Lebensmittelbestrahlung

Insbesondere Kräuter und Gewürze werden häufig bestrahltSchon seit Jahrzehnten werden Lebensmittel bestrahlt. Bereits vor ca. 120 Jahren kam die Idee dieser Art Lebensmittelkonservierung auf. Aber erst mit der Entwicklung geeigneter Technologien und ausreichend radioaktiver Strahlungsquellen war eine großtechnische Anwendung in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts möglich.

Sinn und Zweck der Behandlung mit ionisierenden Strahlen ist die Haltbarmachung von Lebensmitteln und eine längere Lagerungsfähigkeit der Lebensmittel. Durch die Bestrahlung werden unerwünschte Mikroorganismen, Eier, Larven oder ausgewachsene Insekten z. B. auf Gewürzen, Trockenobst, Nüssen oder in Getreide abgetötet. Krankheitserreger (z. B. Salmonellen) auf Fleisch, Fisch und Geflügel werden eliminiert. Auch verzögert die Bestrahlung von Obst und Gemüse deren Reifung. Zwiebeln, Kartoffeln, Knoblauch werden an der Keimung gehindert.

„Strahlung transportiert Energie in Form elektromagnetischer Wellen oder als Teilchenstrom“, so die physikalische Definition von Strahlung. Die Einheit der durch ionisierende Strahlung verursachten Energiemenge ist Gray, eine von Joule und Kilogramm abgeleitete Größe.

Man unterscheidet (unter anderem) ionisierende und nicht-ionisierende Strahlung. Die nicht-ionisierende Strahlung (Radiowellen, Mikrowellen) kann keine Bindungen zwischen Molekülen und Atomen lösen.

Ionisierende Strahlen dagegen können chemische Verbindungen aufbrechen und Elektronen aus Molekülen „herausschlagen“. Die entstehenden elektrisch geladenen Teilchen nennt man Ionen. Diese chemisch sehr reaktiven Radikale können Zellen und Mitochondrien, Gewebe und Organe und damit den gesamten Organismus schädigen. Das Thema „oxidativer Stress“ durch freie Radikale ist hinlänglich bekannt [siehe artgerecht-Artikel Oxidativer Stress, Anm. d. R.].

Studien, die sich mit der Lebensmittelbestrahlung von beispielsweise fetthaltigen Lebensmitteln befassten, ergaben, dass durch die ionisierende Strahlung neuartige, sogenannte radiolytische Verbindungen entstehen. Diese würden zelltoxisches und erbgutschädigendes (mutagenes) Potential besitzen. Auch aus Tierversuchen ist eine mutagene Wirkung ionisierender Strahlung auf Zellen und Gewebe nachgewiesen.

Durch Bestrahlung mit ionisierenden Strahlen entstehen u. a. freie Radikale, insbesondere Hydroxyl-Radikale. Diese Radikale könnten toxische und mutagene Wirkung haben – und letztendlich auch Krebs auslösen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5820857/).
Die o. g. Studie beinhaltet die Empfehlung, nach nun ca. 70-jähriger Lebensmittelbestrahlungspraxis doch einmal Langzeitstudien zwecks Erforschung der Sicherheit bestrahlter Lebensmittel für den Konsumenten durchzuführen.

Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) stuft die Bestrahlung von Lebensmitteln allerdings als unbedenklich ein. Und auch die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) konstatiert, dass mit der Lebensmittelbestrahlung keine mikrobiologischen Risiken für den Verbraucher verbunden seien.

Widersprüchliche Aussagen, wo immer man hinschaut. In Deutschland gilt ein allgemeines Bestrahlungsverbot für Lebensmittel. Ausnahmen sind getrocknete aromatische Kräuter und Gewürze, die mit einer Gesamtdosis von 10 Kilogray bestrahlt werden dürfen.

Doch was ist mit Lebensmitteln wie z. B. Zitronen und vielen Obstsorten in Deutschland, die, wochenlang gelagert, nie schimmeln, faulen oder schrumpfen? Sie werden vermutlich begast und so in ein „lebenslanges“ Lebensmittel verwandelt.

In anderen EU-Ländern, beispielsweise in den Niederlanden, dürfen dagegen Hülsenfrüchte, Hühnerfleisch, Garnelen und tiefgefrorene Froschschenkel bestrahlt werden, in Großbritannien gilt die Erlaubnis für Fisch, Geflügel, Getreide und Obst. Nur mit einer Sondergenehmigung (sog. Allgemeinverfügung) dürfen diese Produkte nach Deutschland importiert werden. Diese Ausnahmegenehmigung gilt zurzeit jedoch nur für Froschschenkel.

In der gesamten EU besteht eine Kennzeichnungspflicht für bestrahlte Lebensmittel. Alle Lebensmittel und auch Lebensmittelzutaten, die bestrahlt wurden, müssen als „bestrahlt“ oder „mit ionisierenden Strahlen behandelt“ gekennzeichnet werden. Auch bestrahlte Lebensmittelbestandteile, die als Zutat in ansonsten unbestrahlten Lebensmitteln Verwendung finden, unterliegen einer Kennzeichnungspflicht. So z. B. bestrahlter Pfeffer einer Gewürzmischung auf einer unbestrahlten Pizza. Aus ökologischer Lebensmittelwirtschaft stammende Produkte dürfen überhaupt nicht bestrahlt werden.

Stichprobenkontrollen verschiedener Lebensmittelgruppen auf unzulässige Bestrahlung ergaben in den letzten Jahren eine Beanstandungsquote von nur ca. 2 %, bei Nahrungsergänzungsmitteln von ca. 4 %. Doch selbst bei (unrealistischen) lückenlosen Kontrollen wäre das noch ein Produkt/Lebensmittel von 25, das unzulässigerweise bestrahlt wurde und – ebenso verbotenerweise – den deutschen Markt erreichte.

Und noch etwas zu Nahrungsergänzungsmitteln


In den letzten Jahren ist der Marktanteil an Nahrungsergänzungsmitteln stark gestiegen, Tendenz weiter steigend. Das Problem der lückenlosen Kontrolle bestrahlter Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutaten wird hier besonders offensichtlich, denn: Pflanzenbestandteile oder Pflanzenextrakte als Inhaltsstoffe von Nahrungsergänzungsmitteln stammen oftmals aus tropischen bzw. subtropischen Regionen mit klimatischen Bedingungen, die die Verkeimung von Lebensmittel(bestandteilen) fördern. Somit werden viele Ausgangsprodukte bereits in den Ursprungsländern bestrahlt und – möglicherweise – in entsprechenden Nahrungsergänzungen verarbeitet. Demnach wäre es begrüßenswert, die Kontrollen zu verstärken – insbesondere bei Nahrungsergänzungsmitteln. Und darüber hinaus Verfahren zu entwickeln, die bereits sehr geringe Strahlungsmengen erfassen könnten.

Zwei Fragen seien am Schluss gestattet. Erstens: Warum hat Deutschland strengere „Auflagen“ als manch andere EULänder, wenn laut WHO und EFSA die Lebensmittelbestrahlung doch unbedenklich sei? Vermuten die Behörden hier unter Umständen doch gesundheitliche Gefahren für Mensch, Tier und Pflanze – wobei der Mensch unglücklicherweise das letzte Glied in der Nahrungskette ist?

Zweitens – und dies ist meine persönliche Meinung: Könnten nicht eben doch aufgrund von Kontrolllücken (offenbar zu wenig Probennahmen, mangelnde Analyseverfahren, usw.) bei Stichprobenkontrollen, etliche bestrahlte Produkte auf den deutschen Markt gelangen? Der ahnungslose Verbraucher wird – unter Umständen! – regelrecht betrogen. 

Dr. Frauke Garbers, Biologin

31.08.2019

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