Antibiotikaresistenzen bald am Ende?

Wünschenswert wäre es ja

Zumindest gibt es einen interessanten wissenschaftlichen Ansatz, Antibiotikaresistenzen einzudämmen. Handlungsbedarf besteht diesbezüglich schon seit langem. In Europa sind offenbar schon heute viele Erreger resistent gegen Carbapeneme (ß-Laktam-Antibiotikum) und gegen Linezolid, einem - sogar neuen! - MRSA-wirksamen Reserveantibiotikum. Die Gefahr scheint also groß, in absehbarer Zeit keine wirksamen Antibiotika mehr zur Verfügung zu haben…

Antibiotika zählen heutzutage zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Ihr Verbrauch spricht Bände: Im Jahre 2017 ca. 700 t jährlich sowohl im Veterinär- als auch im Humanbereich. Zwischen 2011 und 2017 ging der Einsatz an „klassischen“ Antibiotika (Tetrazykline, Makrolide, Sulfonamide, Penicilline) in der Tiermedizin um ca. 57 % zurück. Bei 1.706 t im Jahr 2011 kann man vermutlich von vorherigem verschwenderischen Medikamentenverbrauch ausgehen. Gleichzeitig nahm jedoch der Einsatz an Fluorchinolonen im Veterinärbereich enorm zu - seit 2011 um ca. 20%!

Fluorchinolone zählen zu den Reserveantibiotika, d. h. zu jenen Antibiotika, die ausschließlich für den Einsatz mit strenger Indikation (wegen schwerer Nebenwirkungen) vorgesehen sind. Im Klartext: Sie sind die überhaupt noch einzig wirksamen Antibiotika bei bestimmten - schweren - Infektionen. Gegen die gängigen Antibiotika sind die Erreger resistent und Nicht-Reserveantibiotika völlig unwirksam.

Aber auch im Humanbereich ist nicht alles „im grünen Bereich“: 30 % der Antibiotikaverordnungen sind offenbar unnötig, bei ca. einem Drittel aller Verordnungen handelt es sich in Deutschland um Reserveantibiotika!

Weltweit war von 2000 bis 2015 ein Anstieg im Verbrauch von Antibiotika (einschließlich Reserveantibiotika) um 65 % zu verzeichnen. Und bis 2030 rechnet man mit einer weiteren Zunahme des Gesamtverbrauchs um 200 %.

Also ziemlich düstere Aussichten?


Nicht unbedingt. Hochinteressante Untersuchungsergebnisse einer Forschungsgruppe der Charité - Universitätsmedizin Berlin weisen unter Umständen auf Lösungsmöglichkeiten hin:

Mittels eines bisher unbekannten Mechanismus können sich Mikroorganismen, eben auch Bakterien, vor freien Radikalen schützen. Diese sind hochreaktive Sauerstoffverbindungen, die wichtige Zellstrukturen wie die Erbsubstanz (DNA/ RNA), Eiweiße und Zellmembranen schädigen können. Der Körper versucht immer ein Gleichgewicht herzustellen zwischen freien Radikalen (Oxidanzien) und Antioxidanzien. Letztere können die freien Radikale entschärfen, sollten sie Überhand nehmen (oxidativer Stress). Allerdings sind die freien Radikale nicht ausschließlich zu verteufeln, denn sie nutzen der Zelle bzw. dem Organismus, indem sie z. B. eindringende Erreger bekämpfen. Spezielle Zellen des Immunsystems produzieren zu diesem Zweck sogar freie Radikale.

Kommen nun Bakterien in Kontakt mit Antibiotika, so entstehen durch Stoffwechselaktivitäten freie Radikale. Diese können den Bakterien (oder anderen Mikroorganismen) gefährlich werden und ihnen den Garaus machen.
Dagegen haben Erreger eine offenbar sehr effiziente Strategie entwickelt, um Angriffen durch freie Radikale zu entgehen - und damit die Wirkung von Antibiotika abzuschwächen oder gar zu eliminieren.

Anhand von Bäckerhefe - als Modellorganismus - konnte beobachtet werden, dass diese ihrer Umgebung in großen Mengen Lysin entnahm. Lysin ist eine essentielle Aminosäure zur Synthese zelleigener Eiweißstoffe. Die Entnahme erfolgte bis zur 100fachen Konzentration dessen, was für das Zellwachstum notwendig wäre! Diese Lysin-„Ernte“ triggert wiederum Redox-Stoffwechselprozesse und bewirkt einen außergewöhnlichen Anstieg von Glutathion in den Zellen. Glutathion, ein Tripeptid aus den drei Aminosäuren Glutaminsäure, Cystein und Glycin, zählt zu den wichtigsten Antioxidanzien im Körper!

Die Folge: Die Hefezellen waren deutlich resistenter gegenüber freien Radikalen und hatten somit wesentlich bessere Überlebenschancen. Diese Resistenzmechanismen nutzen auch Bakterien, wie die Forschergruppe nachweisen konnte.
Nun stellt sich für die Forscher natürlich die Frage, wie der Abwehrmechanismus der Mikroorganismen unterbrochen und damit die Wirksamkeit von Antibiotika verbessert werden kann.

Um Resistenzen zu minimieren bräuchte es außerdem einen Überblick über abgegebene Antibiotikamengen. Im tiermedizinischen Bereich ist dies seit 2011 gesetzlich geregelt. Pharmazeutische Unternehmen und Großhändler sind gesetzlich verpflichtet, die Menge der an Tierärzte abgegebenen Antibiotika an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information zu melden. Im Humanbereich gilt nichts dergleichen. Insbesondere Hausärzte verschreiben relativ häufig Antibiotika. Dementsprechend sollten auch hier sämtliche Antibiotika-Verschreibungen verpflichtend erfasst und in jährlichen Statistiken dokumentiert werden.

Diese Formalitäten nützen einem infektionserkrankten Tier bzw. Menschen herzlich wenig. Und dem Immunsystem ist es völlig egal, ob Erreger resistent sind oder nicht. Immunkompetente Zellen ziehen gegen alle pathogenen Mikroorganismen zu Felde. Resistenzen werden erst dann bedeutsam, wenn Antibiotika ins Spiel kommen, d. h. bei der Behandlung schwerer Infektionskrankheiten. So jedenfalls sollte die Praxis aussehen - tut sie aber eben nicht. Dass Antibiotika, darunter häufig Reserveantibiotika, unkritisch und vorschnell bei im Grunde ungefährlichen Infektionen verabreicht werden, wurde bereits erwähnt.

Wie also den Heilungsprozess bei Infektionen sinnvoll unterstützen, anstatt den unbesonnenen Antibiotikaverschreibungen vieler Tierarztpraxen (und Humanpraxen) ausgeliefert zu sein?

Hier lautet die Devise: Immunsystem stärken!

Dr. Frauke Garbers

Quellen

https://www.heise.de/tr/artikel/Statistik-der-Woche-Verbrauch-von-Antibiotika-3867807.html

12.09.2019

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