Arbeit mit jungen Pferden Teil 3

© kislovas - fotolia.com

Der nächste Schritt in der Ausbildung eines jungen Pferdes ist das Longieren. Nachdem ich in den vorangegangenen Arbeitsschritten erst das Grundvertrauen
geschaffen und im zweiten Schritt beim „Frei-Laufen-Lassen“ die Vorgabe der Richtung, die Gangart und die Richtungswechsel geübt und gefestigt habe, gehe ich zum nächsten Schritt über, dem Longieren.

Hierbei soll das Tier – neben stetiger Stabilisierung der Grundlagen – die Balance des eigenen Körpers entdecken, den Beginn des taktreinen Laufens, Entwicklung von Schwung und Losgelassenheit und auch das Geraderichten. Die Muskulatur soll aufgebaut und gestärkt werden und gleichzeitig mache ich das Pferd schrittweise mit weiteren Gegenständen der Ausrüstung vertraut.

©valpictures - fotolia.comZunächst nutze ich zum Longieren aber nur einen passenden Kappzaum, die Longe und die Peitsche. Den Kappzaum bevorzuge ich vor allen anderen Möglichkeiten, da z. B. beim Longieren am Halfter die Gefahr des Verrutschens (ins äußere Auge des Pferdes!) gegeben ist, und direktes Longieren an der Trense halte ich für verfrüht: Bei den ersten Malen kann es durchaus passieren, dass man dem Pferd schnell die Zirkellinie vergrößern muss, weil es – oft gerade im Galopp – noch über seine aktuellen Fähigkeiten zur Biegung hinausgeht. Es muss erst einmal trainieren, sich über einen durch mich vorgegebenen Zeitraum in einer Gangart auf einer Linie gebogen zu bewegen, und sich nicht mehr – wie gewohnt – „in die Kurve zu legen“. Außerdem besteht das Risiko, dass das junge Tier erschrickt und überraschend davonschießt oder ein paar Buckler absolviert. Auch plötzliche Handwechsel sind nicht auszuschließen – wir haben es schließlich mit einem jungen Lebewesen zu tun, das neue Vorgaben und Grenzen immer wieder auf ihren Bestand hin testen wird … Ist in so einem Moment aber das Ende der Longe erreicht, oder der Longierende in seiner Reaktion nicht schnell genug, so kann es passieren, dass das Tier schon beim allerersten Kontakt mit dem Gebiss – wenn auch ungewollt – unangenehme bis schmerzhafte Erfahrungen mit dem Metall in seinem Maul machen muss, was ich unbedingt vermeiden möchte. Das Gebiss soll ausschließlich zur Weitergabe feiner Signale der Reiterhand an das Pferdemaul zur Unterstützung der anderen Hilfen dienen!

Ein weiterer Vorteil des Kappzaumes ist auch, dass man später, wenn die Grundlagen des Longierens vom Pferd verstanden wurden und es körperlich trainierter ist, eine Trense oder nur ein Gebiss zuschnallen kann, ohne dass man bereits Druck darauf ausübt, weil die Longe weiterhin am Kappzaum angeschnallt wird. So kann sich das Pferd erst einmal mit dem „Fremdkörper“ in seinem Maul vertraut machen, bevor irgendwelche Signale darüber gegeben werden. Nun aber zum Longieren selbst: Zunächst betrete ich den Arbeitsplatz wieder mit dem Pferd an meiner Seite. Ich führe es wie gewohnt, indem ich erst außen gehe und somit die Außenseite „sichere“. Ist das Tier an meiner Seite entspannt, wechsele ich nach innen und laufe so abermals mindestens eine Runde, und das auf beiden Händen. Selbst mit einem erfahreneren Pferd wiederhole ich dieses Ritual vor jeder Arbeit, es festigt nicht nur die Vertrauensbasis immer aufs Neue, sondern dient gleichzeitig auch dem Aufwärmen von Tier und Mensch. Je nach Größe des Arbeitsplatzes hat man nämlich meist nach drei Runden auf beiden Händen die als Minimum geforderten zehn Minuten Schritt zum Aufwärmen absolviert.

Grundsätzlich funktioniert die Körpersprache des Menschen beim Longieren ebenso wie beim „Frei-Laufen-Lassen“, nur dass jetzt noch die Longe in der bisher den Weg weisenden Hand gehalten wird. Zunächst schicke ich das Tier aus der Mitte des Zirkels von mir weg, indem ich mit der Hand, in der sich die Longe (in großen Schlingen zum lockeren Abwickeln) befindet, in die gewünschte Richtung weise und, mit der Peitsche treibend, auf die Hinterhand des Pferdes wirke. Ich beziehe dann so Position zu dem Tier, dass ich an der Spitze eines gleichschenkligen Dreiecks stehe: Der eine Arm mit der Longe weist Richtung Pferdekopf und bildet die eine Seite des Dreiecks, der andere weist mit der Peitsche hinter die Hinterhand des Pferdes und bildet die andere Seite. Ich selber stehe so, dass mein Blick in Richtung hinter die Pferdeschulter weist, also etwa dahin, wo später der Sattelgurt liegen wird.

Nun beginne ich die Arbeit mit Stimmkommando und unterstützender Peitsche, wie schon in Teil 2 beschrieben. Nach ein paar Runden Schritt auf der Zirkellinie gehe ich immer mal wieder eine Runde „ganze Bahn“, d. h. ich entlasse das Pferd aus der Biegung auf die Gerade. Dabei laufe ich auf der Mittellinie entlang, während das auszubildende Tier außen auf dem ersten Hufschlag laufen darf. Dabei bitte aufpassen in den Ecken: Hier muss ich frühzeitig stehen bleiben, laufe ich zu weit mit, besteht die Gefahr, optisch vor den Pferdekopf zu treten und es damit auszubremsen!

Funktionieren die Wechsel zwischen Zirkel und ganzer Bahn im Schritt, so führe ich einen Handwechsel durch. Dazu nehme ich die Peitsche hinter meinem Rücken in die Longenhand und die Longe in die andere. Im Unterschied zum Richtungswechsel beim „Frei-Laufen-Lassen“ stelle ich bei Handwechseln an der Longe durch leichten Zug am Kappzaum den Pferdekopf in meine Richtung, bevor ich mit meinem Körper und der Peitsche optisch den Weg abschneide, um zu verhindern, dass das Pferd sich nach außen umdreht und sich so die Longe um den Körper wickelt.

Sind ein paar Handwechsel entspannt vonstatten gegangen, beginne ich mit Schritt-Trab-Übergängen. Dabei ist zu beachten, dass das junge Tier noch viel Platz für die nächstschnellere Gangart braucht, um sich in der Kurve auszubalancieren. Also lasse ich die Longe so lang, dass ich in der Hand nur noch eine Schlaufe behalte (diese Schlinge hebe ich mir generell auf, um bei unvorhergesehenen Aktionen immer eine Reserve zum Nachgeben in der Hand zu haben). Braucht das Pferd noch mehr Raum, so laufe ich in einer kleinen Volte um den Zirkel-Mittelpunkt mit und bleibe nicht – wie bei einem ausgebildeten Pferd – im Mittelpunkt stehen. Ich möchte dem Tier damit die Möglichkeit geben, die Körper-Biegung durch wiederholtes Training zu üben, und gleichzeitig den Druck auf die Pferdenase über Zug am Kappzaum so minimal wie möglich halten. Bestehe ich in dieser Phase schon auf einer Einhaltung der Zirkellinie, würde ich langfristig lediglich provozieren, dass das Pferd zunehmend den Kopf nach innen hält, die Hinterbeine aber zum Ausgleich nach außen wegdriften und es nicht unter den eigenen Schwerpunkt zu treten lernt. So kann es nicht geradegerichtet werden (und damit ist gemeint, dass die Hinterfüße auch auf gebogener Linie in oder über die Spur der Vorderfüße treten)!

Auch nach den ersten zwei bis drei Trabrunden entlasse ich das Pferd immer wieder im Schritt auf die Gerade der ganzen Bahn, bevor ich erneut auf der Kreislinie des Zirkels bestehe. Nach ein paar Schritt-Trab-Übergängen beende ich die erste Longen-Einheit ohne Galopp. Der Galopp folgt erst, wenn ich Schritt-Trab-Übergänge einige Male geübt habe und das Pferd zeigt, dass ihm die Bewegung auf der gebogenen Linie zunehmend leichter fällt. Um das zu erreichen, steigere ich von Übungseinheit zu Übungseinheit:

  • die Arbeitszeit insgesamt (von an - fänglich max. 20 Minuten inklusive Aufwärmen!)
  • die Dauer, in der ich das Pferd auf der gebogenen Linie halte und
  • die Länge der Trabphasen auf der Zirkellinie

Verkürzen kann ich gleichzeitig die Abstände zwischen Schritt und Trab. Damit erhöhe ich also die Anzahl der Übergänge, und trainiere von Anfang an, dass die Belastung immer mehr von der Hinterhand aufgenommen wird.

Ich empfehle auch bei jeder Arbeit mit dem Pferd zunächst kleine Arbeitsprogramme im Kopf zu entwickeln, und bei deren Umsetzung Wert auf möglichst genaue Ausführung zu legen. Ein Beispiel für ein solches Programm:

  • ab C eine halbe Runde Schritt
  • ab X eine ganze Runde Trab
  • ab X anderthalb Runden Schritt
  • ab C noch mal zwei Runden Trab
  • und dann wieder ab C eine Runde Schritt geradeaus auf der ganzen Bahn.

Konnte ich dieses Programm umsetzen, kann ich mir bei der Schrittrunde auf der Geraden schon das nächste Programm zurechtlegen.

Mit dem Erstellen und Umsetzen solcher Miniprogramme hält man von Anfang an sich selbst und das Pferd zu akkurater Arbeit an, was später bei der Reiterei sehr von Vorteil sein wird! Dabei geht es weniger darum, vom Pferd sofort diesen punktgenauen Gehorsam zu verlangen, sondern vielmehr den Ausbilder dazu anzuhalten, erst ein Konzept im Kopf zu entwickeln, bevor er dieses an das Tier weitergibt. Nur wenn der Mensch sich im Klaren ist, was er erreichen möchte, kann er eine präzise Umsetzung vom Tier erwarten …

Barbara Häckell, Ausbilderin für Pferd und Reiter, Benzweiler


Zurück zu Teil 1 Zurück zu Teil 2

05.09.2017

Bildergalerie

Zurück zur Übersicht