Kreuzbandriss beim Hund

Ursachen, OP-Methoden

Bei Hunden kommt es meistens wie aus dem Nichts: Beim normalen Springen oder Spielen jault der Hund auf, lahmt und läuft manchmal nur auf drei Beinen. Die Schmerzen sind offensichtlich. Die Diagnose beim Tierarzt: Kreuzbandriss. Wie, einfach so beim Spielen? Ja, denn bei Hunden hat der Kreuzbandriss meistens schon eine längere, unbemerkte Vorgeschichte.

Anatomie und Mechanik der Kreuzbänder

Der Bewegungsapparat des Hundes besteht aus Knochen, die dem Körper seine Form geben. Sie tragen das Gewicht und ermöglichen mit den Gelenken die Bewegung. Damit die Gelenke in ihrer Position bleiben, werden die Knochen mit Sehnen und Bändern zusammengehalten. So wird ein Überstrecken oder Verdrehen des Gelenkes verhindert. Der Vorschub für die Bewegung kommt aus der Hinterhand, indem der Hund seine Hinterläufe unter den Körper setzt und ihn nach vorne schiebt.

Das Kniegelenk ist außerordentlich wichtig für die Bewegung des Hundes: Es verbindet Oberschenkel- (Femur) und Unterschenkelknochen (Tibia), die mit einer Gelenkkapsel und den Bändern fest zusammengehalten werden. Die Kreuzbänder befinden sich im Inneren des Knies und setzten am Ober- und Unterschenkelknochen an. Das vordere Kreuzband zieht vom hinteren Oberschenkelknochen zum vorderen Unterschenkelknochen. Das hintere Kreuzband setzt genau umgekehrt an. Damit kreuzen sie sich, was ihnen ihren Namen gab. Das vordere Kreuzband besteht aus zwei Anteilen, bei dem der Vordere immer unter Spannung und damit unter besonderer Belastung steht. Beide Kreuzbänder halten das Kniegelenk wie Gummibänder in der richtigen Position: Sie verhindern ein Wegrutschen des Oberschenkelknochens vom Unterschenkelknochen, besonders bei der Vorwärtsbewegung, bei der große Scherkräfte entstehen. Dennoch sind die Kreuzbänder so flexibel, dass Bewegungen der Gelenke bis zu einem gewissen Grad zugelassen werden. Unterstützt werden sie von den Bändern der Kniescheibe, die ebenfalls an beiden Knochen ansetzen.

Anatomie des Kniegelenkes

Die Anatomie des Hundeknies ist im Großen und Ganzen vergleichbar mit der des Menschen. Die Belastung den Hundeknies ist allerdings eine andere als bei uns: Unsere Ober- und Unterschenkelknochen stehen senkrecht aufeinander. Durch den Gang auf vier Pfoten stehen beim Hund Ober- und Unterschenkelknochen in einem steileren Winkel zueinander. So, als würden wir unser Knie immer ein Stück beugen. Die Auflagefläche des Oberschenkels ist damit nach hinten abschüssig. Wenn das Bein des Hundes belastet wird, entsteht Druck auf dem Kniegelenk. Durch die Abschüssigkeit der Gelenkfläche wird der Oberschenkel nach hinten geschoben. Vor allem das vordere Kreuzband verhindert dies: Es hält die Knochen in ihrer Position und wirkt dem Schub entgegen. Der Druck für die Vorwärtsbewegung wird aufgefangen. Wegen dieser besonderen Belastung ist es bei Hunden meistens das vordere Kreuzband, das reißt.

Die Ursachen

Bei uns Menschen reißt das Kreuzband meistens aufgrund eines Traumas, z. B. einem Skiunfall oder beim Fußballspiel. Auch beim Hund kann ein Trauma der Auslöser sein. Dennoch treten Kreuzbandrisse bei Hunden viel häufiger unter ganz normalen Belastungen auf. Ein Sprung, eine Drehung oder beim Rennen. Normalerweise macht das den Bändern nichts aus, dafür sind sie ja geschaffen. Um zu reißen, müssen die Bänder müssen also schon vorgeschädigt sein.

Zurückliegende Mikroverletzungen

Diese degenerative Form tritt leider häufig bei Hunden auf. Mikroverletzungen der Bänder beispielsweise hinterlassen Narben. Damit werden die Bänder mit der Zeit faserig und fransen aus. Die Stabilität der Bänder sinkt, bis es schließlich zum Riss des Bandes kommt. Teilweise sind Alterserscheinungen der Grund, aber auch junge Hunde sind betroffen.

Gewicht

Es gibt einen Zusammenhang mit dem Gewicht: Je größer und schwerer der Hund, desto wahrscheinlicher ist ein Kreuzbandriss. Dies gilt für schwere Rassen, aber besonders für übergewichtige Hunde. Der Körperbau ist nicht auf jahrelanges Übergewicht ausgelegt. Es kommt zur Überlastung.

Mangelnde Bewegung

Zudem gilt: Wer rastet, der rostet. Wenig aktive Hunde sind häufiger betroffen. Aber auch eine Überbelastung durch übertriebenes und/oder falsches Training kann zum Riss führen. Stellungsfehler in den Hinterläufen, wie z. B. eine HD, können ebenfalls durch Schonhaltung und folgende Überlastung zu einem Kreuzbandriss führen.

Ernährung

Faktoren für die Degeneration des Kreuzbandes lassen sich auch in der Ernährung finden. Fehlen dem Körper wichtige Nährstoffe, werden auch die Bänder in Mitleidenschaft gezogen. Eine natürliche, abwechslungsreiche und artgerechte Ernährung hält den ganzen Körper fit. Alle notwenigen Mineralien, Vitamine und Spurenelemente sollten in organischer Form vorliegen, damit der Körper sie gut aufnehmen kann.
Es gibt Spezialisten unter den Nährstoffen: Magnesium, Silizium, Kupfer, Selen, Molybdän und Mangan sind für die Bildung der Fasern des Bandapparates wichtig. Das Spurenelement Silizium ist besonders wichtig für die Elastizität und Festigkeit der Bänder. Es unterstützt maßgeblich bei der Nährstoffversorgung und Entgiftung der Fasern. Zudem bindet Silizium Wasser, ohne das der Stoffwechsel nicht richtig arbeiten kann, auch an den Bändern. Fehlen dem Körper Nährstoffe, schreitet eine Degeneration der Bänder also schneller voran.

Medikamente

Auch Medikamente können Bänder negativ beeinflussen, wie z. B. bestimmte Antibiotika (Wirkstoffe wie z. B. Danofloxacin, Enrofloxacin, Ibafloxacin, Marbofloxacin, Orbifloxacin oder Pradofloxacin). Sie hemmen die Kollagenreifung und beeinträchtigen damit die Festigkeit der Bänder.

Chronische Erkrankungen

Bestehen bereits chronische Erkrankungen des Kniegelenks wie Arthrose oder Arthritis, können die Bänder durch die Entzündungsprozesse im Gelenk angegriffen werden.
Patellaluxationen, also das wiederholte „Rausspringen“ der Kniescheibe, können auch ein Grund für einen Kreuzbandriss sein. Die Stabilität des Gelenks ist eingeschränkt, was die Kreuzbänder auffangen müssen.

Hormone

Zudem haben auch Hormone Einfluss auf die Entwicklung der Bänder. Testosteron fördert mit der Faservernetzung das Bindegewebe. Auch bei Hündinnen werden durch die Eierstöcke Testosteron gebildet. So haben normal- und besonders frühkastrierte Hunde und Hündinnen häufiger Probleme mit den Kreuzbändern als nichtkastrierte Tiere.

Einige Faktoren unserer modernen Gesellschaft begünstigen also Kreuzbandrisse. Bei den Hunden sind sie eine Volkskrankheit geworden, zu der wir unseren Teil beitragen.

Reißt das Kreuzband auf der einen Seite, ist oft auch bald das andere Knie betroffen. Dies kann einerseits durch die Schonhaltung und damit Überbelastung des anderen Knies auftreten, oder durch die fortschreitende Degeneration. Diese macht ja auch vor dem anderen Knie nicht Halt. In der Hälfte der Fälle entsteht durch die veränderte Mechanik im Kniegelenk zudem ein Meniskusschaden.

Riss des vorderen KreuzbandesDiagnose Kreuzbandriss

Ein kompletter Abriss zeigt sich am Hund durch Schmerz und Lahmheit bis hin zur kompletten Schonung des Hinterbeines. Das ist besonders häufig zu beobachten, wenn der Meniskus mitbetroffen ist. Die Muskeln des betroffenen Beines werden durch die Schonhaltung abgebaut. Ein Teilabriss kann sich aber durchaus verbergen: Manchmal lahmt der Hund nur ab und zu. Manchmal auch nur bei einem bestimmten Tempo. Zwischendurch kann er wieder normal laufen. Manche Hunde haben Probleme aufzustehen und müssen sich einlaufen. Die Hunde setzen sich seitlich hin, mit „gestrecktem Bein“, da sie das Knie nicht mehr gut anwinkeln können. Häufig zu beobachten ist eine Schwellung des Kniegelenks und Schmerzen bei der maximalen Beugung oder Streckung des Beines. Nehmen Sie daher Bewegungsprobleme nicht auf die leichte Schulter. Vor allem nicht, wenn diese immer wieder auftreten!

Diagnostiziert wird ein kompletter Kreuzbandriss durch die Auslösung des „Schubladeneffektes“: Wenn das gerissene Kreuzband die Scherbewegung der Knochen nicht mehr verhindert, lässt sich der Oberschenkelknochen nach hinten verschieben, der Unterschenkel tritt wie eine Schublade nach vorne. Diesen Effekt kann der Therapeut überprüfen. Er gilt als beweisend für den Kreuzbandriss. Diese Methode sollte möglichst unter Kurznarkose erfolgen, um dem Tier die auftretenden Schmerzen zu ersparen und die Muskeln zu entspannen.

Der Tibia-Kompressionstest kann die Diagnose bestätigen. Bei ihm wird das Kniegelenk gestreckt und das Sprunggelenk gebeugt, so dass der Zug der Bänder den Schubladeneffekt auslösen. Zusätzliche Röntgenbilder zeigen einen Erguss im Knie, ist diagnostisch aber nicht wirklich nötig. Mögliche Arthrosen können jedoch damit aufgedeckt werden. Eine Arthroskopie, also eine diagnostische Operation, kann einen Teilabriss bestätigen. Sie sollte aber nur angewandt werden, wenn alle anderen Diagnosemöglichkeiten ausgeschöpft und andere Krankheiten sicher ausgeschlossen werden können. Denn sie tut zwar dem Tierarzt gut, aber nicht unbedingt dem Tier. Eine Eröffnung des Gelenks birgt immer viele Risiken.

Behandlungsmöglichkeiten

Ist das Kreuzband angerissen oder gerissen, muss etwas getan werden. Tierärzte raten dann schnellstmöglich zu einer Operation, weil sich Arthrosen bilden könnten: Durch die verschobene Stellung reiben die Gelenkflächen aufeinander, entzünden sich und bilden Knochenzubildungen. Auch bei Teilrissen der Sehne kann dies passieren. Weitere Möglichkeiten sind eine konservative Therapie ohne Operation, bei der die Selbstheilungskräfte des Körpers im Mittelpunkt stehen, und eine Unterstützung mit Bandagen.

Operationen des Kreuzbandes

Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, ein Kreuzband zu operieren. Die ideale Operation gibt es nicht, sonst würde nur diese angewandt. Sie muss dem Hund individuell angepasst werden. Drei operative Methoden stellen wir Ihnen hier vor.

OP nach Meutstege

OP nach MeustegeFür kleine Hunde unter 10 kg wird oft ein Bandersatz mit körpereigenen oder synthetischen Fasern empfohlen. Bei schwereren oder sehr agilen Hunden ist die Belastung der Fasern zu groß, sie reißen dann zu schnell. Bei der „Operation nach Meutstege“ wird das Kreuzband imitiert: Das Band wird hinten am Oberschenkel durch eine Schlaufe über den Knochenfortsatz (Sesambein) oder eine Verankerung fixiert. Der zweite Ansatzpunkt ist ein Tunnel, der vorne in den Unterschenkel gebohrt wird. Die besten Ergebnisse wurden wohl mit der Arthrex TightRope™-Technik mit speziellen synthetischen Bändern gemeldet.




TTA - Tibial Tuberositiy AdvancementTTA und TPLO

Bei Hunden mit mehr als 10 kg Körpergewicht werden die TPLO und die TTA angewandt. Hier wird die Mechanik des Unterschenkels verändert, so dass das Kreuzband überflüssig wird, weil sich die Schubkräfte im Knie verlagern.

Bei der TTA (Tibial Tuberositiy Advancement) wird vorn ein Stück des Schienbeins abgetrennt. Zwischen diesem Teil und dem Schienbein wird ein Platzhalter gesetzt, eine Spalte entsteht. Der abgetrennte Teil wird mit einer Platte wieder am Schienbein befestigt. Die Mechanik des Knies wird durch die TTA verändert: Die Bänder der Kniescheibe spannen sich zwischen Oberschenkel und Schienbein und halten sie zusammen. Die neue Spalte verlängert den Weg für die Bänder, so dass sie gespannt werden. Sie ziehen damit den Oberschenkel weiter nach vorne. Die Auflagefläche des Oberschenkels ist dort weniger abschüssig. Er rutscht bei Belastung nicht mehr nach hinten, das Kreuzband wird überflüssig.

TPLO - Tibial Plateau Leveling OsteotomyDie gleiche Änderung der Mechanik verfolgt die TPLO (Tibial Plateau Leveling Osteotomy). Der Schienbeinkopf wird abgetrennt, nach hinten versetzt und mit einer Platte befestigt. Auch hier verändert sich der Winkel der Auflageflächen. Der Oberschenkel gleitet bei Belastung nicht mehr nach hinten, das Kreuzband ist überflüssig.

Dr. Tina Gebing, Biologin und THP

Teil 2 über den Kreuzbandriss beim Hund beschäftigt sich mit den Reha- und alternativen Behandlungsmethoden.

31.01.2018

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