Bravecto®

Konservative Floh- und Zeckenmittel in Form von Spot Ons werden offenbar langweilig. Eine Innovation muss her: Die sensationelle Kautablette für Hunde gegen Ektoparasiten wie Flöhe und Zecken – dauerhafte Giftbelastung des Hundes garantiert!

Warum so zynisch? Wir schauen einmal genauer hin:

Dieses Tierarzneimittel mit dem Wirkstoff  Fluralaner der Firma Intervet Deutschland GmbH, einem Unternehmen der MSD Tiergesundheit, tötet Flöhe (Ctenocephalides felis) und Zecken (Ixodes ricinus, Dermacentor reticulatus, D. variabilis) sofort und anhaltend über 12 Wochen; die braune Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) sofort und anhaltend über 8 Wochen. Zwecks optimaler Flohkontrolle sollte die Behandlung daher alle 3 Monate erfolgen.

Die braune Hundezecke ist hauptsächlich in Südeuropa weit verbreitet. Durch Einschleppung kann sie auch nördlich der Alpen auftreten. Sie kommt endemisch allerdings nur in beheizten Räumlichkeiten wie Wohnungen, Tierheimen etc. vor.

„Phantastisch! Problem Zecken und Flöhe ist nun endlich gelöst“, werden viele aufatmend sagen. Vorsicht: Ganz so einfach ist es offenbar nicht.

Wirkungsweise

Denn erstens wirkt Fluralaner systemisch gegen Flöhe und Zecken. Das heißt, der Wirkstoff wird über die Magen- und Darmschleimhaut und anschließend über die Blutbahn im gesamten Körper des Hundes verteilt. Die Parasiten müssen über eine Blutmahlzeit mit Fluralaner in Kontakt kommen, sprich am Wirt saugen. Flöhe werden dann innerhalb von 8 Stunden und Zecken innerhalb von 12 Stunden getötet.

Und hier liegt das Problem. Man erreicht nicht, was man erreichen will: Während der Nahrungsaufnahme der Parasiten auf dem Wirt  „(…) kann ein Risiko der Übertragung von Krankheiten durch Parasiten nicht ausgeschlossen werden.“ Das gibt der Hersteller zu (www.msd-tiergesundheit.de/products/bravecto/bravecto.aspx). Aber genau darum sollte es doch gehen.

Zweitens hat Bravecto keine repellierende, d. h. abwehrende Wirkung. Für diese bräuchte man ein zweites Medikament, also eine weitere unnötige toxische Mehrbelastung des Hundes. Man überlege einmal: Da wird ein Tierarzneimittel lobgepriesen, das keinerlei Abwehreffekt gegen Flöhe und Zecken besitzt und damit keinen Schutz vor Übertragung von Erregern bietet. Abhilfe würden vermutlich aus Sicht der Pharmalobby „Schutz“impfungen schaffen. Diese implizieren zusätzliche gesundheitliche Belastungen für den Hund und sichere Einnahmequellen für Tierärzte und Pharmaindustrie. Hier werden offenbar bewusst Vertrauen und Gutgläubigkeit der Tierhalter ausgenutzt, um einen geschäftlichen Vorteil zu erlangen. Eine perfide Vorgehensweise!

Drittens basiert das lange Wirkungsintervall von Fluralaner auf bestimmten pharmakokinetischen Eigenschaften (Pharmakokinetik = Gesamtheit aller Prozesse, die ein Arzneistoff im Körper erfährt):

  • starke Anreicherung vorzugsweise im Fettgewebe, gefolgt von Leber, Niere und Muskeln
  • relativ langsame Konzentrationsabnahme im Plasma (Halbwertszeit 12 Tage)

Der Wirkstoff verbleibt demnach lange im Körper des Hundes. Übergewichtige oder fettleibige Hunde sind hinsichtlich toxischer Anreicherungen stärker gefährdet als normalgewichtige Hunde (dito der Mensch).

Wird die Anwendung wie empfohlen alle drei Monate wiederholt, könnte es möglicherweise zu Kumulationseffekten kommen. Der Körper wird das „Zeug“ nie los, Leber und Niere müssen ständig auf Hochtouren arbeiten. Kaum eine Chance zur Entgiftung. Stattdessen drohen längerfristige Leber- und Nierenschäden mit entsprechenden Symptomen und Krankheitserscheinungen.

In diesem Sinne ist der Hund wahrlich auf den Hund gekommen!

Auch eine Giftbelastung des Gehirns mit Fluralaner bei Hunden kann nicht eindeutig ausgeschlossen werden: Fluralaner wirkt hemmend auf das Nervensystem der Flöhe und Zecken, indem es die Nervenreizleitung an den Zellmembranen blockiert. Die Parasiten werden gelähmt und sterben daran.

Wirklich nur für die Parasiten giftig?

Genauer: Fluralaner besitzt eine Affinität zu sogenannten GABA(y-Aminobuttersäure)- und Glutamat-Rezeptoren. Durch „Ansteuern“ dieser Rezeptoren öffnen sich die Chlorid-Kanäle in den Zellmembranen von Nerven- und Muskelzellen. Der Chlorid-Einstrom in die Zelle erhöht sich und die  Hyperpolarisation der Zellmembran verhindert eine Erregungsweiterleitung. Dieser Vorgang umfasst alle Körperteile und Organe (Gliedmaßen, Atmungsorgane etc.).

Die genannten Rezeptoren existieren jedoch genauso im Gehirn des Hundes (und aller anderen Säugetiere). GABA-Rezeptoren sind weit verbreitet im ZNS (Gehirn und Rückenmark), der Nervenbotenstoff GABA macht hier ca. 30% der Neurotransmittermenge aus! Er ist der wichtigste inhibitorische (hemmende) Nervenbotenstoff beim Menschen.

Eine intakte Blut-Hirn-Schranke schützt das ZNS – und damit auch die GABA-Rezeptoren – vor toxischen Substanzen bzw. Verbindungen. Ob Fluralaner die Blut-Hirn-Schranke wirklich nicht überwinden kann, ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Anthelmintika (Entwurmungsmittel) mit Avermectinen als Wirkstoff funktionieren offenbar nach dem gleichen Prinzip wie Fluralaner. Auch sie hemmen das Nervensystem aufgrund ihrer Affinität zu GABA-Rezeptoren.

Deshalb im Folgenden einige Zitate zur Wirkung von Avermectinen:

„Zudem ist die intakte Blut-Hirn-Schranke bei Vertebraten kaum permeabel für Avermectine, es kommt aber trotzdem auch an Neuronen des Gehirns von Säugetieren zu einer Verstärkung GABA-erger Prozesse …“, so eine Dissertation der Universität München aus dem Jahre 2011(http://edoc.ub.uni-muenchen.de/13502/1/Schnerr_Cornelia_U.pdf).

Im Klartext: Obwohl eine intakte Blut-Hirn-Schranke im Gehirn von Säugetieren für Avermectine – kaum! – durchlässig sein soll, treten bei Verabreichung dieses Mittels verstärkt Reaktionen an den GABA-spezifischen Nervenzellen auf. Ganz so undurchlässig ist die Blut-Hirn-Schranke dann wohl nicht! Beispielsweise Vögel (insbesondere Finken und Wellensittiche) reagieren auf dieses Mittel mit Abgeschlagenheit. Für Hunde mit dem sogenannten MDR1-Defekt können geringe Mengen bereits tödlich sein!

„Da GABA auch im Gehirn von Säugern vorkommt, wird die Bindung an GABA-Rezeptoren auch als Ursache für die toxischen Wirkungen der Avermectine angesehen …“ (Zoonosepage veterinär). 

Avermectine sind lipophile (Fett liebende) Verbindungen, deshalb

„… können Avermectine durch die Membranen jeder intakten Blut-Hirn-Schranke diffundieren.“ (http://www.vetpharm.uzh.ch/reloader.htm?clinitox/toxdb/SWN_022.htm?clinitox/swn/toxiswn.htm)

Zellmembranen bestehen bekanntlich großteils aus Fettmolekülen!

Gefahr der Akkumulation

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Veröffentlichung über Avermectine (Kurzfassung) von Dr. Andreas Becker. Er erwähnt neurodegenerative Veränderungen im Stamm- und Kleinhirn von Beagles bei einem 53 Wochen dauernden Versuch mit Avermectin! Langzeitschäden können demnach nicht ausgeschlossen werden. Und zwar weder für Avermectine noch für Isoxazoline (Fluralaner), die nach demselben pharmakokinetischen Prinzip „arbeiten“. Die Aussagen zu möglichen Nebenwirkungen dieser Medikamente stützen sich vermutlich auf kürzer angelegte Experimente als das oben genannte. So wird zwar die akute toxische Belastung erfasst, nicht jedoch Kumulationswirkungen der Substanzen.

„Es gilt die von dem niederländischen Toxikologen Henk Tennekes wieder in Erinnerung gerufene Haber`sche Regel: Bei Kumulations- oder Summationsgiften ist die erzeugte Wirkung das Produkt aus Konzentration und Einwirkzeit, wenn keine Eliminierung oder Abbau des Wirkstoffs erfolgt. D. h. wenn die tödliche Menge eines solchen Giftes 365 Gramm pro Tag ist, tritt der Tod ebenso bei einer täglichen Aufnahme von 1 Gramm in einem Jahr ein. Bei der Zulassung des Avermectins "Ivermectin" durch die EMA (European Medicines Agency) wurde nur die akute Toxizität berücksichtigt. Bei einem 53-Wochen Versuch an Beagle Hunden mit dem Avermectin "Eprinomectin" wurden bereits 1994 neurodegenerative Veränderungen im Stamm- und Kleinhirn festgestellt.“ 

www.pan-germany.org

Überhaupt stellt sich die Frage, warum Bravecto nicht ebenso als Anthelmintikum verkauft wird? Lässt sich mit zwei getrennten, vermeintlich spezifisch wirkenden Antiparasitika mehr Gewinn machen?

Noch einige Worte zur internationalen Bedeutung von Fluralaner.

Medikamente wie Valdecoxib und Parecoxib als selektive Cyclooxigenasehemmer in nichtsteroidalen Antirheumatika gehören derselben Wirkstoffgruppe an wie Fluralaner, nämlich den Isoxazolinen.

Valdecoxib ist seit 2005 nicht mehr zugelassen. Parecoxib wurde in der Schweiz aus Sicherheitsbedenken vom Markt genommen, in den USA hat dieses Medikament keine Zulassung. In Deutschland ist Parecoxib allerdings noch auf dem Markt. Jeder Leser bilde sich selbst sein Urteil …

Dr. Frauke Garbers, Biologin

Neue Information des BVL: Neues zu Bravecto®

Quellen:

http://www.msd-tiergesundheit.de/products/bravecto/bravecto.aspx

http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/veterinary/medicines/002526/vet_med_000285.jsp&mid=WC0b01ac058001fa1c

http://www.hunde-ratgeber.eu/neues-zeckenmittel.html

http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/2014/20140211127740/anx_127740_de.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/GABA-Rezeptor

http://de.wikipedia.org/wiki/COX-2-Hemmer

http://de.wikipedia.org/wiki/Braune_Hundezecke

23.05.2017

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