hervorragenden insektiziden Eigenschaften, zugelassen im Ökolandbau. Pyrethrum ist empfindlich gegen Belichtung (photoinstabil). Die Halbwertzeit beträgt daher nur wenige Stunden. Es kann auch in geschlossenen Räumen gegen Kleidermotten, Blattläuse, Spinnmilben oder Hautparasiten wie Krätze und Räude eingesetzt werden. Allergien sind leider möglich.

Unser heimischer Rainfarn (Chrysanthemum vulgare) wird traditionell innerlich als Wurmkur, äußerlich gegen Zecken und Flöhe eingesetzt, auch ums Haus gepflanzt gegen Ameisen und in Bündeln um Fensterspalten gehängt gegen Mücken. Wurmfarn und Adlerfarn wurden ähnlich verwendet (Wurmkur, Zecken, Flöhe). Koniks in Naturschutzgebieten reiben sich Insekten mit Besenginster vom Leib – möglicherweise nicht nur wegen seiner mechanischen Eigenschaften, vielleicht auch als Duftstoff gegen Insekten. Muss es also wirklich Holzwurmtod sein?

Das natürliche Pyrethrum ist ein derart wirksamer Stoff gegen Insekten und Milben, dass sein synthetischer Nachbau die industriellen Pyrethroide erbrachte. Pyrethroide sind im Gegensatz zum Pyrethrum photostabil, sind also sehr lange halbar und bauen sich schlecht ab. Permethrin ist ein besonders stabiles, also schwer abbaubares Pyrethroid. Grundsätzlich sind Pyrethroide stark toxisch und haben eine weite Verbreitung gefunden.

Weitere traditionelle Insekten abschreckende Mittel sind die Teere, auch Pech genannt. Räuchern der Kleidung beim Feuer in der Lappenkote hält Moskitos fern. In Schweden wurden gegen Moskitos Kuhhörner mit Rindenteer am Gürtel mitgeführt. Holzteer ist ein uraltes Konservierungsmittel, nicht nur als „Hufteer“. Birkenpech diente schon vor 200.000 Jahren als Klebstoff für Waffenschäfte.

Und wo lagert der Mist?

Auch Steinkohle war mal Holz. Verwundert es da, dass aus Steinkohleteeröl das Holzkonservierungsmittel Karbolineum für Bahnschwellen und Telegrafenmasten gewonnen wurde? Hochwirksam und wie alle Teere – krebserregend. Das gilt nicht nur für Tabakteer. Als das bei Landwirten als Holzschutz so beliebte Karbolineum wegen seiner Nebenwirkungen in Verruf kam, priesen die Landwirtschaftskammern Bahnschwellen und Telegrafenmasten als preisgünstige und witterungsbeständige Materialien in der Pferdehaltung für Reitplatzbegrenzungen, Zäune und Stallbau an. Viele Pferdehalter griffen zu. Wenig später wurde Karbolineum verboten, alles behandelte Material wurde zu gefährlichem Sondermüll erklärt.

Mist- oder Komposthaufen mit witterungsbeständigem Holz der Bundesbahn eingefasst? Hoffentlich nicht. Die Erfahrungen mit günstigem Karbolineum-Bauholz erinnern an die Lindan-Altlasten:

„Im Grenzgebiet bei Basel, Elsass (Departement Haut-Rhin) und Weil/Lörrach (sogenanntes Dreyeckland) wurde eine unbekannte Menge aus 100.000 Tonnen Lindan-Produktionsrückständen der Firma Ugine-Kuhlmann (Huningue) unter anderem in Staubform als Beton-Zuschlagstoff „entsorgt“. Aufgrund der Geruchsbelästigung von der betroffenen Bevölkerung nicht als Straßenbelag akzeptiert, wurde der „HCH-Beton“ z. B. der örtlichen Landwirtschaft zur Befestigung von Feldwegen geschenkt; Proben weisen einen HCH-Gehalt von bis zu 75 % auf. Mittlerweile ist das HCH lokal in Grund- und Oberflächenwasser nachweisbar; trotz der nun 40-jährigen Verweildauer im Freien ist es immer noch geruchlich wahrnehmbar.“ (Zitat aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Lindan#Altlasten )

So viel zu dem, was unsere Pferde zur Chemiebelastung eines Misthaufens beitragen. Lesen Sie im nächsten Teil, was mit der Einstreu so alles in die Ställe und dann auf den Misthaufen kommt ...

Dr. Renate Vanselow, Biologin

Quellen

Freitag, Mechthild u.a. "Antibiotika-Aufnahme von Nutzpflanzen aus Gülle-gedüngten Böden", Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 2006

05.09.2017

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