Der Sattel

- wichtige Verbindung zwischen Pferd und Reiter

Der SattelLeider wird gerade in der heutigen Zeit dem Thema „Sattel“ viel zu wenig Bedeutung beigemessen, und die Pferde müssen einiges auf ihrem Rücken ertragen. Tolle Werbeschriften mit gefälligen Bildern, bekannte Werbepartner und Sattelsysteme, die vom Reiter selbst mit wenigen Handgriffen änderbar sein sollen, überhäufen den Kunden, der nach einem Sattel sucht, und überfordern ihn.

Pferde sind ursprünglich Fluchttiere und von der Natur nicht dafür gedacht, Reitergewicht zu tragen. Die Last des Reiters muss vom Pferd im Bewegungsablauf nicht nur transportiert, sondern auch ausbalanciert werden. Dafür muss der Reiter genau im Lotpunkt (der statische Schwerpunkt des Pferdes, wo das Reitergewicht ohne Bewegungseinschränkung getragen werden kann) sitzen, da an­sonsten der Rücken- und Schulterhebel nicht in der Lage sind sich aufzuwölben, ergo wird das Pferd hier, entgegen seiner natürlich Laufposition, „niedergezwungen“.

Aus diesem äußerst schmerzhaften Überdruck des Sattel-/Reiterhebels resultieren gravierende Schäden an der Muskulatur, z.B. Atrophien (Schwund) und Rückbildung der Rücken- und Trapezmuskulatur, hohle Halsmuskulatur, eckige Kruppen und Absenken der gesamten Rückenoberlinie (Senkrücken). 

Auch ist korrektes Reiten für den Reiter erschwert bzw. unmöglich, wenn er am falschen Punkt hinter der Bewegung des Pferdes sitzt und die Hilfen/Einwirkungen nicht punktgenau geben kann; das Pferd läuft „ohne Rücken“ und trägt sich in einer Fehlhaltung, um dem Reiter-Satteldruck auszuweichen. Der Reiter wird nicht mehr genügend „mitgenommen“, da das Pferd die Rücken- und Schultermuskulatur nicht mehr anhebt. Durch die Fortbewegung von Pferd/Reiter treten unter Umständen sehr hohe Fliehkräfte auf – dies ist keinesfalls zu unterschätzen.

Weil das ein schleichender Prozess ist, wird er vom Reiter/Pferdebesitzer meistens zu spät wahrgenommen und oftmals erst dann, wenn der Pferderücken schon eine Schädigung erfahren hat. Anzeichen, die eine Sattelkontrolle veranlassen sollten, sind beim Pferd z.B. wenn der Rücken beim Striegeln oder Anfassen weggedrückt wird, beim Satteln Unbehagen zeigt, das Fell im vorderen oder hinteren Auflagebereich der Sattelkissen bricht, der Widerrist nach und nach höher erscheint, faust- oder handtellergroße „Löcher“ hinter der Schulter entstehen, das Pferd beim Reiten den Hals nicht fallen lässt, hinter dem Sattel in Richtung Lende/Kruppe beidseitig „Beulen“ (Lymphödeme) entstehen, Wechsel von einer auf die andere Hand schwerfallen, Aussitzen unmöglich wird, das Pferd mit der Hinterhand keinen Schub entwickelt und nicht genügend übertritt, die Beinaktion der Vorderbeine zu kurz wirkt, der Schweif nicht frei getragen mitschwingt.

Als Faustregel gilt mindestens eine jährliche Kontrolle der Sattelpassform, bei Veränderungen durch Stallwechsel, Futterumstellung, Trainingsintervalle, Krankheit, osteopathische Behandlung, Wachstum, etc. sollte der Sattel öfters kontrolliert werden. Außerdem sollte der richtige Reitsattel gleichermaßen zu Pferd und Reiter passen. Bei einer Sattelprobe muss dem Reiter die Möglichkeit gegeben werden, mehrere Sättel auszuprobieren, damit das richtige Modell ausgewählt wird. Es muss auch die körperlichen Gegebenheiten des Reiters, seine Beweglichkeit, seine Sitzposition, auch seine Schwächen und reiterliche Befähigung berücksichtigen. Besonders ist hier auf die Form der Pauschen zu achten; sie sollen dem Reiter eine leichte Unterstützung gewähren; wegdrücken oder gar fixieren der Beine geht zu Lasten des Pferdes.

Das Pferd sollte genau den Sattel bekommen, der die Anatomie und Bewegungsdynamik des Pferdes zugrunde legt, die muskulären und spezifischen Eigenheiten des Pferdes ausgleicht, osteopathische und schmerzhafte Veränderungen entlastet, den Muskel­aufbau und die Aufwölbung des Rückens unterstützt und den Reiter zusammen mit dem Pferd in den jeweiligen, den beiden Lebewesen entsprechenden Schwerpunkt, ins „Lot“ setzt. Nur dann ist das Pferd in der Lage, Reitergewicht dauerhaft und schmerzfrei zu tragen.
Die Umsetzbarkeit der kompletten, dauerhaften und individuellen Mach­barkeit ist leider bei vielen Sätteln eingeschränkt.

Hier ist schon über den Sattelbaum die weitere Form vorgegeben. Auch die Form der Kissen, die Befestigung der Gurtung und die Winkelung der Kopfeisen lassen oft nicht wirklich viel Spielraum. „Mein Sattel wurde angepasst“, hört man, aber das bedeutet oft nur eine Veränderung der Kammerweite bzw. etwas Polstern. Damit ist eine passende Form nicht zu gewährleisten. Die Erarbeitung der individuellen Passform bedingt grundsätzlich immer eine komplette Überarbeitung des geöffneten Sattels und Sattelbaumes.

Auch sollte nach erfolgter Satteländerung immer eine Kontrolle des Produktes auf dem Pferderücken mit Reiter in der Bewegung, möglichst in allen Gangarten, erfolgen. Dann kann direkt vor Ort mit kleinen Änderungen der Sattel justiert werden.

Hat der Reiter jahrelang falsch gesessen und auch abgelastet, ist eine Umstellung auf den korrekten Sitz erst einmal schwierig und bedarf einer gewissen Eingewöhnungszeit. Ebenso für das Pferd, welches ja durch „Entziehen“ und „Wegdrücken“ jetzt hin zum „Oh, der Rücken ist ja jetzt frei und ich darf mich bewegen“ erst einmal auch psychisch umsetzen muss. Den körperlichen und muskulären Veränderungen des Pferdes kann der individuelle Sattel immer wieder angepasst werden, um die dauerhafte Stabilität des Rückens zu unterstützen.

Dies ist eine gute Investition, die den höheren Kaufpreis wieder kompensiert.Den schönsten Moment empfindet der Reiter, wenn das Pferd wieder locker mit den Vorderbeinen weit ausgreift, der Antrieb aus der Hinterhand kommt und der Pferderücken wieder schwingt. Dann werden Kopf und Hals vom Pferd fallengelassen und das Reiten fühlt sich auf einmal „leicht“ an. Reiter und Pferd bilden eine Einheit.

Leider sieht die Realität anders aus: Junge Pferde mit hohem Widerrist, weggedrücktem Rücken, eckiger Form und viel Leidensdruck. Oft sind die Pferde sehr schmerzresistent und beschweren sich nicht nachdrücklich, daher ist es für den Reiter nicht immer ohne weiteres und direkt erkennbar, wenn sein Pferd durch den falschen Sattel leidet. Hier hoffen und wünschen wir, dass zügig ein Umdenken stattfindet. Natürlich hat ein hochwertiger Sattel, der in vielen Lohnstunden passend aufgebaut wird, seinen Preis. Viele Reiter werden hier erst einmal abgeschreckt, aber wenn man die vielen Schäden durch unpassenden Sättel rechnet, die manches Pferd in seinem Leben erleiden muss – ob das billiger ist?

Yvonne Przybilla, Zilshausen

04.09.2017

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