Arbeit mit jungen Pferden Teil 2

Nachdem nun das junge Pferd durch entspanntes Mitlaufen vorbei an neuen potentiellen Gefahrenstellen zeigt, dass es dieses Arbeitsprogramm nicht mehr sonderlich aufregt, kann ich zum nächsten Schritt übergehen.

Ich werde nun dem jungen Tier neue Aufgaben stellen, die wiederum unseren Deal von Vertrauen und Verantwortung festigen sollen, aber auch schon auf die spätere Arbeit unter dem Sattel hinführen. Und ich kann es nicht oft genug betonen: Genauso elementar wie die Zeit und Geduld, die ich mir für die Grundlagen-Arbeit nehme, ist von Anfang an die Arbeit durch positive Verstärkung: Ich bestätige generell jede minimalste Reaktion des Pferdes in die gewünschte Richtung durch ein Lob. Damit erreiche ich meist sehr schnell, dass das Tier, auf der Suche nach weiterer Bestätigung, aufmerksam und freudig mit mir zusammenarbeitet, was – nach der Basisarbeit der Grunderziehung, später ganz selbstverständlich – auch auf die Arbeit unter dem Reiter übertragen wird.

Wir betreten also nun das erste Mal unseren gemeinsamen Arbeitsplatz, auf dem später einmal auch das Einreiten stattfinden soll. Zuerst möchte ich das Pferd frei laufen lassen, also ohne Leinen etc. nur die Longierpeitsche lernt es jetzt als zusätzliches Hilfsmittel zu meiner Körpersprache und Stimme kennen. Je nach vorhandenen Gegebenheiten ist der Arbeitsplatz eine Reithalle, ein Reitplatz, das Round-Pen oder auch ein Stück abgezäunte Wiese, deren Untergrund möglichst eben sein sollte.

Auch hierzu einige Worte zum Thema Sicherheit: Bei den ersten Malen des „Frei-laufen-lassens“ kann es zu Stresssituationen kommen, die sich durch Missverständnisse zwischen Tier und Mensch entwickeln. Das Pferd soll jetzt quasi eine neue Sprache von mir lernen, und da sind Fehlinterpretationen leider möglich. Da Pferde auf Spannungssituationen naturbedingt als erstes mit Flucht reagieren, muss der Arbeitsbereich gesichert und jede potentielle Verletzungsgefahr unbedingt ausgeschlossen werden!

Zunächst beginnt aber auch diese Arbeit mit dem Führen. Dazu nehme ich das Pferd auf meine Innenseite. Wähle ich also z.B. die linke Hand (unsere linke Seite weist zur Platzmitte hin) für die ersten Runden, so gehe ich rechts vom Pferd, also auf der Seite, auf der es durch Bewegungen und Geräusche mehr Ablenkungen durch die Umwelt geben wird, die das Tier an meiner Seite als Gefahr einstufen könnte. So zeige ich zum einen dem Pferd erneut, dass ich keine Angst vor diesen „Gefahren“ habe und es dagegen mit meinem Körper schütze. Es darf sich sozusagen „in meinem Schatten verstecken“. Außerdem verhindere ich durch diese Position, dass das eventuell erschreckt vor einer „Gruselstelle“ zur Seite springende Pferd mich verletzt, denn es wird immer weg von der „Gefahr“ – also zur Platzmitte hin, und somit auch weg von mir – ausweichen.

Mir ist natürlich bekannt, dass vielen von uns gelehrt wurde, ein Pferd sei immer von links zu führen. Dies basiert aber auf Grundlagen aus einer Zeit, in der überwiegend Männer mit Säbeln an ihren Seiten Pferde führten. Ich ignoriere diese Tradition, weil sie für mich heute kein ausreichender Grund ist, um mich dafür von einem jungen Pferd „über den Haufen rennen“ zu lassen.

Ich führe nun das Pferd zunächst in eine Richtung einmal rund um den Arbeitsplatz herum. Reagiert es auf seine Umgebung aufgeregt und nervös, so laufe ich so lange auf der Außenseite, bis eine sichtbare Entspannung (Kopf senken, Abschnauben, entspannte Ohrenhaltung) stattfindet. Ist dieser Zeitpunkt erreicht, lasse ich das Pferd auf meine andere Seite wechseln, so dass es nun selber auf der Seite der „Gefahrenquellen“ geht.

Dabei behalte ich das Tier aber ständig im Blick, damit ich nicht überrumpelt werde, falls doch noch ein Ausweichen vor irgendwas in meine Richtung stattfinden sollte. Auch auf diese Weise verstärke ich meine Position als Chef weiter: Sollte das Pferd vor einer Gefahrenquelle in meine Richtung ausweichen, mache ich mich sofort lautstark bemerkbar und werde dabei ruckartig riesengroß (am besten Arme hoch über den Kopf strecken), um klar zu machen, dass ich ein Unterschreiten des Mindestabstandes von ca. einer Armlänge nicht toleriere, also auf meiner Individualdistanz bestehe.

Das Pferd fühlt sich nun von beiden Seiten massiv begrenzt und wird versuchen, nach vorne oder rückwärts auszuweichen. Das gestatte ich ihm mit dem lockeren Strick, notfalls laufe ich auch ein Stück mit, bis es sich wieder beruhigt hat. Ich will das Tier nicht in eine Zwangslage bringen, es soll einen Ausweg aus dieser Situation finden können und sich wieder wohl fühlen.

Die Stelle, an der es sich erschreckt hat, gehe ich dann aber sofort erneut an, bis das Pferd auch hier wieder entspannt mit mir vorbeigeht. Geschieht dies, so lobe ich natürlich, und zwar erst wenn wir an der Gefahr vorbei sind, bitte nicht das Lob als „Beruhigung“ für das Tier einsetzen, Sie loben sonst für das Erschrecken, und das wollen wir ja nun wirklich nicht fördern…
Läuft das Tier auf der gesamten Strecke locker mit mir mit, wechsele ich die Hand und beginne wieder damit, auf der Außenseite des Tieres meinen Schutz zu bieten, so dass es „Gruselstellen“ zunächst aus größerem Abstand betrachten kann.

Dieser Richtungswechsel mag zeitraubend und überflüssig erscheinen, aber für ein Pferd sieht dasselbe Ding aus einer neuen Perspektive auch völlig neu aus, es lohnt, sich diese Zeit am Anfang der Ausbildung zu nehmen, da es ein grundlegendes Vertrauen schafft, auf das man spätestens beim ersten Aufsitzen gerne zurückgreifen wird.

Zunächst soll das junge Tier bei dieser Übung nur lernen, auf die richtungsweisenden, treibenden oder abbremsenden Signale meiner Körpersprache zu reagieren, die ich jetzt noch mit der Peitsche optisch unterstreiche.Stufen des Treibens mit der Peitsche sind

  • mit gesenkter Peitschenspitze auf Höhe des Fesselgelenkes zeigend,
  • anhebend auf Höhe des Sprunggelenkes über
  • ein Schlenkern des Peitschenschlages bis hin
  • zum Knallen mit dem Schlag, bis das Pferd sich in Bewegung setzt.

Es soll erstmal verstehen, dass ich von jetzt an vorgebe, in welche Richtung und in welchem Tempo es sich bewegen soll. Dabei setze ich von Anfang an parallel auch Stimmkommandos (z.B. „Handwechsel“ für den Richtungswechsel) ein. Zunächst bedeuten diese Stimmkommandos dem Pferd inhaltlich noch nichts, es kann sie noch nicht für sich übersetzen. Wiederhole ich aber dieselben Wörter in derselben Situation zusätzlich zu meiner Körpersprache, so wird es beides im Laufe der Zeit ver­knüpfen. Ziel meiner Arbeit ist immer, von deutlichen körperlichen Signalen hin zu reinen Stimmkommandos zu kommen.

Wenn das Pferd also auf beiden Händen und der gesamten Strecke entspannt an der Außenseite mitläuft, halte ich an und mache den Strick vom Halfter ab. Nun nehme ich die Longierpeitsche in die Hand, die ich, bevor ich das Pferd geholt habe, bereits irgendwo in Reichweite deponiert habe.

Ich gehe mit der Peitsche in die Platzmitte und drehe meinen Körper in die Richtung, in die ich das Pferd schicken will, zeige auch mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger dorthin, während ich die Peitsche in der anderen Hand halte und sie langsam mit gesenkter Spitze Richtung Hinterhand des Pferdes bewege. Dazu gebe ich das Stimmkommando, was ich in Zukunft für den Schritt nutzen will: ein langgezogenes „Scheeritt“. Hier gilt es, mit der Peitsche behutsam auszuloten, wie viel Druck das jeweilige Pferd ertragen kann. Manches Tier schießt schon wild davon, wenn es die Peitsche nur aus dem Augenwinkel auf seine Hinterhand zukommen sieht, andere brauchen deutlichere Signale.

Wichtig ist hier, meinen Arm mit der Peitsche immer in Richtung auf die Hinterhand des Tieres zu bewegen, wenn ich die treibende Hilfe einsetzen will. Genauso wichtig ist es, dass ich mit meinem Körper beim Antreiben nie vor eine gedachte Linie von meinem Standort bis kurz hinter die Pferdeschulter trete, denn sonst bremse ich das Pferd optisch aus, indem ich ihm „in den Weg“ trete, was meiner treibenden Hilfe mit Arm und Peitsche wider­spräche. Wenn das Pferd beim ersten Anblick der Peitsche tatsächlich gleich im Trab oder Galopp davonstürzt, versuche ich in diesem Stadium nicht, es zu bremsen. Ich drehe mich nur von der Platzmitte aus mit Blick auf die Pferdeschulter mit und lasse den Arm mit der Peitsche mit abgesenkter Spitze immer hinter der Hinterhand des Pferdes, um einen plötzlichen Handwechsel zu verhindern.

So warte ich ab, bis das Pferd sich beruhigt hat und wieder zum Schritt übergegangen ist. Nur, anhalten soll es nicht können! Sollte es das versuchen, hebe ich wiederum die Peitschenspitze langsam höher, bis es sich wieder in Bewegung setzt. Sollte dem Pferd doch ein Handwechsel gelingen, so schneide ich ihm sofort optisch den Weg ab, indem ich nun die gedachte Linie vor seinen Kopf bringe, und so ein Weiterlaufen in die neue Richtung verhindere. Verstärkt wird das ganze mit der Peitsche als Verlängerung meines Armes, die ich nun etwa auf Höhe des Pferdebuges wie eine Barriere vor das Pferd bringe. Ich bilde also mit meinem Körper – und der Peitsche als dessen Verlängerung – eine deutliche Begrenzung des vom Pferd eigenständig ausgewählten Weges.

Auch hier gilt es wieder herauszufinden, wie deutlich meine Signale für das jeweilige Tier sein müssen. Bei vielen Pferden reicht es, wenn ich in der Mitte des Platzes bleibe und nur durch einen Schritt zur Seite die gedachte Linie vor seinen Kopf verlege, um es zu bremsen. Anderen muss man tatsächlich mit Körper und Peitsche den Weg versperren. War ein solcher massiver Körpereinsatz nötig, so versuche ich trotzdem bei den nächsten Malen zu „feineren“ Hilfen zurückzukehren, also weniger Schritte auf das Tier zu zu machen.

Ziel ist es immer, dass ich in der Mitte der Bahn bleiben kann und nur noch mit der Verlagerung meiner gedachten Linie das Tier treibe oder bremse, also mit feinen Hilfen arbeiten kann. In dem Moment, wenn das Pferd abbremst, weise ich wieder mit meinem ganzen Körper in die ursprünglich vorgegebene Richtung, unterstützt von der begrenzenden Peitsche, um es zum erneuten Handwechsel zu bewegen. Versteht das Tier das noch nicht, so verdeutliche ich meine Ansage, indem ich mich mit ausgestreckter Peitsche, die zur Bande nun keine Lücke mehr lassen darf, langsam auf das Tier zu bewege, bis es ausweicht und in die gewünschte Richtung wechselt. Folgt das Tier meinen Ansagen entspannt in die eine Richtung, so leite ich nun gezielt einen Richtungswechsel ein: Ich wechsle die Peitsche hinter meinem Rücken in die andere Hand, und richte meinen Körper nach der neuen Richtung aus, inklusive ausgestreckem Arm und Zeigefinger und trete dem Pferd zunächst nur optisch (durch Verlagerung der gedachten Linie vor den Pferdekopf) in den Weg. Dazu kommt das Stimmkommando (z.B. „Handwechsel“).

Bei den ersten Malen wird es auch hier nötig sein, meine Signale zu verdeutlichen, indem ich meine Position in der Mitte des Arbeitsplatzes verlasse und dem Pferd auch körperlich in den Weg trete. Auch hier hebe ich die Peitsche wieder als Verlängerung meines Armes etwa auf Brusthöhe des Tieres. Ich schneide dem Pferd jetzt immer mehr den Weg ab, bis es die Richtung wechselt.

In diesem Moment lobe ich und ziehe mich wieder in die Platzmitte zurück, um dem Tier klar zu machen, dass es meine Ansage richtig interpretiert hat. Hat das Tier ohne Stress ein paarmal die Richtung gewechselt, lege ich die Peitsche neben mich auf dem Boden und lade das Pferd ein, zu mir zu kommen, indem ich meinen Kopf und Blick zu Boden senke und eine entspannte Haltung einnehme. Auch hierbei bitte ich um Geduld, ich habe das Tier nun mehrfach von mir weggetrieben, es wird jetzt einen Moment brauchen, um zu verstehen, dass es mir jetzt wieder willkommen ist. Früher oder später wird es sich wieder zu mir trauen, ich muss nur Geduld haben und loben, wenn es sich in meine Richtung bewegt. Ist das Pferd bei mir angekommen, streichle ich es ruhig an der Stirn, lobe und nehme es wieder an den Strick, um für heute den Arbeitsplatz zu verlassen.

Barbara Häckell, Ausbilderin für Pferd und Reiter, Benzweiler


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05.09.2017

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