Equines Metabolisches Syndrom (EMS)

Sogenannte Zivilisationskrankheiten haben im Humanbereich bekanntlich enorm zugenommen. Jeder hat schon einmal von dem Zusammenhang zwischen Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck und falscher Ernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und Diabetes Typ 2 gehört.

Unsere „modernen“ Ernährungsgewohnheiten (Fast Food, hoher Fleischverzehr, stark verarbeitete und dadurch mineralstoff- und vitaminarme Lebensmittel) in Verbindung mit Bewegungsmangel und Stress sind ganz offensichtlich ursächlich für das Krankheitsbild des Metabolischen Syndroms. Sie können beim Menschen zu oben genannten Krankheiten führen. Beim Pferd kommt es typischerweise zur Hufrehe oder Anfälligkeit für Hufrehe.

Wird das Pferd von Hufrehe befallen, so denkt man allerdings nicht unbedingt an die komplexe Stoffwechselstörung EMS als Ursache, sondern eher an punktuelle Überfütterung – meist nach zu üppigem Weidegang. Die Therapie besteht in den meisten Fällen in einer Futterumstellung und begleitenden Kortisonbehandlung. Verunsichert ist man als Pferdehalter, wenn die Hufrehe unvermutet – z. B. auch in den Wintermonaten – auftritt.

Enstehung des EMS

Die Futteraufnahme bewirkt einen Anstieg des Blutglucose-Spiegels. Aufgrund der erhöhten Blutzucker-Konzentration schütten die Langerhansschen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse vermehrt das blutzuckersenkende Hormon Insulin aus. Insulin stimuliert die Aufnahme der Glucose in die Zellen, wo Zucker zur Energiegewinnung dient. Der Blutzuckergehalt sinkt und das System ist im Gleichgewicht.

Ein ständiges Nahrungsüberangebot (zu viel Kraftfutter, Müslis, melassehaltige Fertigfutter, Karotten usw.) bewirkt eine permanent erhöhte Blutzucker-Konzentration, die auf Dauer auch durch entsprechende Insulinausschüttung nicht mehr gesenkt werden kann. Die übermäßigen Mengen an Depotfett beim übergewichtigen Pferd entlassen u. a. vermehrt Fettsäuren ins Blut, die zusätzlich noch die Wirkung des Insulins beeinträchtigen. Die Zellen der Gewebe und Organe reagieren nun quasi nicht mehr auf Insulin, sie können keine weitere Glucose aus dem Blut aufnehmen – es kommt zur Insulinresistenz.

Ein Teufelskreis wird eingeleitet:

  • Ständig erhöhter Blutglucose-Spiegel, ständig erhöhte Insulin-Konzentration und ständige Freisetzung freier Fettsäuren aus dem Fett- und Muskelgewebe (durch mangelnde Energieverbrennung in den Zellen). Einer weiteren Verfettung des Pferdes wird Vorschub geleistet. Die gefäßschädigende Wirkung des hohen Blutzuckers kann zur Reheanfälligkeit führen.
  • Auch werden eine Glucoseunterversorgung der Huflederhaut und periphere Durchblutungsstörungen als mögliche Ursachen für die Hufrehe diskutiert.
  • Das von Hufrehe befallene Pferd hat Schmerzen, und diese lösen eine verstärkte Kortisolausschüttung aus. Kortisol ist ein hormoneller Gegenspieler zum Insulin und erhöht den Blutzuckerspiegel! Die Schmerzhaftigkeit verschlimmert weiterhin den Bewegungsmangel.

So gerät das Pferd immer tiefer in diesen schädlichen Kreislauf.

Weitere Schädigungen aufgrund der hohen Blutzuckerwerte und erhöhten Fettsäurekonzentrationen können Netzhautläsionen, Nieren- und Nervenfunktionsstörungen und Schädigungen der großen Gefäße mit – z. B. beim Menschen – Durchblutungsstörungen in Beinen und Füßen sein. Auf vergleichbare Symptome sollte man durchaus bei Pferden und Hunden achten (unerklärliche Lahmheiten, angelaufene Beine, Wärme-Kälte-Symptome usw.).

Da sich die EMS bedingte Hufrehe eher schleichend und zunächst auch ohne deutliche Schmerzsymptome entwickelt, steckt man als Pferdehalter in einer weiteren Falle: Die Ursachen werden nicht rechtzeitig erkannt und abgestellt.

Therapie

Wie kann dieser Teufelskreis durchbrochen, besser noch – wie kann die Entstehung des EMS verhindert werden?

Das EMS medikamentös zu behandeln, ist offenbar nicht möglich. Da mangelnde Bewegung und Überernährung die Hauptgründe für die Entwicklung des EMS sind, hilft nachhaltig nur eine konsequente Fütterungsumstellung und intensivere Bewegung. Auf diesem Weg können die Fettdepots abgebaut und die Insulinwirksamkeit erhöht werden. Die Hufrehegefahr wäre somit gebannt.

Ziel der Therapie ist die Senkung des Blutzuckers. Daher ist es wichtig, den Zucker- und Stärkeanteil im Futter drastisch zu reduzieren, d. h. auf melassehaltige Müslis und Fertigfuttermischungen zu verzichten und das Kraftfutter einzuschränken bzw. wegzulassen. Auch Karotten, Bananen und Äpfel sind zuckerhaltig!

Unter Hufrehe leidende Pferde haben häufig starke Schmerzen. Daher sind sie körperlich weniger belastbar und können sich kaum ausreichend bewegen. Umso wichtiger ist die Prävention durch artgerechte Fütterung und Haltung, die man als Pferdehalter selbstverantwortlich umsetzen kann.

Dr. Frauke Garbers, Biologin

05.08.2017

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