Atypische Weidemyopathie (Leserbriefantwort)

Ist der Ahorn schuld?

Bergahorn mit TeerfleckenkrankheitWir erhielten zu unserem Artikel Wildpferde als Futterberater eine Mail von einer Leserin, die wir gern auch öffentlich beantworten.

„Sehr geehrte Damen und Herren,

soeben bin ich über einen Link bei Facebook auf Ihren nachfolgenden Artikel gestossen Wildpferde als Futterberater und habe diesen aufmerksam gelesen.

Ich begrüße es, Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, welche Pferdebesitzern die Möglichkeit bietet, Ihren Pferden auf der Koppel mehr als Gras anzubieten. Im Pferd stecken sicherlich noch viele Instinkte, deren wir uns alle nicht bewusst sind und welche nicht ansatzweise erforscht sind, so z.B. der Konsum von Erden und Kräutern oder eben auch von Baumrinden, wie in Ihrem Artikel beschrieben, zur Nahrungsergänzung oder Krankheitsbekämpfung.

Nun ist in den letzten Monaten jedoch bekannt geworden, dass Ahorn, genauer gesagt die Früchte dessen, im Verdacht steht die atypische Weidemyopathie auszulösen. Sicherlich haben auch Sie schon von dieser Erkrankung gehört, welche kaum behandelbar scheint und deren Ursache bislang völlig im Dunkeln lag.

Ich bitte Sie daher dringend, Ihren Artikel um den genannten Ahorn zu kürzen. Es wäre fatal, wenn jemand jetzt zur Fruchtzeit des Ahorns, noch schnell eine Weide neu einzäunt in welchem Ahorn steht, im Glauben, die Rinde sei gut fürs Pferd!

Ich hoffe Sie verstehen meinen Appell als sachliche Kritik und nicht als persönlichen Angriff.

Mit freundlichen Grüßen“

Unsere Antwort

Liebe Frau ...,

wir nehmen Ihren Hinweis ernst und werden detailliert recherchieren und Ihnen die Ergebnisse dann mitteilen. Unsere Korrespondenz werden wir auf www-artgerecht-tier.de vollständig veröffentlichen, sobald wir sie vorlegen können, damit jeder in der Lage ist, sich ein möglichst genaues Bild zu machen.

Allerdings möchten wir jetzt schon einige kritische Anmerkungen machen, die nachdenklich stimmen sollten. Nicht immer ist auf Anhieb klar, ob rein wissenschaftliche oder auch andere Interessen vertreten werden. Deshalb sind wir immer äußerst skeptisch. Was wir damit meinen, wird gleich klar werden.

Den Ahorn und seine Früchte gibt es solange, wie es Pferd als Haustiere bei uns gibt. Die atypische Myopathie wird es auch schon gegeben haben, nicht aber in der Häufung wie in den letzten Jahrzehnten. Schon das sollte zu denken geben.

Eine geradezu katastrophale Veränderung und Verarmung der Flora auf Wiesen und Weiden, bis letztlich nur noch Weidelgras übrig ist, gibt es erst seit etwa 40 Jahren. Zudem sind Wiesen und Weiden erheblich mit Giftstoffen belastet, einerseits durch chemische Düngung (Uran), durch chemische Entwurmungsmittel und Medikamentenrückstände in „Naturdüngern“, die inzwischen alles andere als natürlich sind. Mehrere Komponenten also, die zu berücksichtigen sind.

Sicher ist es richtig, den Ahorn bzw. seine Samen und Keimlinge in die Überlegungen einzubeziehen. Bei genauerer Recherche ergibt sich dann aber, dass der Ahorn bzw. seine Arten für diese Krankheit kaum infrage kommen. Eher, wenn denn überhaupt, der Pilz Rhytisma acerinum, auch als Teerfleckenkrankheit bezeichnet.

Verdächtig dabei ist uns allerdings, dass immer mehr Pflanzen als Giftpflanzen diskreditiert werden, so die Eiche, der Knoblauch, der Buchweizen, der Gundermann, der Ackerschachtelhalm, der Beinwell, Huflattich, Pestwurz, verschiedene Pflanzen, die Pyrrolidizine enthalten, obwohl zu dieser Stoffgruppe 170 verschiedene Stoffe gehören, die keineswegs alle als giftig bezeichnet werden können. Die Aufnahmemenge einer Pflanze spielt bei der Argumentation überhaupt keine Rolle mehr.  Pauschal wird jede Pflanze, die einen Stoff enthält, der giftig werden könnte, zur Giftpflanze erklärt.

Auch werden immer häufiger Pflanzen verdächtigt, die vollkommen harmlos sind und wenn es nur aus Versehen geschieht. Typisch dafür sind Artikel wie dieser hier: „Eschen können für Pferde schädlich sein“ (www.bauernzeitung.at).

Demnächst wird man in den Foren lesen, dass die Eschen giftig sind. In der nächsten Zeile wird dann allerdings spezifiziert zu Eschen-Ahorn, eine ganz andere Pflanze, aber das wird man schnell überlesen, und weil die meisten keinerlei botanische Kenntnisse haben, werden sie zukünftig am besten gleich alle Bäume bzw. deren Rinden und Blätter meiden.

Pferdehalterinnen und -halter werden auf die Weise ständig in Panik versetzt, bis sie alle Pflanzen meiden, die nicht nach Gras aussehen.

Was bleibt zuletzt übrig? Vor allem Weidelgras. Dazu empfehle ich Ihnen und allen anderen Leserinnen die Ausführungen von Frau Dr. Renate Vanselow zu lesen (s.u.), die eindeutig schreibt, dass in jedem Fall Weidelgras anwesend war, nicht aber der Bergahorn oder seine Früchte. Darauf gehen wir in der Recherche noch genauer ein.

Auch Ihre Kritik, liebe Frau ..., weist in diese Richtung: Vorsichtshalber weglassen. Und so läuft es ja immer. Sie wünschen sich von uns einen undifferenzierten Warnhinweis und fordern uns auf, einer oberflächlichen Argumentation zu folgen. Das können wir so nicht machen.

Es stellt sich die grundsätzliche Frage: Was darf man denn nun den Pferden eigentlich noch füttern? Letztlich bleiben nur wenige Kulturgräser übrig, oft eben nur das Weidelgras, wie man auf vielen Wiesen sehen kann.

In wessen Interesse könnte das liegen?
Wer nur Gras anzubieten hat, wie die meisten Landwirte, wird für eine solche Argumentation dankbar sein. Auch die Futtermittelhersteller werden das begrüßen, indem sie den Verbraucherinnen mit ihren Produkten, die nur noch selten artgerecht sind, Sicherheit suggerieren.

Der Verlust an natürlichen Futterkomponenten mit ihrer riesigen Vielfalt an Vitalstoffen, die früher einmal zigtausende betragen hat, ist für die Pferde eine Katastrophe. Dieser Verarmungsprozess ist bereits sehr weit fortgeschritten, und gutgläubige Menschen fallen darauf herein.

Ist es nicht merkwürdig, dass die Suche nach dem Gift immer im Bereich der Pflanzen erfolgt, die schon immer zur Nahrung der Pferde gedient haben, früher aber in einer großen Artenvielfalt? Man sucht aber nicht im Bereich der artenarmen Wiesen, der Vergiftung unserer Mitwelt, der komponentenarmen Futter in großen Säcken, der Verarbeitungsmethoden, der Versorgung mit anorganischen Mineralien und synthetischen Vitaminen, die zu Imbalancen führen. Warum nicht?
Von artgerechter Ernährung der allermeisten Pferde kann jedenfalls seit vielen Jahren keine Rede mehr sein.

Es ist wie mit dem Schlüssel, den jemand unter einer Laterne sucht, weil es da hell ist, obwohl er ihn am Waldrand verloren hat. Wir werden also genau recherchieren, was man tatsächlich weiß und was man vorgibt zu wissen, obwohl es nur Behauptungen sind.

Liebe Grüße
Klaus-Rainer Töllner
Manfred Heßel

Unsere Recherche

Bei Sichtung der Artikel z. B. im Internet gewinnt man zunächst den Eindruck, dass die meisten von Dr. Uwe Hörügel aus einer Veröffentlichung der Sächsischen Tierseuchenkasse abgeschrieben haben, ohne zu zitieren.

In seiner Veröffentlichung kann man lesen:

„Die atypische Weidemyopathie tritt vorwiegend im Herbst auf, vereinzelt auch noch im Frühjahr, jedoch nicht im Sommer. Eine Häufung der Fälle ist nach frostigen, mit einem plötzlichen Kälteeinbruch einhergehenden Nächten, oder aber nach einem plötzlichen Wetterumschwung in den Kältebereich, vor allem in Jahren nach einem ungewöhnlich trockenen und heißen Sommer festzustellen. Auch bei Plustemperaturen im niedrigen Bereich (< 5°C), bei hoher Luftfeuchtigkeit und nach Stürmen kann die atypische Weidemyopathie auftreten. Ein von Jahr zu Jahr kontinuierliches Auftreten kann jedoch nicht beobachtet werden.

Betroffen sind vorwiegend jüngere, gut genährte Pferde bis zum Alter von 4 Jahren, aber vereinzelt auch ältere Tiere auf stark verbissenen und verkoteten Weiden. … Häufig waren die Blätter von dem Pilz (Rhytisma acerinum) der Teerfleckenkrankheit befallen."

(Diesen Pilz bzw. seine Toxine sieht auch Frau Prof. Fink-Gremmels, Universität Wageneningen, als mögliche Ursache, wie sie uns in einem persönlichen Gespräch mitteilte.)

Viel wichtiger erscheint uns dieser Passus:

„Da die Krankheit bisher stets nach einem Kälteeinbruch auftrat, ist ein Zusammenhang mit den Witterungsverhältnissen ziemlich sicher. Weil meist mehrere Pferde einer Weide erkranken, wird vermutet, dass es sich um eine Art Vergiftung durch Weidepflanzen handelt. Möglicherweise ruft der Wetterumschwung Stoffwechselveränderungen in Pflanzen oder Mikroorganismen hervor, die zu einer Toxinbildung führen oder dann vorhandene Toxine plötzlich freisetzen. Auch ist nicht auszuschließen, dass bestimmte klimatische Bedingungen giftige Pflanzenteile schmackhaft machen, die normalerweise nicht vom Pferd gefressen werden. …

Bei Untersuchungen des Magen- und Darminhaltes der verendeten Pferde konnten jedoch keinerlei toxische Stoffe nachgewiesen werden. In der Schweiz wird eher die Theorie vertreten, wonach sich darmeigene Clostridien und deren Toxine bei erhöhter Aufnahme bestimmter Substanzen zu stark vermehren oder überhaupt erst vom Körper aufgenommen werden können. Auch dies konnte bisher nicht bestätigt werden.“

Für diese Annahme spricht einiges. Von Rinderbeständen weiß man, dass sich wohl durch die Belastung der Futter mit Glyphosat (Unkrautvertilger, bekannt unter dem Namen Round up), in deren Verdauungssystem das Bakterium Chlostridium botulinum stark vermehrte, mit der Folge einer tödlichen Vergiftung durch Botulinumtoxin. Untersucht hat das bzgl. der Rinder Frau Prof. Krüger – Uni Leipzig. Es müsste also untersucht werden, ob die entsprechenden Weiden mit diesem Mittel z.B. gegen Jakobs-Kreuzkraut behandelt wurden. Genauso könnte es auch das Heu sein, wenn die dafür genutzten Wiesen mit Glyphosat belastet sind. Diese Giftstoffe werden ja fast überall leichtfertig eingesetzt.

Weiter im Originaltext:

„Eines der Gifte ist das Hypoglycin, das auch schwere Vergiftungen beim Menschen auslösen kann. Beschrieben wird das toxisch hypoglykämische Syndrom (Jamaikanische Brechkrankheit) nach Aufnahme der Akeepflaume. Hypoglycin ist eine Aminosäure, die durch Verdauungsvorgänge in eine toxische Form umgewandelt wird.

Nach Auswertung der in Sachsen und Thüringen bekannt gewordenen Fälle erkranken solche Weidepferde an Atypischer Myopathie, die untrainiert sind und deren Stoffwechsel sich auf Grund des spärlichen Nahrungsangebotes in einem Energie- und Mineralstoffdefizit befindet. … Sie betrifft ausschließlich auf der Koppel gehaltene Pferde, unabhängig von Rasse oder Geschlecht. Jüngere Tiere bis 3 Jahre in mäßigem oder gutem Futterzustand scheinen häufiger betroffen zu sein. Sie tritt fast ausnahmslos im Herbst auf. Die Ursache ist unbekannt.“

Quelle: http://www.tsk-sachsen.de/, der Artikel ist dort leider nicht mehr online. Zu finden ist er noch beim VFD.

Dr. med. vet. Hans-Joachim Klein schrieb zu diesem Thema 2009:

Ursachen

Die Ursache der Atypischen Weidemyopathie ist bisher nicht bekannt, man vermutet die Aufnahme von Pilztoxinen, die sich möglicherweise besonders im Herbst auf unseren Weiden bilden. Folgende Bedingungen scheinen das Auftreten dieser Krankheit zu begünstigen:

  • Pferde haben ganztags oder den größten Teil des Tages Weidegang (Voraussetzung)
  • Herbst, viel seltener Winter oder Frühjahr
  • Keine oder nur geringe Zufütterung
  • Plötzliche Wetterverschlechterung, besonders nach den ersten Nachtfrösten
  • Möglicherweise Zugang zu Baumrinde abgestorbener Bäume
  • Jungtiere bis zum Alter von 3 Jahren sind häufiger betroffen
  • Bei Gruppenhaltungen erkranken oft mehrere Tiere
  • Nasse Weiden ohne Unterstände

Die Atypische Weidemyopathie tritt einerseits in Gegenden auf, in denen bisher noch keine Fälle bekannt geworden sind und andererseits tritt sie nicht unbedingt in den gleichen Gegenden, in denen Pferde daran erkrankten, erneut auf.“

Quelle: https://www.dr-med-vet-klein.de/Fachthemen_Weidemyopathie/Weidemyopathie.html

In einem Text der Tierärztlichen Klinik für Pferde, Dr. Jürgen Martens und TA Traugott Roewer, Bark-Bockhorn, heißt es:

„Auffällig war das gehäufte Auftreten im norddeutschen Raum. Die Erkrankung ist nicht von Pferd zu Pferd übertragbar. Sie hat also keinen seuchenhaften Charakter.“

Quelle: http://www.pferdeklinik-bockhorn.de/wissenswertes--news/wissen-fuer-pferdebesitzer/atypische-weidemyopathie/index.html

Das ist besonders interessant, denn gerade in Norddeutschland sind die Wiesen extrem artenarm, bedingt durch die intensive Landwirtschaft. Der Einsatz von Mineraldünger und Pesitiziden incl. Glyphosat ist entsprechend hoch. Man müsste also in dieser Richtung suchen, was aber, aus naheliegenden Gründen, nicht geschehen wird.

Die Zeitschrift „St. Georg“ veröffentlichte 2012 einen Artikel mit dem Titel „Der Ahornbaum ist Schuld!“. Darin wird auf Untersuchungen aus den USA Bezug genommen, die ergeben haben, dass die Aminosäure Hypoglycin, die im Samen des Eschenahorns (Acer negundo) vorkommt, für die Vergiftungen verantwortlich sei. Dummerweise kommt der Eschenahorn in Deutschland nur selten vor und konnte auch im Zusammenhang mit diesen Todesfällen nicht nachgewiesen werden. Fehlanzeige also. Der Eschenahorn ist ein Parkbaum.

Weil man aber mit aller Gewalt einen Schuldigen finden will, macht man nun den Bergahorn (Acer pseudoplatanus) verantwortlich, in dessen Samen dieser Stoff ebenfalls vorkommen soll.

Quelle: https://www.st-georg.de/news/atypische-weidemyopathie-der-ahornbaum-ist-schuld-2/

Letztlich bleiben nur Aussagen von Dr. Renate Vanselow und Kirsten Raths, die man ernst nehmen kann, veröffentlicht im November 2012 mit Bezug auf dieselbe Studie der University of Minnesota.

„Es wurde erforscht, dass eine abnorme Aminosäure – kurz Hypoglycin A - zur Zerstörung der aeroben Muskelfasern führt.
Dieses Hypoglycin A wurde nun auch in den Samen des im Nordosten Nordamerikas heimischen Eschen-Ahorns (Acer negundo), gefunden. Die tolerierbare Aufnahme des Hypoglycin A wurde auf minimal 26 und maximal 373 mg/kg/Tag geschätzt. Das sind 165 bis 8000 Samen. Ahornbäume tragen jedoch ca. 500.000 Samen, so dass eine massenweise Aufnahme durch Pferde möglich scheint.“

Sehr wahrscheinlich ist die Aufnahme einer solchen Mengen allerdings nicht und wurde bisher auch, soweit wir wissen, nicht bestätigt. Man muss allerdings bedenken, dass Pferde, die auf abgefressen Weiden stehen, fressen, was sie kriegen können, um satt zu werden. Auf diese Weise werden viele Pflanzenteile giftig. Ein Beispiel sind die Eicheln, die zur Regulierung der Verdauung unentbehrlich sind, in großen Mengen aber giftig werden. Frau Dr. Vanselow wies uns darauf hin, dass die auch für Eschenrinde gilt, die als Einstreu verwendet wurde und von der Pferde dann, in Ermangelung anderer Futter, viel gefressen haben. Es ist, wie immer, die Menge, die eine Pflanze oder ein Pflanzenteil giftig werden lässt.

„Der AK Umwelt der VFD hatte sich bereits 2010 mit dieser Ursache befasst. Es bleiben jedoch immer noch Zweifel. Als im Winterhalbjahr 2009/2010 vermehrt tödliche Vergiftungen von Pferden mit Symptomen der atypischen Weidemyopathie (s.u.) gemeldet wurden, sah sich der AK Umwelt der VFD aufgefordert, der Sache nachzugehen. Die umfangreiche Sammlung von Daten, Grünlandbesichtigungen und Diskussionen führten schließlich zur Einengung auf zwei verdächtige Pflanzen, die immer anwesend waren: Ahornbäume und Deutsches Weidelgras.[Hervorhebung der Verfasser dieses Artikels] Beide Pflanzen können Gifte enthalten. Im Herbst 2010 wurden die Ergebnisse unserer Überlegung veröffentlicht, zuerst in der Pegasus (Vanselow, R. (2010) Plötzlicher Weidetod: Ist Ahorn schuld? Pegasus – freizeit im sattel, August, S.73), danach in der Starke Pferde (Vanselow, R. (2010) Atypische Weidemyopathie: Ahorn als Ursache? Starke Pferde, Herbstausgabe, Nr. 55, S. 12-13). Wir hielten Ahorn als mögliche Ursache der Vergiftung für möglich.“

Unser Kommentar wie schon oben: Ahorn gibt es schon immer in Deutschland, nicht aber Weidelgras in diesem Umfang.

„Die veterinärmedizinische Universität Wien geht davon aus, dass diese Substanz auch in anderen Ahornspezies vorkommen kann. Nachgewiesen wurde das Hypoglycin A bisher nur beim Eschen-Ahorn. Über Berg- und Spitzahorn ist aus älterer Literatur bekannt, dass in seinem Keimlingen Hypoglycin A vorkommen kann.
Heimisch in Deutschland und den angrenzenden Ländern sind insbesondere der Feldahorn (Acer campestre), der Spitzahorn (Acer platanoides) und der als Edelholz forstlich begehrte Bergahorn (Acer pseudoplatanus). Eschen-Ahorn wird bei uns als Parkbaum gepflanzt.

Ahorn als Täter nicht zweifelsfrei überführt

Ob Ahorn tatsächlich als alleinige Ursache dieser tödlichen Vergiftung in Frage kommt, bleibt unter Experten des AK Umwelt der VFD umstritten. Zum einen, weil die Ahorn-Hypothese Schwächen aufweist:

(1) Acer negundo ist in Deutschland überwiegend in Gärten und Anlagen verbreitet. Die eindeutige Bestätigung, dass heimische Ahornarten denselben Stoff wie Acer negundoin ausreichender Menge enthalten, steht noch aus. In der Literatur findet sich ein tödlicher Vergiftungsfall 18 Tage alter Entenkücken, die Keimblätter des Spitzahorn gefressen hatten und die Angabe, dass Ratten mindestens 30 mg Hypoglycin A pro kg Köpermasse in den Bauchraum verabreicht bekommen müssen, um eine tödliche Vergiftung zu erleiden. Ein endgültiger toxikologischer Beweis im Falle tödlicher Pferdevergiftungen wurde bisher nicht erbracht.

(2) Werden Ahornsamen bzw. Keimlinge überhaupt von Pferden in der angegebenen notwendigen Menge für eine Vergiftung aufgenommen? Wie hungrig müssen Pferde sein, um derart große Mengen giftiger Pflanzen aufzunehmen? Hunger stellt in Gegenwart von (schwach) giftigen Gewächsen grundsätzlich eine Gefahr dar! [Hervorh. d. Verf.] Warum erkranken dann aber Pferde an dieser tödlichen Vergiftung vorzugsweise auf Grasland, fast gar nicht dagegen auf Paddocks, obwohl nicht selten Ahornbäume Laub und Samen (Keimlinge) auf Paddocks ausstreuen?

(3) Es gibt Fälle von Weidemyopathie, bei denen kein Ahorn auf den Flächen vorkam. Es muss also auch andere Gründe geben. Falls Ahorn eine Ursache ist, dann ist er wahrscheinlich nur eine unter mehreren Ursachen.

(4) Vorkommen von Ahornen auf Weiden, wo Weidemyopathie auftrat, sind zunächst nur ein Hinweis darauf, dass hier eine Ursache liegen könnte, aber kein Beweis. Für einen toxikologischen Nachweis muss der gesamte Vergiftungsweg lückenlos aufgeklärt werden, vom Gift im Futtermittel über die tatsächliche Aufnahme durch das Tier, den Nachweis des Giftes im Tierkörper bzw. seinen Sekreten (Blut, Urin, Kot, Gewebe) bis hin zum Wirkmechanismus im Tier. Denn, wenn es noch andere Ursachen geben kann / muss (siehe (3)), ist der Nachweis der einen Ursache noch kein Beleg, dass nicht AUCH ANDERE Ursachen allein oder gemeinsam die Erkrankung ausgelöst haben.

Ob Ahorn wirklich für die Vergiftungen verantwortlich gemacht werden darf kann zum anderen bezweifelt werden, weil auf sämtlichen von uns untersuchten Flächen auch das Deutsche Weidelgras (Lolium perenne) wuchs. In Frage kommen hier die Endophyten dieses Grases. Bei Stress wie Wetterumschwüngen setzt hier die vermehrte Bildung von Toxinen ein. [Hervorh. d. Verf.]
… Da der Gehalt an dem Gift Lolitrem B im Herbst im Weidelgras oft sehr hoch liegt, ist folgende Information interessant: Lolitrem B ist ein dem Indol nahe verwandter Stoff. Es gibt bei Rindern auch in Deutschland eine sehr plötzlich eintretende tödliche Vergiftung im Herbst auf Weideland, speziell bei plötzlichem Kälteeinbruch nach einem farbenprächtigen, spätsommerlichen Herbst („indian summer“). Die Symptomatik ist der der atypischen Weidemyopathie nicht gänzlich unähnlich. Diese Vergiftung wird als fog fever bezeichnet und wissenschaftlich als „acute bovine pulmonary edema“ beschrieben. Ursache ist hier eine dem Indol nahe verwandte Substanz, die von Mikroorganismen des Pansens gebildet werden soll – aus Indol-Verbindungen die im gefressenen Gras vorhanden waren? Können Indol-Verbindungen aus Gräsern eine atypische Weidemyopathie beim Pferd auslösen?“

Quelle:http://www.vfdnet.de/index.php/partner-pferd/gesundheit/466-Neue-20Forschungsergebnisse-20zur-20saisonalen-20Weidemyopathie-20bei-20Pferden-3F

Klaus-Rainer Töllner und Manfred Heßel, Waltrop

Studie der University of Minnesota:

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.2042-3306.2012.00684.x/full

Hierzu Veröffentlichung der Universität Wien:

http://www.vetmeduni.ac.at/fileadmin/v/z/news/2012/Information_Weidemyopathie_2012-10-22.pdf

13.08.2013

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