Wolfsspitze

Unbestechliche Wächter von Haus und Hof

Wer einmal Wolfsspitze hatte...

Keine Nacht würde ich ohne meine „kleinen Wölfe“ allein auf meinem Hof verbringen. Mit ihrer Wachsamkeit und in ihrer absoluten Unbestechlichkeit sind sie meine Sicherheit und die meiner Pferde. Bei jedem fremden Geräusch stehen sie sozusagen „aufrecht im Bett“ und machen so viel Krach, dass eventuelle Einbrecher von vornherein woanders hingehen, wo es leiser zugeht – ganz abgesehen davon, dass Wolfsspitze im Ernstfall ausgesprochen wehrhaft sind.

Dabei sind sie zärtlich und sanft, temperamentvoll und verspielt und bei einer schier eisernen Gesundheit auch noch ausgesprochen hübsch.

Sie waren ganz knapp vor dem Aussterben


Sie waren selten geworden, die Grauen mit dem großen Kragen und dem bezaubernden „Wolfsspitzlachen“. Vor etwas mehr als zwanzig Jahren noch wurden nur etwa 100 Welpen pro Jahr geboren, die Rasse stand bereits auf der Liste der aussterbenden Haustierrassen.

Dass die Wolfsspitze so selten geworden sind, hat mehrere Gründe:
Zum einen haben sie ein langes Fell, und ordentliche Hausfrauen vermuten Haare auf ihrer Couch; zum anderen waren sie über Jahrhunderte die Hunde der unterprivilegierten Schichten wie der Bauern und der fahrenden Händler. „Bauernspitz“, „Karrenspitz“ – unter diesem Namen waren sie seit dem Mittelalter bekannt, und das kennzeichnet ihren Umgang. Bauern und Händler schätzten sie, denn ein Bauer, der einen Wolfsspitz auf dem Hof hatte, brauchte keine Angst vor Dieben zu haben, und ein fahrender Händler konnte seinen Karren mit Wolfsspitz obenauf überall stehen lassen: Da ging niemand ran! „Städtische Hunde“ jedoch waren sie nie, das waren eher ihre Verwandten, die Zwergspitze. Daher sind die Wolfsspitze im Gedächtnis der breiten Bevölkerung auch nicht verankert. Zumindest nicht positiv.

Umschwung in der Zucht


Als Hunde mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem letzten Weltkrieg eher als „pets“ denn als Nutztiere gehalten wurden, fiel der im Charakter nicht immer einfache Wolfsspitz einfach durchs Raster.
So war es im Westen Deutschlands. Im Osten war es etwas anders: Hier wurde er immer weiter gezüchtet, aber durch die schmale Zuchtbasis und die Inzucht „verwässerten“ die typischen Merkmale, die Hunde wurden insgesamt kleiner und zierlicher und verloren auch die charakteristischen dunklen Haarspitzen, so dass sie sozusagen einheitlich grau aussahen.

Nach der Wende wäre die große Chance da gewesen, wenn der Zuchtverband es wie manch andere Zuchtverbände gemacht hätte, nämlich eine verbindliche Zuchtpolitik festzulegen. Doch das tat man nicht: Wie immer „durfte“ jeder Züchter die Hündin von dem Rüden decken lassen der ihm gefiel; und so kam es, dass sich nicht nur die Züchter im Westen auf die wenigen extrem großen Rüden in den westlichen Bundesländern stürzten, die gerade in Mode waren, sondern auch die Züchter aus dem Osten. Nach wenigen Generationen hatte man nun tatsächlich insgesamt eine recht schmale Zuchtbasis. Das konnte nicht gut gehen, zumal viele unerfahrene Hundebesitzer mit den eigenständigen und charakterlich starken Hunden nicht umgehen konnten, sich aber in die aufkommende Hundeschau-Szene stürzten und dort natürlich nicht „landen“ konnten.

Also beschloss man, „frisches Blut“ in die Rasse zu bringen. Das waren leichtere und kleinere Hunde teils aus Skandinavien, aber auch aus England, der „Keeshond“ der benachbarten Niederlande und – der ganz große Renner – Nachzuchten deutscher Wolfsspitze aus den USA. Hier hatte man den Wolfsspitz schon so geformt, wie ihn sich der deutsche Zuchtverband vorstellte: Kleiner als der bisherige, ein paar mehr Farbschattierungen (das klassisch graugewolkte Haarkleid mit schwarzen Haarspitzen ist ja auch zu langweilig…) und vor allen Dingen charakterlich „besser“.

Das heißt im Klartext: Kompatibel und weichgespült und somit ein netter quadratischer Hund, der auf den ersten Blick aussieht wie ein Wolfsspitz, dem aber die charakteristischen Eigenschaften weitgehend fehlen, weil die ja angeblich „schwierig“ sind...
So ist der heutige Wolfsspitz/Keeshond.

Das Erscheinungsbild


Mit einer Schulterhöhe zwischen 43 und 55 cm ist der Wolfsspitz der größte unter den deutschen Spitzen. Der quadratische Hund mit der geringelten Rute gehört zum Typ Urhund. Bei Ausgrabungen steinzeitlicher Siedlungen wiesen die offensichtlich domestizierten Hunde genau diese Charakteristika auf. Ob die Hunde damals schon den mächtigen Halskragen, die voll befederten „Hosen“ und das graugewolkte Fell hatten, weiß man nicht. Der Typ jedoch blieb über Jahrhunderte derselbe.

Sie sind unverkennbar im Erscheinungsbild – ein kompakter Hund, der aufgrund seiner geraden Gliedmaßen nicht fürs Langstreckenlaufen konzipiert ist, sondern eher für kurze Sprints.

Die klassische Haarfarbe der Wolfsspitze nennt sich „graugewolkt“. Das ist eine dichte graue Unterwolle, darüber die langen grauen Grannenhaare mit schwarzen Spitzen. Heutzutage sind auch andere Haarfarben erlaubt, sogar gescheckte Wolfsspitze gibt es.

Das Fell ist übrigens relativ pflegeleicht. Beim alten Schlag genüg gelegentliches Bürsten. Einmal im Jahr allerdings steht der Fellwechsel an; dann verliert der Hund flockenweise die dichte Unterwolle, die sich übrigens hervorragend spinnen und später verstricken lässt.

Der moderne Wolfsspitz hat ein längeres Fell als der alte Schlag. Auch ist das Fell deutlich weicher und pflegeintensiver. Regelmäßiges gründliches Bürsten ist dringend zu empfehlen, da die Unterwolle sonst verfilzt.

Der Anspruch der Hunde


Wolfsspitze sind ausgesprochen anpassungsfähig. Allerdings haben sie eine hervorstechende Eigenschaft, das ist ihre Wachsamkeit - alles, was zu ihrem Territorium gehört, bewachen sie mit Leidenschaft. Daraus geht hervor, dass ein Single in einem Apartment nicht unbedingt der geeignete Partner für sie ist – ihr wacher Geist will das Leben um sich herum beobachten und bewerten in „sicher oder unsicher für die Meinen“. Alles vermutlich Unsichere wird dann akribisch im Auge gehalten bzw. vehement bekämpft. Mit einem Wolfsspitz im Haus kommt niemand unbemerkt hinein.

Die freiheitsliebenden Hunde hassen permanenten Druck. Anbindehaltung von Hunden ist in Deutschland glücklicherweise per Gesetz verboten; aber auch Zwingerhaltung geht beim Wolfsspitz gar nicht. Die meisten Hunde werden aggressiv und sind nicht immer nur dankbar, wenn man sie aus ihrem Gefängnis herausholt. Seit Jahrhunderten darauf gezüchtet, Haus und Hof frei laufend zu bewachen, verstehen sie Anbinden und Einsperren als Vertrauensbruch und quittieren das nicht immer mit Freundlichkeit ihrem „Besitzer“ gegenüber.

Ein ziemlich spezieller Charakter


Dennoch haben Wolfsspitze völlig zu Unrecht einen schlechten Ruf.
Der kommt daher, dass sie einen starken Charakter und ein unabhängiges Wesen haben. Die meisten Menschen jedoch bevorzugen einen Hund, der „sofort“ hört und alles tut, was sie möchten (Wolfsspitze haben dasselbe Problem, das Esel bei Pferdemenschen haben: Sie sind etwas speziell).

Ihr Gehorsam ist nicht so sehr ausgeprägt: Sie tun gern „ihrem Herrn“ etwas zuliebe – aber untertänig sind sie nicht. Nach einem Pfiff sagen sie eher „Ich komme gleich....“ und kommen dann auch irgendwann, als dass sie sofort losrennen und sich ihrem Herrn zu Füßen legen würden. Und bei Strafe zeigen sie eher die Zähne, als dass sie kuschen. Mit einem Wort: Hochintelligente, selbständige Hunde, die mit Respekt behandelt werden möchten.

Dabei sind sie sehr sozial. „Ihre“ Familie geht ihnen über alles, nichts ist ihnen wichtiger, als mit ihr zusammen zu sein und sie zu bewachen, wobei sie den Bewachungsradius auf das ganze Haus (den ganzen Hof) ausdehnen und standorttreu, geflügelsicher und unbestechlich sind. Streunende Wolfsspitze wird man kaum sehen; ihre angeborene Aufgabe ist die Bewachung von Haus und Hof. Alles was zum Haus gehört, sei es Mensch oder Tier, wird akzeptiert. Fremden hingegen steht der Wolfsspitz oft erst einmal skeptisch gegenüber. Außerdem gilt er als wildsicher; der Dt. Jagdschutzverband empfiehlt ausdrücklich „die Verbreitung des „reingezüchteten deutschen Wolfsspitzes“ (ob dies nach der Kreuzung mit dem Keeshond auch noch gilt, ist ungewiss).
Zumindest der Wolfsspitz vom alten Schlag, der hie und da noch mit viel Engagement gezüchtet wird, ist aufgrund seiner Charakterstärke und Eigenwilligkeit ein Hund für engagierte Hundebesitzer, ein unbestechlicher mutiger Gefährte… man muss halt ein weites Herz haben und darf keinen Kadavergehorsam erwarten.

Der moderne Wolfsspitz ist ein ausgesprochen hübscher und charmanter Familienhund, der auch auf Schauen zu punkten weiß. Aber auch er braucht eine feste Hand.
Wer sich heute einen Wolfsspitz kauft, sollte wissen, was er will:
Den „alten Schlag“, einen charakterlich starken Hund, der einen starken Schutzinstinkt hat und dazu neigt, gelegentlich eigene Entscheidungen zu treffen, die er auch „durchzieht“ – oder den modernen Typ, bei dem alle diese Eigenschaften deutlich weniger ausgeprägt sind, der aber durch sein Erscheinungsbild und seinen Charme besticht.
Man hat die Wahl.

Weitere Informationen:
Verein für Deutsche Spitze e.V., Burgvogtskamp 19, 24249 Kiesdorf.
Internet: www.deutsche-spitze.de

Uta Over

31.10.2017

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