Alternative Hufbehandlung

Gibt es die alleingültige Lehre?

Der Pferdehuf ist ein Kunstwerk der Natur, deshalb sollte man ihm auch sehr viel Aufmerksamkeit schenken. Heute wird aber mehr auf Körperbau, Ausdruck und Leistung gezüchtet, die Hufe jedoch werden bei der Zuchtauswahl häufig vernachlässigt – sonst gäbe es beispielsweise nicht so viele Pferde, deren Hufe für den massigen Körper oft viel zu klein sind (z. B. einige Linien bei den Quarter Horses). Ein anderes Problem ist, dass die meisten Fohlen sehr früh im Jahr in Boxen geboren werden, die dick mit Stroh eingestreut sind und dort verbringen sie oft viele Wochen. In der dicken Einstreu sinken die Hufe jedoch ein und es fehlt der so wichtige Bodengegendruck. Der ist aber mit verantwortlich für das Wachstum der Hufe. In der Natur werden die Fohlen auf harten Böden geboren und müssen innerhalb kürzester Zeit in der Herde mitlaufen. Später geborene Fohlen haben zwar einen Altersnachteil im heutigen Vermarktungsraster, in Bezug auf ihre Hufe jedoch einen deutlichen Vorteil.

Heute soll jeder Boden „weich“ sein – und das ist völlig falsch. Über die Hufe, wenn sie nicht korrekt gestellt und im Gleichgewicht sind, werden große Kräfte durch die Gliedmaßen hoch in alle anderen Körperteile geleitet, wo sie schwere Schäden verursachen. Das sind Schäden, die man bereits im Fohlenalter verhindern kann. Hier muss frühzeitig eingegriffen werden, damit Fehlstellungen sofort korrigiert werden können bzw. erst gar nicht entstehen.

Was man für die Bearbeitung der Hufe beachten sollte

Jedes Pferd hat einen individuellen Bewegungsablauf, und deshalb muss auch jeder Pferdehuf individuell bearbeitet werden. Eine Korrektur des Hufes ist fast immer möglich, auch wenn das Pferd schon älter ist, man muss sie nur mit Bedacht durchführen und alle Einflüsse mit einbeziehen. Es gibt viele Dinge, die bei der Bearbeitung wichtig sind und beachtet werden müssen. Beispiele:

  • Wie oft wird das Pferd in der Woche bewegt?
  • Wie wird es genutzt – als Freizeitpferd oder für den Turniersport?
  • Auf welchem Untergrund steht es? Je unterschiedlicher der Untergrund ist, umso mehr wird auch das Hufwachstum angeregt.
  • Gibt es Offenstall- oder Boxenhaltung?
  • Gab es Vorerkrankungen oder gibt es aktuell gesundheitliche Probleme?
  • Wie wird das Pferd gefüttert? Denn die Fütterung ist entscheidend mitverantwortlich für einen gesunden Huf.

Häufig liegt es an falscher Bearbeitung, wenn die Hufe aus der Form geraten sind. Bei einer sachgerechten Bearbeitung wird dem Huf keine Form aufgezwungen, sondern man ist bestrebt, den Huf so zu bearbeiten, dass sich das Pferd durch
Abrieb die optimale Form selbst anläuft.

Der Wildpferdhuf ist kein geeignetes Vorbild

Der Wildpferdehuf wird bei manchen Bearbeitungsmethoden als Musterhuf herangezogen, wobei das ein Vergleich ist, den man aus meiner Sicht so nicht ziehen kann. Die Wildpferde legen täglich eine Strecke von 16 – 20 km zurück oder noch mehr, um sich zu ernähren, sie haben dadurch einen ganz natürlichen Hornabrieb.

Einen Huf zwanghaft an diesen Wildpferdehuf anpassen zu wollen, kann große Probleme nach sich ziehen. Pferde haben nun nicht mal alle den gleichen Huf, genau wie wir Menschen nicht alle die gleichen Füße haben. Unsere heutigen domestizierten Pferde stehen häufig entweder in ihrer Box oder auf der Weide, ohne dass sie sonst noch bewegt werden, das oft auch noch mit Beschlag. Der Beschlag war früher (und ist es teilweise heute noch) in ganz bestimmten Situationen eine sinnvolle Sache und zwar immer dann, wenn der Hornabrieb größer ist als das Hornwachstum. Bei einem Eisenbeschlag muss man bedenken, dass Hornabrieb verhindert und den Hufmechanismus fast vollständig außer Kraft gesetzt wird. Der Hufmechanismus jedoch sorgt dafür, dass die Blutzirkulation im Huf funktioniert und spielt eine wichtige Rolle im Stoffwechsel des Pferdes.

Ein Barhuf passt sich an, mit Eisen geht das nicht

Normalerweise kann der Barhuf sich durch seine Beweglichkeit an die Unebenheiten des Bodens anpassen, sodass diese ausgeglichen werden. Der Auftritt des Hufes wird dadurch gedämpft, mit einem Eisen ist das nicht möglich – das harte Aufsetzen wirkt so direkt auf die Scharniergelenke des Pferdes.

Ein unbeschlagenes Pferd achtet darauf, wo es hintritt und passt sich mit seiner Geschwindigkeit dem Boden an. Auch wenn ein Pferd fühlig geht und sich seinen Weg sucht, ist das immer noch besser, als mit einem beschlagenen Pferd, dem der Tastsinn verloren ging, über Stock und Stein zu jagen, ohne Rücksicht auf die Pferdebeine. Hinzu kommt noch, dass eine Korrektur des Hufes mit Beschlag nicht möglich ist, weil der natürliche Abrieb fehlt. Es gibt allerdings Pferde, die nicht ohne Hufschutz laufen können, hier gibt es Alternativen wie z. B. den Kunststoffbeschlag oder Hufschuhe.

Jede Methode hat Vorteile und Nachteile

Meine persönlichen Erfahrungen haben gezeigt, dass an jeder Methode, die praktiziert wird, viele Aspekte richtig sind, aber niemals alle. Die Art und Weise, wie ein Huf bearbeitet wird, muss individuell auf das Pferd abgestimmt werden – es gibt kein festes „Muster“, nach dem man einen Huf bearbeiten kann.

So habe ich die Erfahrung gemacht, dass manche Pferde eine dickere Sohle zum Tragen brauchen. Das wird von einigen Ausbildern bestritten, die behaupten, die Sohle sei zum Tragen nicht geeignet. Es ist auch zu bezweifeln, dass Pferde mit sehr schrägen Hufwänden nur auf dem Tragerand laufen können.

Den Druck, der hier entsteht, erkennt man beim Bearbeiten des Hufes an Einblutungen zwischen der Hornkapsel und der weißen Linie. Es dürfte auch jedem einleuchten, dass steile Hufe mehr Druck im Kronrand ausüben, als Hufe mit einer leichten Schräge, die für den Huf normal ist.

Manche Pferde benötigen zwingend einen Tragrand, so dass die Sohle wenig bis keinen Kontakt zum Boden hat. Mir ist aufgefallen, dass dies besonders Pferde sind, die bereits eine Erkrankung am Huf hatten, wie z. B. eine Hufrehe. Diese Pferde sind an der Sohle besonders empfindlich und laufen deutlich besser, wenn die Sohle nur wenig Kontakt zum Boden hat. Der Strahl sollte dabei möglichst mittragen, da unter dem Strahl das Strahlkissen liegt, welches bei Bodenkontakt wie eine Pumpe funktioniert und die Blutzirkulation im Huf anregt. Zudem wirkt er durch seine zäh-elastische Struktur wie ein Stoßdämpfer und schützt somit die Gliedmaßen. Die Hornwand dagegen ist hauptsächlich dazu bestimmt, die Last des Körpers zu tragen und den von ihr eingeschlossenen Hufgebilden Schutz gegen Verletzungen zu geben.

Eine Lehre, nach der das Pferd mit dem Ballen zuerst auffußen soll, also den ersten Bodenkontakt mit dem weichsten Teil des Hufes bekommt, kann ich bis heute nicht nachvollziehen.

Ein Beispiel aus meiner Praxis

Hier habe ich mehrere Bearbeitungsmethoden für den speziellen Huf vermischt.
Ein Pferd kam zu uns mit vier verschiedenen Eisen und ziemlich flachen Hufen. Nachdem ich ihm die Eisen abgezogen hatte, konnte der Wallach kaum laufen und an Reiten war nicht zu denken. Die Hufe standen so flach, dass er wirklich mit den Ballen auf den Boden kam und dieser unter dem Druck richtiggehend litt. Jeder Schritt auf härteren Wegen tat ihm weh, und die Ballen waren ständig gerötet. Um ihn bis zu einer Rehabilitierung überhaupt reiten zu können, griffen wir zu  Hufschuhen.

In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass die Sohle zum Tragen nicht geeignet sei und der Huf einen Tragrand haben müsse. Entsprechend habe ich die Hufe bearbeitet, was deutliche Besserung brachte. Meine Überlegung war dann, entgegen der Lehrmeinung meines Ausbilders, die Sohle dicker werden und ihn mit den Trachten höher kommen zu lassen. Ich hatte bemerkt, dass die Sohle sich leicht eindrücken ließ, also sehr dünn war. Da es auch eine Bearbeitungsmethode gibt, bei der die Sohle so gut wie nicht bearbeitet wird und dadurch voll mitträgt, habe ich in diesem Fall darauf zurückgegriffen.

Eine völlig zugewucherte Sohle nimmt dem Huf jegliche Beweglichkeit, aber eine Sohle, die etwas dicker ist und mitträgt, kann bei manchen Pferden helfen. Die Umstellung dieses Pferdes hat zwar etwas mehr als ein Jahr gedauert, aber heute läuft er schmerzfrei barfuß auf jedem Boden.

Meine Konsequenz aus der Praxis

Warum eigentlich nicht von den verschiedenen Methoden Teile in die Hufbearbeitung mit einfließen lassen? Ich persönlich wünsche mir im Interesse der Pferde mehr Miteinander der Bearbeitungsrichtungen als das übliche Gegeneinander. Die  Königsdisziplin wäre sicher eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Hufschmieden und den alternativen  Bearbeitungsmethoden, was derzeit leider – bis auf wenige Ausnahmen – von beiden Seiten abgelehnt wird. Eigentlich völlig unverständlich, da man sich doch, je nach Situation des Pferdes, sehr gut ergänzen könnte.

Ruth Bildhauer, Huforthopädin,
Beltheim

01.09.2017

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