Ataxie

- oder etwa doch nicht?

Ein Plädoyer für das Vertrauen in Ihren eigenen Instinkt und Ihr eigenes Wissen

Der von mir gezogene Aberdeen wuchs unter besten Bedingungen in einer renommierten Hengstaufzucht auf – allerdings nicht in meiner Nähe. Schon im Mutterleib wurde er artgerecht, vielfältig und rein organisch ernährt, was zu einem konsolidierterem Wachstum führt als mit herkömmlichen Futtermitteln und anorganischem Mineralfutter. Anfang 2011 wurde er gelegt.

Als er knapp 3-jährig zu mir kam, fiel lediglich eine langsamere Motorik und eine noch unkoordinierte Hinterhand auf. Charakterlich zeigte er sich bezaubernd freundlich, aufmerksam und motiviert für eine Zusammenarbeit. Ein schlichter Check durch den Tierarzt brachte mir dann im Frühjahr 2011 die vernichtende Diagnose. Nach seiner Aussage war das hier vorgestellte Pferd ein Fall für den Schlachter. Natürlich wollte ich gerne noch eine andere Meinung hören und stellte Aberdeen meiner bevorzugten Tierärztin vor.

Bei dieser Untersuchung erfolgte eine ganze Reihe motorischer Tests, an derem Ende „ataktische Symptome und eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit“ diagnostiziert wurden. Bei dieser Untersuchung war ich anwesend, habe aber einen der ausschlaggebenden Tests in einer bestimmten Phase anders beobachtet und interpretiert als die Tierärztin:

Man führt das eine Hinterbein direkt vor das andere, stellt den Huf auf die Spitze und lehnt ihn mit dem Ballen an die Huf-Vorderseite des Standbeines. Nach Platzieren des Hufes hätte der 3-jährige Wallach den vor den anderen platzierten Hinterhuf zurück an die Ausgangsposition führen sollen. Das hatte dieser allerdings bereits beim Führen des Hufes zur Testposition viermal getan! Beim fünften Mal ließ er, als brav erzogenes und gehorsames Pferd, den einen Hinterhuf direkt vor dem zweiten stehen und stand mindestens 2 Minuten auf einem Hinterbein ohne das kleinste Zeichen von Ungleichgewicht. Genau dieses Stehenlassen war es dann, was die Tierärzte zu der Diagnose Ataxie kommen ließ.

Ich war jedoch der Meinung, dass ein Pferd, das fast 3 Minuten ohne zu schwanken und ohne Zeichen von Unsicherheit auf einem Hinterbein stehen kann, keine Ataxie hat! Schon gar nicht, wenn es mich dabei stolz anstrahlt: „Guck mal – freihändig“! Und weil ich dieser Meinung war, bat ich die Ostheopatin meines Vertrauens, Frau Martina Schultheiß, sich Aberdeen anzusehen.

Hier der Behandlungsbericht von Frau Schultheiß, die als energetische Ostheopatin im Raum Mainz – Koblenz praktiziert: „Aberdeen wurde mir im Alter von drei Jahren erstmalig vorgestellt, mit der tierärztlichen Diagnose Ataxie. Vor mir stand ein sehr großer Holsteiner mit altersentsprechend freundlich fragendem Gesichtsausdruck, langem Rücken, langen Beinen, insgesamt noch sehr schlaksig und leicht überbaut. Wie in diesem Alter nicht anders zu erwarten, passte alles noch nicht so recht zusammen. Bei der Palpation zeigte Aberdeen Schmerzreaktionen im Bereich der oberen und unteren Halswirbelsäule, an der Lendenwirbelsäule und Kruppe sowie Abwehrverhalten bei Berührung der Bauchregion. Anfassen am Kopf war ihm nicht angenehm, besonders nicht zwischen den Ohren und im Genick. Bei der Bewegungsanalyse wurde schon im Schritt auf der Geraden deutlich, dass Aberdeen deutliche Schwierigkeiten mit der Koordination seiner Hinterhand hatte.

Es schien, als würde sie nicht zu ihm gehören. Das Becken schwang asymmetrisch, die Beine wurden mit sehr geringer Spurbreite und mangelndem Takt vorgesetzt. Die Problematik verstärkte sich im Trab massiv, hier kam es teilweise zur Überkreuzung beim Abfußen hinten. Außerdem streckte er kompensatorisch beim Traben den Hals steif nach vorne, um überhaupt das Gleichgewicht halten zu können. Das Durchqueren einer Ecke war für Aberdeen somit bereits eine äußerst schwierige Angelegenheit.

Bei der osteopathischen Untersuchung fand ich einen deutlichen Beckenschiefstand mit starker Rotation. Außerdem war das Iliosakralgelenk beidseitig blockiert und das Kreuzbein gekippt. Somit hatte Aberdeen keine Chance, seine Hinterhand adäquat einzusetzen. Die Halswirbelsäule, der in diesem Fall die undankbare Aufgabe zufiel, die schlechte Statik hinten einigermaßen auszugleichen, war erwartungsgemäß ebenfalls blockiert, besonders im Bereich 1. – 3. Halswirbel und im Bereich des Halsansatzes, weil dort besonders viel Haltearbeit geleistet werden musste. Dadurch klemmte auch die erste Rippe und das Schulterblatt links, das Brustbein und das Erbsbein rechts. Eine weitere Problemzone fand sich dann im Bereich des Übergangs der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule und  an letzterer selbst, weil diese Zone die Schiefe des Beckens direkt abfangen musste.

Ebenfalls betroffen war der Schädel, der sich deutlich asymmetrisch zeigte, mit blockiertem Kiefergelenk und Zungenbein.

Wichtig im Zusammenhang mit den gefundenen Blockierungen gerade im Halsbereich ist die neurologische Bedeutung: durch eingeklemmte Nerven an der Halswirbelsäule kann es zu Ausfallserscheinungen an der Hinterhand kommen, die sich dann als Ataxie darstellen. In Aberdeens Fall kam noch der Beckenschiefstand erschwerend hinzu, er hatte somit keine Chance, sich koordiniert zu bewegen. Die Ursachen dieser Probleme können schon während der Geburt auftreten, aber auch später durch Stürze, Überschlagen etc., was man im Fohlenalter nicht unbedingt mitbekommen muss.

Aberdeen wurde in mehreren Etappen behandelt. Bei der Erstbehandlung erfolgte die Korrektur der Statik, sprich: das Becken wurde wieder ins Lot gebracht, die Blockierungen an Wirbeln und Gelenken gelöst. Über Akupressur und Akupunktmassage wurde zusätzlich gezielt Energie in die unterversorgte Hinterhand gebracht.

Bei der zweiten Behandlung wurde das Craniosakrale System behandelt. Hierbei handelt es sich um die Einheit „Schädel – Wirbelsäule – Kreuzbein“ und das System, das davon geschützt wird, nämlich Gehirn und Rückenmark, umspült von Liquor (Hirnwasser). Bei einem dreijährigen Pferd sind die Schädelnähte noch nicht verknöchert. Das bedeutet, dass man tatsächlich noch Korrekturen vornehmen kann. Dies ist für die Statik und auch die spätere Nutzung sehr wichtig, da sich Asymmetrien des Kopfes auf die Wirbelsäule und den kompletten Körper auswirken.

Außerdem wurden hier auch noch die inneren Organe mit behandelt (viszerale Osteopathie). Da der Körper aus Organsystemen besteht, die miteinander verbunden sind und somit auch bei Blockierungen aufeinander einwirken, ist es wichtig, sämtliche beteiligten Strukturen zu lösen. Hier ist deshalb auch das Einbeziehen der Ernährung elementar, da sich z.B. Überlastungen des Magen-Darm-Traktes auf die Funktion der Wirbelsäule auswirken.

Hatte sich das Bewegungsmuster von Aberdeen nach der ersten Behandlung schon völlig verändert, war nach der zweiten eine deutliche komplexe Verbesserung von Statik, Bewegung und Allgemeinzustand festzustellen. Das ganze Pferd war stabiler, entwickelte sich mehr in die Breite und baute Muskeln auf. Koordination und Gleichgewicht zeigten sich deutlich verbessert, die Hinterhand fing an, Last aufzunehmen. Auch im Fell wurden positive Veränderungen sichtbar.

Da Aberdeen noch stark im Wachstum war, waren und sind mit jedem Wachstumsschub leichte Korrekturen nötig, um das alte, schiefe Muster endgültig abzubauen. Außerdem nutzt er seine verbesserten Bewegungsmöglichkeiten natürlich altersgemäß zum Toben und Spielen, was ab und an noch schief geht und ihn wieder aus dem Lot bringt.

De facto hat sich die ursprüngliche Diagnose zum Glück nicht bestätigt, sondern als eine Ansammlung ungünstiger statischer und energetischer Probleme herausgestellt.

Eines ist mir allerdings wichtig: Aus tierärztlicher Sicht stellte sich die gezeigte Bewegungsstörung tatsächlich als Ataxie dar, es handelt sich also nicht um eine Fehldiagnose. Allerdings war die Symptomatik im Fall von Aberdeen zum Glück reversibel, was bei einer wirklichen Ataxie nicht der Fall ist.“

Als Besitzerin möchte ich noch folgende Anmerkungen ergänzen:

Die hier zu sehenden Bilder zeigen Aberdeen im Februar 2012 nach seiner 2. Behandlung – ein bezaubernder „kleiner“ Kerl, der sich zu bewegen weiß und ungeheure Freude an seinem neuen Körpergefühl hat, das er jeden Tag eifrig selbst trainiert.

Beachten Sie besonders seinen Schweif, der nicht allzu voll und hell war. Kurz nach der ersten Behandlung durch Frau Schultheiß, begannen sich Schweif und Mähne sehr schnell – fast schlagartig - schwarz zu färben und voller zu werden. Sie sehen hier deutlich den Farbwechsel, was einmal mehr zeigt, wie sehr solche „Schieflagen“ die Gesamtentwicklung beeinflussen.

Jeden Tag freue ich mich über ihn und an ihm - und darüber, den Mut gehabt zu haben meinen Augen zu trauen, auf meinen Bauch zu hören und meinen eigenen Weg zu gehen.

Martina Schultheiß, Energetische Osteopathie, Seibersbach & Franziska Böhmer, Ernährungsberatung Pferd & Hund, Horn

01.09.2017

Bildergalerie

Zurück zur Übersicht